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Gut, dann mache ich mich mal ran an den Sampler. Ich muss dazu aber anmerken, dass ich weder sonderlich viel Ahnung von Spieltechnik habe, noch jemals wirklich darauf geachtet habe (nicht grad die besten Voraussetzungen dafür, einen Progrock-/Jazz-/Jusion-Sampler zu bewerten), weswegen wohl vor allem die Fusion-/Jazz-Reviews holprig, doof und an der Sache vorbeigeschrieben sein werden. Naja.
Lost geht es erstmal mit „Blue Rondo à la Turk“ von Dave Brubeck, von dem ich unterbewusst bestimmt schon den offenbar sehr bekannten Werbesong „Take Five“, bewusst aber noch nichts gehört habe. Das Stück fängt an mit einer mir verdammt bekannt vorkommenden, leicht hektisch gespielten Melodie, die einerseits von einem Klavier, andererseits von einem Saxophon getragen wird, im Hintergrund ein rhythmisch nicht wirklich bestimmender, nervöser 9/8-Takt. Bevor dieser eher klassisch inspirierte erste Songpart in eine ziemlich lässige Jazz-Improvisation gleitet, wird das Klavierspiel noch mal kurz lauter und dramatischer, das Grundmotiv dieses ersten Parts bricht anfangs noch immer wieder durch wie ein schnippisches junges Mädchen, das immerzu die gerade laufende Konversation unterbrechen muss. Das heimliche Highlight ist hinter dem sehr schön und gefühlvoll gespielten Saxophon der Basslauf, als das Saxophon vom rhythmisch eher an die Musik angepassten Klavier abgelöst wird, wird’s nochmal richtig herrlich und ich bekomme den Drang, im Flur mit einem Wischmopp zu tanzen. Naja, später vielleicht, ich habe hier meine Pflicht zu erfüllen…Bevor zum Schluss wieder das schnippische Mädchen namens Cartoonmusik-Klassik das Gespräch dominiert, hat das Saxophon noch kurz was zu sagen, bis „Blue Rondo à la Turk“ schließlich mit dem gleichen dramatischen Klavierspiel wie im ersten Songdrittel beendet wird.
War eigentlich ’ne ganz kurzweilige Sache, in seiner verspielten Leichtigkeit auch ein gut gewählter Sampler-Einstieg. Dafür sieben schnippische Mädchen mit 50er-Hochsteckfrisur und zu viel Lidschatten und ein halber Wischmopp.
Bei Yes und dem Titelsong ihres offenbar sehr wichtigen „Close to the Edge“ habe ich gleich mal doppelt so viel Angst, etwas Falsches zu schreiben, wie beim Song zuvor, sitzt mir doch abgesehen von dir (mindestens) noch TheKreator im Nacken. Zumindest die ersten Minuten lassen aber nicht befürchten, dass ich euren Zorn auf mich ziehen könnte, wird doch verquerer, scharfkantiger, unentwirrbar ineinander verkeilter Jazzrock gespielt, bei dem sich so ein durchschnittlicher Hobbymusiker vermutlich gleichermaßen vor Ehrfurcht, Neid und Schmerzen zusammenkrümmt und der zumindest für den Zeitraum von wenigen Minuten durchaus Spaß macht. Dass die „Dap-daaap“-Chorgesänge, die diesen Songpart manchmal unvermittelt unterbrechen und zunächst noch angenehm seltsam klingen, im späteren Verlauf zum Problem werden, wusste ich beim ersten Hören noch nicht. Nach ungefähr drei Minuten ordnet sich das Stück schließlich neu, fließt unbekümmert und harmonisch vor sich hin, bis wieder der Gesang einsetzt. In tieferen Tonlagen erstmal nichts Besonderes/besonders Störendes, trägt er eine zugegebenermaßen ziemlich gelungene und einprägsame Melodie, welche dann in…hm, ja, sowas wie einen Refrain, der im übrigen nicht minder fein und catchy ist, mündet. Folgend wird’s langsam kritisch…diese für mein ungeübtes Ohr etwas Reggae-esken Akkorde nerven leicht, aber glücklicherweise nicht zu lange (bzw. sie werden von den hübschen Refrain- und Strophengesangslinien von vorhin unterbrochen). Spieltechnisch scheint’s für die Hobbymusiker mal wieder frustrierender zu werden, eigentlich schade, dass ich für sowas keinen Sinn habe. Ein auch wieder viel zu fröhliches Keyboard bildet die strukturelle Brücke zu einem Songpart, der gleichermaßen nach freundlichem Frühambient, Kirche und Beach Boys-Gesangsharmonien klingt, und gerade letztere verderben mir, wie schon mehrfach angedeutet, gehörig den Spaß. Das mag Anfang der 70er die Fantasie der Steinzeitnerds beflügelt haben, klingt für mein Ohr aber schlichtweg grenzwertig cheesy. Die Kirchen-Assoziation stellt sich im folgenden Verlauf als nicht einmal vollkommen falsch heraus, wird dieses mir unangenehme kalte Schauer über den Rücken laufen lassende Songdrittel doch standesgemäß von Kirchenorgeln (und putzigen 70er-Science Fiction-Keyboardfantasien) beschlossen. Die Rückkehr zur Rockband-Instrumentierung gerät (angenehm) abrupt, begleitet von rhythmischen Verzwicktheiten darf der Keyboarder kurz nochmal angeben, bevor es mit etwas weitergeht, was ich anfangs noch leichtfertig als Strophen und Refrain bezeichnet hatte. Hier aber – muss wohl sein, ist ja Grande Finale und so – leider wieder von diesem furchtbar überharmonischen Chor eingesungen.
