Re: Eddies Plattenkiste: Millenium

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MetalEschi

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Tool – Lateralus
2001

Maynard James Keenan (v.)
Adam Jones (g.)
Danny Carey (dr.)
Justin Chancellor (b.)

Schon Viele haben versucht, Lateralus, das musikalisch vielleicht weitreichendste Statement des vergangenen Jahrzehnts in Worte zu fassen, und in der Tat könnte man seitenweise Abhandlungen über die zahllosen großartigen Momente verfassen, die sich wie Seelenwerkzeuge (der Bandname ist durchaus sehr passend gewählt) durch jede noch so feste Oberfläche bohren. Und doch ist jeder Versuch von Vornherein zum Scheitern verurteilt, denn Lateralus geht weiter als jedes kunstvoll gestaltete Epos vor und sehr wahrscheinlich auch nach ihm.

Da wo der nicht minder großartige, tiefschwarze Vorgänger Aenima (1996) aufhört, setzt Lateralus erst an, und lässt die irdische Wahrnehmung des Hörers zu undurchsichtigen Gebilden verschwimmen, eröffnet ungeahnte visuelle Vorstellungskräfte und befördert denjenigen, dem vergönnt ist, die Scheibe zu verstehen, in die laterale, die unterschwellige Bewusstseinsebene. Nie war die Produktion eines Albums besser, nie hatten alle vier Instrumente (Maynards Gesang miteingeschlossen) so eindeutig ihre ureigene Aufgabe und klangen im Gesamtbild dennoch so harmonisch, nie hat Musik eine größere, unmittelbarere Wirkung erzielt. Tool rufen genau die spirituelle Wahrnehmung ab, die sonst weitestgehend im Verborgenen schlummert, setzen Leid und Schmerz mit esoterischen Klangfarben außer Kraft, machen Unabhängig von äußeren Einflüssen und setzen das Erleben des Hier und Jetzt in den Mittelpunkt. Bei allem klingen sie jedoch zu jedem Zeitpunkt authentisch und nachvollziehbar, dennoch wird auch der hundertste Durchlauf noch neue Feinheiten offenbaren.

Müsste man Vergleiche ziehen, würde man sich mit Alternative, Ambient und Prog zu einem Standpunkt quälen, und geht doch mit jedem sofort baden. Die Düsternis, die den Hörer umhüllt (und „umhüllen“ ist durchaus im Wortsinne zu verstehen) ist nur manchmal bedrohlich und ausweglos, in erster Linie bietet die Schutz und Kraft. Wenn Maynard bei Parabol mit Engelsfurcht „all this pain is an illusion“ haucht, und der Übergang zu „Parabola“ wie der Übertritt vom Tod ins Leben erscheint, durchzuckt es den Körper wie ein Blitz, wenn er beim Titelsong „we ride the spiral to the end“ intoniert, erlebt der Körper grenzorgasmische Zustände, die keinen Raum für zweifelnde Fragen mehr lassen. Bei „Disposition“ ist man Gefangen in einer vollkommen positiven und unbeschwerten Welt, die man am liebsten nie verlassen würde, „Reflection“ zaubert beklemmende und gleichzeitig befreiende Atmosphären, die man nicht beschreiben kann, alleine sie zu hören gibt Aufschluss über ihre Intensität. Dies und alles davor und dazwischen macht „Lateralus“ zu einem Trip, der zumindest mein musikalisches Verständnis für immer verändert hat. Man kann stundenlang philosophieren über die spirituell angehauchten Lyrics, die scheinbar Messages transportieren, die einem das Leben erleichtern sollen, oder man lässt einzig und alleine die Musik auf sich wirken. Egal, wie man es handhabt: Lateralus lebt, es wächst, es bricht in sich zusammen, es legt den Schleier der Magie über den, der es schafft, sich darauf einzulassen. Es versetzt den Körper in Aufruhr, es trennt den Körper vom Geist. „Seperate the body from the mind“ – ein Auszug aus dem Titelsong, der aus auf den Punkt bringt.

Irgendwo in diesem unverwüstlichen Sog der musikalischen Kraft liegt sicherlich die Wahrheit, nach der wir alle suchen. Man muss lediglich nach ihr greifen…

http://www.youtube.com/watch?v=EDlC7oG_2W4

http://www.youtube.com/watch?v=RiV_ue-PbL4

http://www.youtube.com/watch?v=EiR1hmpk-x4

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