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Ich muss dazu noch anmerken, dass „Eliogabalus“ das vermutlich aufgeräumteste und zugänglichste Lied von Devil Doll ist und die Band sich da für die einzelnen Parts wohl vergleichsweise noch am meisten Zeit nimmt. Ein Werbebranche-Heini würde mich ohrfeigen für die Aussage.
Das Erste, was mir zu The Mount Fuji Doomjazz Corporation – Untitled 1 einfällt, ist die Frage, was du dir bitteschön dabei gedacht hast, das Stück den Sampler eröffnen zu lassen. „Nur die Harten kommen in den Garten“? Das Stück hat für mich nichts auch nur annähernd Einladendes, was es für die Openerposition qualifizieren könnte. Aber naja, warum einfach, wenn es auch kompliziert geht (ich habe so das Gefühl, dass das Phrasenschwein zum Bersten voll sein wird, wenn ich mit den ersten fünf Songs durch bin…). Nachdem ein zwielichtiger Mensch den Albumtitel angesagt hat („Doomjazz Future Corpses“), erfüllt zunächst kaum mehr als ein tiefes, durchdringendes Vibrieren den Raum, das ein bisschen so klingt wie das mühsame Öffnen von schweren Stahltüren in einem riesigen, (scheinbar?) verlassenen Industriekomplex. Es ist furchteinflößend, aber noch relativ formlos. Interessanter wird’s, wenn man sich aus dem Tieffrequenzbereich heraustraut, die Posaune (?) anschwellende und wieder vergehende Formen bilden und an Walgesänge aus den Vororten der Hölle erinnern darf, allgemein mehr Effekthascherei hinzukommt und das Stück davon zwar nicht greif-, aber zumindest erkennbarer wird. Da erinnert es mich auch einerseits ein wenig an Lustmord (das hier ist allerdings nicht so entfernt und verwaschen), andererseits an Sunn O))) – Alice, welches aber ein paar Jahre später erschienen ist, soweit ich weiß. Es ist eigentlich sehr filigran arrangiert, vor Dark Ambient-/Drone-/Noise-Geschichten, denen man die dahinterstehende Verbissenheit und Anstrengung anmerkt, habe ich großen Respekt. Das Ende gerät recht abrupt und verwirrend und bestätigt nochmal den Fragmentcharakter des Stücks.
Eigentlich hat mir „Untitled 1“ ja schon gut gefallen, an diesem Urteil nagen aber immer noch Zweifel. Erstens ergibt das Stück im Samplerzusammenhang nur bedingt Sinn – das ist so, als würde man einen Ausschnitt von „Un Homme Qui Dort“ auf den MTV Movie Awards zeigen. Zweitens fand ich es über Kopfhörer und mit entsprechender Lautstärke zwar schon recht beeindruckend, habe aber das Gefühl, dass es ohne diese Umstände nicht wirklich funktionieren würde, und will meine Meinung davon auch eigentlich nicht abhänngig machen (ja, „Weighing Souls With Sand“ ist immer noch das zweitbeste Album aller Zeiten). Unentschlossene, aber wohlwollende sieben von zehn Ölkannen für die Türen.
In den ersten paar Sekunden von Weekend – Youth Haunts will ich einfach nur, dass das Stück aufhört, und fühle mich in etwa so wie der Kopf auf dem Cover von Butthole Surfers – Electric Larryland. Das Rauschen ist tief genug, um nicht nur von Fledermäusen gehört zu werden, und hoch genug, um nicht mehr aushaltbar zu sein. Es zieht sich zum Glück nicht durch den ganzen Song, ist aber immer dann zur Stelle, wenn ich mich zu sicher fühle. Die Musik innendrin ist eine nette und trendy Mischung aus Neo-Post-Punk und Shoegaze mit ebendieser Vorsilbe, die Drums wummern körperlos vor sich hin, die Gitarre klingt nach Bass (oder andersrum, haha :-X), der Gesang ist so vööööllig loosgehelööst voon deer Eeerde wie Peter Shillings „Major Tom“. Da hängt der Sänger nun im luftleeren Raum mit einem Luftschlauchdings (hätten wir doch nur Astronauten im Forum…) an der Rakete befestigt wie ein Fötus an der Nabelschnur und macht irgendwelche Wartungsarbeiten. Gooo oooooooon… Das alles erinnert mich nicht nur ein bisschen an A Place To Bury Strangers, diese haben jedoch erstens noch die Füße auf dem Boden der Tatsachen, klingen zweitens nochmal deutlich komprimierter und haben vor allem deutlich mehr Sexappeal. Wobei mich das Fehlen von Sexappeal bei Weekend nicht so stört, wie es den Anschein haben mag. Zum Ende hin überlegt die Band sich noch was Feines: völlig unvorhergesehen und wissenschaftlich unerklärlich, explodiert mal eben die gesamte Galaxie, alles ist blendend hell, der Drummer drischt auf die Felle ein, als ob sein Leben davon abhinge. Das klingt in dem Zusammenhang ein bisschen out of place, ist aber definitiv unterhaltsam. Acht von zehn Tuben mit Astronautennahrung.
