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Deodato – Prelude (1972)
Eumir Deodato (Klavier)
Billy Cobham (Schlagzeug)
Stanley Clarke (Bass)
und noch 20 andere
Kein Protodoom, kein Krautrock, nicht mal wirklich Rock. Aber ein großartiges Album für einen fiesen Sonntagnachmittag in grau bei Tee und ohne Kekse. Heute gibts mal einen Hauch von Jazzrock-Fusion-Instrumental-Funk-Erbsensuppe, leicht bekömmlich, verspielt und trotzdem geschmeidig wie der Angorawollpullover meiner Kindergärtnerin.
Eumir Deodato ist Kopf der Besetzung, Arrangeur, Komponist und Pianist seines Erstlingswerkes, später einer der Großmeister des Fusion, eine Verbindung aus Jazz mit in diesem Fall brasilianischen Rhythmen und Musikstilen. Viele wird dieser Satz jetzt nicht zum direkten Kauf des Albums anregen, aber vielleicht schmeckt der Tee damit ein wenig besser. Spannend ist die Sache allemal, die Musik klingt dermaßen antiquiert und verstaubt, dass man fast schon den Schleudersitzknopf in der Zeitkapsel drücken mag. Aber das ist auch die Stärke des Albums, das zentimeterdicke Patina abzukratzen und den 70er Sommer zu erleben wie er wohl gar nicht war.
Die Platte beginnt mit Also Sprach Zarathustra, dem großen Klassiker von Richard Strauß. Wer von Spannungsbögen redet der kommt um das Stück nicht herum. Jeder hat es schonmal gehört, die Bierwerbung, der Knochenwurf des Affen in 2001: A Space Odyssey, das Stück wurde wohl überall schon verwurstet. Deodato nimmt ihm in dieser Version die ganze Ernsthaftigkeit. Es klingt weder nach Orgasmus des Kaisers noch nach Gemetzel im Wiener Wald, es klingt flockig wie ein Kunststück von Ronaldinho. Der Höhepunkt ist kurz, die Streicher und Bläser wie im Original, dazu aber ein funky E-Bass, ein E-Piano, ein Rhythmus für den Strand und Sonne. Ausufernde Soloeinlagen, wie zu besten Psychedelicrockzeiten. Das Hauptthema kehrt immer wieder zurück ist aber nur der äußere Rahmen für dieses Großwerk. Besser kann man an ein klassisches Stück nicht rangehen wie es hier gemacht wurde. Zu Recht gab es dafür einen Grammy.
Song #2 ist Spirit Of Summer, eine geschmeidig schmalzige Ballade die durch die Bläser getragen wird. Ein leicht tauriges Stück, so wunderbar 70er, weich, ohne störend zu sein. Es plätschert wunderbar dahin, der Flokati kitzelt in der Nase während man die Platte in der Hand hält. In Bochum. Das Piano setzt kurz ein, eine Flamenco Gitarre fordert heraus, spielt aber so weich und präzise wie möglich. Die Flöte setzt dem noch eins drauf. So unzeitgemäß wird nie wieder etwas klingen.
Carly & Carole ist ähnlich aber auf der Sonnenseite. Kein Weichspüler bekommt das hin. Man ist fast geneigt einen der Standardtänze auszupacken und mit dem Wischmob zwischen dem Wäscheständer zu tanzen. Die gleichen Instrumente in gleicher Weise wie im vorigen Stück setzen ein, abwechselnd den Lead abgebend. So ein Keks wäre das beste jetzt. Das Stück ist aber zu kurz eine Pause zu zulassen.
Im nächsten Song, Baubles, Bangles & Beads, kann ich dann wieder meine Vorliebe für grenzdebile Melodien auslassen. Dieses tiefstfröhliche, dümmliche Stück ist einfach toll. Wer den Anker mal wegwerfen will für ein paar Minuten wird sich daran erfreuen. Hier kommt auch endlich mal die E-Gitarre zum Einsatz, spielt ein Santanaeskes Solo wie man es von seinen frühen Werken kennt. Nun ists wirklich Zeit für den Keks. Am besten passen hierzu natürlich diese runden Butterkekse mit Loch in der Mitte die nur Oma hatte.
Mit Prelude To Afternoon Of A Faun, Stück #5, wird wieder ein Klassikstück (Claude Debussy) gegriffen, aber mit deutlich mehr Respekt am Original gespielt. Was nicht heißt, dass der Funk draußen bleibt, aber es fällt auch leichter es funkiger zu spielen. Für mich deswegen auch das schwächste Stück der Platte. Natürlich großartig arrangiert aber mir fehlt der Butterkeks im Stück. Es ist zu sperrig für dieses Album.
Das macht das letzte Stück, September 13, wieder besser. Groovy wie eine Hula tanzende Hawaiifigur an der Frontscheibe schleicht sich das Stück durch 5min. Aber trotzdem weniger greifbar als die ersten Stücke der Album. Wieder dominieren die abwechselnden einzelnen Instrumente, man nickt sich durch den Nachmittag. Das Album geht unbemerkt nach knapp 30min, was bleibt ist die Müdigkeit der Langeweile und der Hunger auf einen Keks.
http://www.youtube.com/watch?v=rNANko0SMgw
http://www.youtube.com/watch?v=_9DaQAF7jLw
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