Re: palez gegen xkillwithpowerx oder auch "born too late"-Hipster vs. Proglusche/shit eating jazz snob

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xkillwithpowerx

Registriert seit: 25.12.2003

Beiträge: 7,966

OK, ich fange mit dem Songwriter Kram an. Punktwertungen möchte ich übrigens keine geben, das finde ich bei Musik eigentlich grundsätzlich bescheuert. Klingt jetzt vielleicht wahlweise hippiemäßig oder elitär, aber einem Song kann man meiner Meinung nach nicht gerecht werden, indem man ihm eine Zahl zuordnet.

PJ Harvey war mir bisher zugegebenermaßen nur vom Namen her ein Begriff, ich hatte nicht mal ne Ahnung, in welche stilistische Richtung sich das Ganze bewegt. Na gut, das hab ich dann ja beim Lesen der Tracklist erfahren. Dass sich aber hinter den Initialen PJ tatsächlich ein Frauenname verbirgt, war mir auch nach mehrmaligen Hören noch nicht bewusst. Polly Jeans vollkommen geschlechtsneutrale und nicht zuletzt auch deshalb unheimlich intensive Stimme reißt einen mit durch einen Song, der sich stetig monoton und in weiten Teilen monoton wachsend vom nichts paradoxerweise zurück ins nichts windet. So oder so ähnlich kann man jedenfalls den Sog beschreiben, in den To Bring You My Love mich zieht. Ich weiß nicht, worum genau es in dem Lied geht, will es aber auch gar nicht wissen, die Atmosphäre selbst sagt mir schon genug. Die starke und emotionale Stimme bringt aber gleichzeitig auch in gewisser Weise die einzige Schwäche des Liedes mit sich: In den gesanglosen Passagen geht ein wenig die Luft raus.
Den Namen werde ich mir jedoch merken. Zumindest auf nem Flohmarkt würde ich das einstecken. 😉

Anschließend bringt Tori Amos mir Precious Things. Anders als bei PJ Harvey fällt die Geschlechtszuordnung des Vokalisten hier (nicht nur des vollständig ausgeschriebenen Vornamens wegen) etwas leichter. Schwerer hingegen fällt mir ein Statement zum Lied. Die Stimme schwankt in meinen Ohren zwischen ganz nett und nervig, die Melodien gehen teilweise nur knapp an 08/15 vorbei (aber immernoch vorbei 😉 ), und der leicht bombastisch anmutende Part in der Mitte wirkt mir viel zu aufgezwungen. Trotzdem kann ich insgesamt nicht wirklich sagen, dass mir das Lied nicht gefällt, zumal ich das Drumming im Zusammenhang recht interessant finde. Unterm Strich ist mir aber alles einfach zu nichtssagend, weshalb mir hier jetzt auch nix weiter zu einfällt.

Wieder nach oben gehts mit Nick Cave and the Bad Seeds und John Finn’s Wife. Ohne dass es wirklich nach Blues oder „klassischem“ amerikanischen Folk klingt, erzeugt es bei mir die Atmosphäre von genau solcher Musik. Der Sänger hat seine Gescichte zu erzählen und macht auf mich den Eindruck, als wäre er darin auch ohne Musik gut, was in diesem Genre schon die halbe Miete ist. Eigentlich kann ich den Vergleich selbst nicht ganz nachvollziehen, aber irgendwie muss ich permanent an The Silos denken, zumindest was das authentische „Geschichten erzählen“ angeht, gibts da ja schon Parallelen. Genau wie in einer guten Geschichte gibt es auch in diesem Song die Einleitung, die Entwicklung bis zur Klimax und zum Schluss das Happy End. Genau das nervt mich aber dann auch ein bisschen. Vorhersehbar kommt es zwar nicht, aber dennoch kitschig, zumal ich traurige oder offene Enden viel lieber mag. Ist aber auf jeden Fall etwas, wovon ich gern mehr hören würde. Kannst du mir ein Album zum Einstieg empfehlen?
Ach ja, bin ich der erste, den die Stimme – wieso auch immer – ein klein wenig an die von Henry Rollins erinnert?

Den Namen Jay Munly hab ich von dir, wenn mich nicht alles täuscht, schon öfter aufgeschnappt, insofern waren meine Erwartungen hier auch etwas höher und sie wurden nicht enttäuscht. Auf mich wirkt River Forktine Tippecanoe ein bisschen wie das Gegenstück zu dem PJ Harvey Track. Was sich vor meinem inneren Auge abspielt, ist dieselbe Geschichte, nur aus einer anderen Perspektive. Auch hier liegt die größte Stärke wieder in der charismatischen und authentisch emotionalen Stimme, jedoch steht diese nicht so stark im Zentrum, dieses machen ihm die sehr schmutzig klingenden Streicher strittig. Irgendwie vermisse ich nur das Banjo, dann würde eine richtiges Siedlerfeeling aufkommen, aber auch ohne wird hier genug Stimmung erzeugt, das Ganze klingt sehr amerikanisch. So mag ich meinen Alternative/Country/American Southern Dickdance. Ist zwar wieder ein bisschen weit hergeholt, aber teilweise kommt es mir wie eine melancholischere Version von The Rainmakers vor.
Gefällt mir wirklich gut, da kann bei Gelegenheit mal ne Platte ins Haus. Von The Rainmakers eigentlich auch… 😉

Das Beste hebt man sich ja immer für den Schluss auf und so beende ich die erste Etappe meines Reviewmarathons mit meinem persönlichen Highlight des Songwriterabschnitts:
Tom Waits war mir bisher nur insofern ein Begriff, als Benne von Erazor sich hier und da mal rechtfertigen muss, weil er solchen Schmusesängerkram hört. Und was für eine Ungerechtigkeit, den Herrn in die Schublade zu stecken – wenn das mir zur Verfügung gestellte Lied annähernd repräsentativ ist, versteh ich gar nicht, wie man überhaupt auf die Idee kommen kann, das zu tun. Rain Dogs ist die postdeliriöse Chronik eines gebrochenen Manns nach einer durchzechten Nacht in Prag, die bei den ersten Sonnenstrahlen ihren Abschluss bei einem leicht schwankenden Spaziergang am Ufer der Moldau findet, wo außerhalb der Wahrnehmung unseres Protagonisten das geschäftige Treiben des Alltags langsam wieder losgeht. Diverse Wirte hatten sich die Nacht über sein Wehklagen anhören müssen und als seine freiwilligen und unfreiwilligen Zuhörer ihn verlassen haben, sucht er sich in den Erinnerungen seines Lebens schweifend und laut mit sich selbst redend schließlich eine der vielen Brücken aus, um darunter zu schlafen, während der Song langsam ausfaded, ohne dass ein wirkliches Ende spürbar ist.
Ich habe keine Ahnung, worum es wirklich geht, aber selten entsteht beim Hören von Musik ein so genaues Bild einer Situation in meinem Kopf wie hier. Mir scheißegal, ob das komplett am eigentlichen Inhalt oder an der Intention des Schreibers vorbeigeht und auch, ob das irgendwer verstehen kann – ich für meinen Teil kann meinen Eindruck von diesem Lied auf keinen Fall besser in Worte fassen als mit diesem Szenario. 🙂 Vielleicht macht meine „Interpretation“ ja manchen neugierig, auch mal reinzuhören und da würde mich doch interessieren, ob sie nachvollziehbar ist. 😉
Tom Waits steht jetzt jedenfalls auf meiner Einkaufsliste.

Ich hoffe, die Statements sind halbwegs lesbar. Als nächstes werde ich mir entweder den Gothic- oder den Post-Punk-Teil für ein Review vornehmen.