Das ist jetzt nicht leicht zu bewerten…einerseits durchaus feine Ansätze, andererseits dieser helle, fröhliche, vor allem in der Mitte konzentrierte Kitsch, der während des Hörens meine Mimik außer Kontrolle geraten ließ. Ich geb mal nett gemeinte sechs von zehn selbstmordgefährdeten Hobbymusikern.
Bei „Meeting of the Spirits“ von Mahavishnu Orchestra, dem ersten großen Überraschungshighlight des Samplers, springen die Hobbymusiker vermutlich ebenfalls reihenweise von der Brücke, glücklicherweise bin ich hier aber nicht darauf angewiesen, darauf zu achten.
Erst einmal schafft das Stück sich Platz, Keyboard, Gitarre und Drums werden übereinander fallengelassen und wollen noch kein strukturiertes Ganzes darstellen, nach vierzig Sekunden findet aber schließlich doch alles zueinander. Die Spannung, die gleich zu Anfang aufgebaut wird, ist wahnsinnig. Alles verbindet sich zu einem gleichmäßigen, heftigen Pulsieren, die schwerelosen, mit jedem Aufschlag für Erschütterungen sorgenden Drums, eine stählern glänzende, verschwindende und wiederkehrende Gitarre, die aufregend dramatischen Violinen…fortschreitende Verdichtung, die Augen weiten sich vor Aufregung, Adrenalinstößen, Angst. Über alles legt sich eine gleißende, solierende Gitarre, die klingt wie eine kunstvolle Fontänenanlage, durch die kein Wasser, sondern Lava fließt. Gegen Mitte scheint sich alles zu legen, zu entspannen, aber nur, um mit schmerzhaft hohen Keyboardtönen von ähnlichem Wohlklang wie ein Nadelstich durchs Trommelfell anstelle der Gitarre wieder neu anzufangen. Im Hintergrund wirbelt die Violine über das eigentlich einfache, aber kaum greifbare Rhythmusgerüst. Spannung, Atemnot, Intensität unverändert, eher noch höher als zuvor. Gegen Ende werden die Drums noch richtig vehement, aufpeitschend, bevor das Stück mit dem friedlichen Entspannungspart von vorhin scheinbar endet. Ich lasse mich auf die Sessellehne fallen, gleite langsam, erschöpft hinab, eine Blutspur hinterlassend…aber halt, der Song ist ja noch gar nicht zu Ende. Als ob das Interesse nicht bereits geweckt wäre, deutet man eine dritte Inkarnation des Songs an und lässt ihn nach kaum einer Minute ins Leere laufen, mir fieserweise seine weitere Entwicklung vorenthaltend.
Sehr, sehr sexy. Gibt neun von zehn Rabattmarken für eine Akupunktur. Ist das repräsentativ d.h. werde ich vom Rest von „The Inner Mounting Flame“ ähnlich begeistert sein?
Am Anfang von Herbie Hancocks „Rain Dance“ fühle ich mich zunächst noch wie im falschen Film, was im Zweifelsfall mehr über meine Ahnungslosigkeit aussagt als über das Stück an sich…minimalelektronische Muskelkontraktionen wären allerdings schon zugegebenermaßen das Letzte, was ich auf einem Jazzsampler erwartet hätte. Ab und zu taucht ein Saxophon auf, klingt mit einem weiten Hall aber ziemlich verloren und einsam. Eine eigenartige Unterbrechung nach gut einer Minute klingt dann so, als ob man alles, was man in der ersten Minuten vergessen hatte, ans doch etwas kahl scheinende Songgerüst zu hängen, in einer lediglich sekundenlangen Störung der Matrix kurzerhand draufrieseln lässt, was mich nun noch misstrauischer gemacht hat, als ich eh schon war. Was folgt und das Stück auf eine eigenartige Weise anstrengend macht, ist reizüberflutende Gleichzeitigkeit. Das einfache, nackte Gerüst wird von zahlreichen nebeneinanderlaufenden Nebensträngen kontrapunktiert, überlagert, empfindlich gestört, aber nie wirklich unterbrochen. Ein gewisses System gibt es, wenn ich mir die entsprechende Mühe gebe, es herauszuhören, auch dort. Für die zweite Songhälfte wird dieses sonderbar gebremste, kontrollierte Chaos unter den Teppich gekehrt, was wieder den Blick auf diesen prototypischen Minimal/Ambient Techno freigibt, um den herum sich verdächtig sprudelnde Chemikalien, geschäftig piepsende, raumfüllende alte Computer und andere Störgeräusche scharen. Dauert vielleicht etwas zu lange, bleibt aber auf eine seltsame, nicht erklärbare Art und Weise doch irgendwie interessant. Unentschlossene sieben von zehn lustig blinkenden Knöpfen.
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trying to leave [COLOR=#808080]a mark more permanent than myself[/COLOR]