Re: palez gegen xkillwithpowerx oder auch "born too late"-Hipster vs. Proglusche/shit eating jazz snob

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palez

Registriert seit: 04.01.2007

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Mehr als ’ne Woche her, die letzte Ration Buchstabensuppe, da muss sich was ändern. Steht jetzt übrigens 8:0 für das kleine weiße Hüpfedings (fairerweise muss jenes Hüpfedings anmerken, dass der Hipster-Sampler 6 Songs mehr enthält…aber trotzdem. ).

Ich kann zwar nicht genau sagen wie, aber irgendwie habe ich mir Emerson, Lake & Palmer immer anders vorgestellt. Statt irgendetwas, was meinen nicht klar definierten, aber im Kopf festsitzenden Vorurteilen eher entsprochen hätte, werde ich in „The Barbarian“ mit bis an den unteren Rand ihrer Möglichkeiten heruntergestimmten proto-Stoner Doom-Gitarre sowie einer herrlich fett und breitbeinig, dabei aber zunächst völlig schief wabernden Hammond-Orgel begrüßt. Dass mir ausgerechnet bei einer (dazu noch ziemlich bekannten) Prog Rock-Band derlei Dissonanzen auffallen, hätte ich nun auch nicht gedacht…aber wahrscheinlich war es durchaus ein gewollter Effekt, das Instrumentalstück zunächst wie eine Mischung aus den pelzigen Dingern aus „Wo die wilden Kerle wohnen“ und adipöser Waldhexe herumtrampeln und gegen Wände laufen zu lassen, rhythmische Angeberspielereien gibt es bald trotzdem und dass Perfektion auch ziemlich nerven kann, haben wir ja schon bei Yes gelernt. Das hier gerade ist aber ziemlich lustig. Nach ungefähr einem Songdrittel leitet ein erneutes Aufdröhnen der Gitarre in ein Klaviersolo mit hypernervöser Drumbegleitung, und dass ich den Begriff „Cartoonmusik-Klassik“ bei Dave Brubeck bereits verbraten habe, ist angesichts dessen, dass er hier eigentlich viel besser passt, ein wenig schade. Das folgende Songdrittel wird von einem laut hallenden Beckenschlag eingeleitet, es werden wieder die proto-Doom-Riffs mit den badass Hammond-Orgeln kombiniert, nur dass das Drumming sie auf einen dramaturgischen Höhepunkt zusteuern lässt.
Mehr als jedes andere Stück bisher klang das hier eher nach rivalisierenden Egos als ineinander greifenden Zahnrädern, was sich bei „The Barbarian“ aber gar nicht so schlimm/viel lustiger anhört, wie/als die Beschreibung vermuten lässt. Und da ein Tag ohne Grinsen ein verlorener Tag ist, gibt es für ELP siebeneinhalb von zehn Donald Ducks mit Kanonenkugel.

Ebenfalls stutzig machte mich zunächst „The Kettle“ von Colosseum. Mir zumindest namentlich als Vorreiter einer Fusionierung von Jazz und Progressive Rock bekannt, klingt die Band hier weder nach dem einen noch nach dem anderen…aber dennoch total herrlich. Dieses Ende der 60er veröffentlichte Stück könnte eigentlich in genau dieser Form als von Bryan Tulao geschriebener Mother Tongue-Song durchgehen, vor allem stimmlich gibt es überdeutliche Parallelen. Statt Technik-Besessenheit regiert hier pure, unbeschwerte Spielfreude, statt Escher-schen Strukturlabyrinthen effektive Gradlinigkeit (wobei man sich gegen Mitte rhythmisch kurz in irgendetwas verrent, was mich aber nicht unbedingt stört), die Gitarren klingen nach Sonnenschein und Zitroneneis, das Drumming wunderbar leichtfüßig, der Bass ist stellenweise schön präsent und der ganze Song klingt eigentlich nach Stuhlgroove auf dem Cabriorücksitz. Komische Leute mit tiefen Stirnfalten würden jetzt „Hippiekacke“ oder sowas in der Art sagen, ich würde ihnen entgegnen, dass man dazu wenigstens tanzen kann, und da man mich mit sowas im Zweifelsfalle immer rumkriegt, bekommt „The Kettle“ auch ganze achteinhalb von zehn Tanzbären, obwohl ja eigentlich schon November und es nachts kälter als draußen ist.

Das Gute an „The Wizard“ von Al di Meola ist, ist, dass man dazu teilweise auch ganz gut tanzen kann. Zu verdanken ist das vor allem der Rhythmusfraktion, die das Stück ziemlich souverän über die Kontinente tänzeln lässt, vor allem in der zweiten Songhälfte lässt man den Trommler angenehm oft von der Leine. Und dafür, dass das ein Solostück von einem [metalsprech]Griffbrettonanisten ist, klingt es deutlich weniger nach Musik für Musiker als befürchtet. Ich habe ja bereits erwähnt, dass ich gegenüber technischen Kabinettstückchen relativ taub bin, sodass ich über die Spieltechnik hier keine mehrseitigen Aufsätze wie die ganzen Musikstudenten und Gitarristen von Progressive Death Metal-Bands, die Ali di Meola vermutlich auf einer ganz anderen Ebene genießen können als ich, verfassen kann, sondern nicht viel mehr sagen kann, als dass bei recht hohem Tempo und viel Abwechslung immer eine gewisse Mühelosigkeit und Leichtigkeit gewahrt wird. Al Di Meolas Affinität zu Melodien, die problemlos in End-80er-Werbespots für Coca Cola laufen könnten (End-80er-Werbespots für Coca Cola können natürlich durchaus lustig sein, aber ich hätte nicht damit gerechnet, dass mir sowas ausgerechnet in diesem Zusammenhang einfällt), ist das, was „The Wizard“ unteraltsam macht, aber auch der Grund, wieso es immer wieder scharf am Kitsch vorbeischrammt. Wobei ich mir beim Letzteren nie wirklich sicher bin, ob ich das nun nett oder bös gemeint habe. Während ich darüber nachdenke, gebe ich „The Wizard“ mal unter Vorbehalt sieben von zehn Guitar Hero-Sets und eine halbleere Coladose.

Nach meiner Reise an die kalifornische Küste habe ich Temperaturen jenseits der 30°, Rumhängen an der Strandbar und Tanzen relativ satt, insofern kommen mir Modern Jazz Quartet mit „Angel Eyes“ durchaus gelegen. Die schmerzhaft hohen Vibraphon-Klänge zu Anfang sind vor allem über Kopfhörer nicht die angenehmste Angelegenheit…ist aber nicht so, dass ich da nicht drüber hinwegsehen/mich daran gewöhnen könnte. Gespielt wird sowas wie Cool Jazz, aber eine entschlackte und deutlich weniger einladende Version davon, als ich es von „Kind of Blue“ zum Beispiel kenne. „Angel Eyes“ wirkt kalt und suspekt, angenehm kalt und suspekt, durch den sehr langsamen und für mein ungeübtes Ohr irgendwie leicht verschleppten Rhythmus und die Grundmelodie kommt sowas wie Film Noir- und alte-Detektivserien-Feeling auf. Ein bisschen schade finde ich, dass man sich nach so 2:20 Minuten in fröhlich-verspielte Café-Jazz-Bereiche verirrt, aber der Ausflug dauert ja nicht lange. Da der positive Eindruck davon nicht entscheidend geschmälert wird, kriegen Modern Jazz Quartet acht von zehn kleinen Latte macchiatto-Tässchen von mir.