Bei The Kilimanjaro Darkjazz Ensemble habe ich mir gleich nach dem Lesen der Sampler-Tracklist gedacht, dass die sich wunderbar dazu eignen, um mit The Mount Fuji Doomjazz Corporation verwechselt zu werden. Umso mehr hat es meine confuzzledness dann noch gestützt, zu erfahren, dass hinter beiden Bands teilweise dieselben Leute stehen. Was die Musik angeht, sind die Ähnlichkeiten jedoch ziemlich überschaubar. Parallelen zwischen „Untitled 1“ und „Pearls for Swine“ könnte man höchstens darin sehen, dass beide Stücke ironischerweise nichts mit Jazz zu tun haben (bei „Pearls for Swine“ haben wir es mit Nachtschwärmerelectro zu tun), und in der Düsternis der vermittelten Stimmung – wobei die Düsternis von The Kilimanjaro Darkjazz Ensemble eine gänzlich andere ist. Es ist eine deutlich bewegtere Düsternis, eine in Großstadtstraßen und unter den argwöhnischen Blicken von im Schatten verborgenen Unbekannten stattfindende Düsternis, die aufgrund des Leitmotivs des Stücks, welches schön ist, aber Misstrauen schürt, durchaus einen modernen Film Noir untermalen könnte. Gut drei Minuten ist alles noch ziemlich im Nebel verborgen, danach reißen einen ein knarzender Beat und ein kleiner Breakbeat(?)-Kugelhagel kurzzeitig aus den Gedanken. Das Ende klingt, als hätte man den Hauptprotagonisten bei der Schießerei verwundet, er sie aber mit vergleichsweise geringem Schaden überstanden hätte. Acht von zehn Kugeln im Bein, werde mich da (auch dank des schönen Stücks, das im Songbewertungsthread gepostet wurde) mal ranheften.
Murmansk – Sumac ist das erste und einzige Stück des ersten Sampler-Fünferpacks, bei dem ich Kopfhörer nicht als nötig oder auch nur wünschenswert erachte, damit es funktioniert. Das ist aber nicht schlimm und soll nur heißen, dass der Song bei mir einen ziemlich starken Bewegungsdrang auslöst. Vor allem beim Anfang spielt man noch mit quietschenden Rückkopplungen herum, der Garagenlärm ist dabei aber nur Verzierung und nicht Grundlage des Alternative Rocks von Murmansk. Es ist eigentich eine Art von Musik, die in den letzten paar Jahren wohl ziemlich aus der Mode gekommen ist, was ich angesichts von „Sumac“ aber direkt mal ziemlich schade finde; es ist eine beachtliche Grundhärte dabei, man will sich vor allem in dem Bereich keine Blöße geben und nimmt lieber zu viel als zu wenig, andererseits ist es aber auf eine Weise catchy, die auch und vor allem jenseits der Indienerd-Nische Anklang findet/finden sollte. Bands, die so klingen, dabei aber nicht halb so viel Charme versprühen, gibt es vermutlich wie Sand am Meer, mir fällt aber peinlicherweise kein einziger Bandname mehr ein. Murmansk machen es insofern besser, als dass die Refrainmelodie schlichtweg unwiderstehlich ist und sie trotz allem eine – ich hasse das Wort, habe aber momentan auf kein besseres Zugriff – authentische Wut und Gefahr ausstrahlen und den an einen Stuhl gefesselten und geknebelten Hörer keine Sekunde daran zweifeln lassen, dass sie die leeren Weinflaschen, die sie gerade in den Händen halten, auch benutzen werden. Dabei vermittelt nicht nur die Instrumentalfraktion ein ordentliches Maß an Aggression, auch und vor allem die völlig entfesselte Sängerin macht einiges her. Nach dem ersten Durchlauf klang sie für mein Ohr dabei so sehr nach Kim Gordon, dass ich den gesamten Song an dieser zu großen Ähnlichkeit scheitern sah, mittlerweile weiß ich aber fast wieder nicht mehr, wie ich auf den Vergleich kam.
Mit jedem Hördurchgang ist mir „Sumac“ mehr ans Herz gewachsen, mittlerweile würde ich den Song wohl fast schon als „Hit“ deines Samplers bezeichnen. Achteinhalb von zehn ausgeschlagenen Zähnen.
Bei The Austrasian Goat – From Mérovée stecke ich die Kopfhörer aber wieder rein, denn diese Art von Musik – Ambient Black Metal mit leichter Funeral Doom-/Drone-Schlagseite – kann ich mittlerweile anders gar nicht mehr hören (Apropos: Mensch, wieso habe ich eigentlich in letzter Minute Paysage d’Hiver – Welt aus Eis vom Sampler gekickt…die klingen allerdings nicht nach The Austrasian Goat, nur damit wir uns richtig verstehen). Diese größtmögliche Nähe zum Klang ist allerdings auch nötig, um seine volle atmosphärische Weite erfassen zu können; einerseits weil er zunächst sonderbar gedämpft und leise ist, andererseits weil sich gerade dadurch ein ganz besonderes Feeling ergibt. Es fühlt sich so an, als ginge man seit Stunden durch ein verschneites Feld (mit Kleidung, in der man normalerweise fünf Tage Pauschalurlaub in Rom machen würde oder so), die Schmerzen gehen in einen Zustand der nahenden Ohnmacht und Betäubung über. Der Klang ist weich und kalt wie Schnee. Sobald es aber lauter wird, gerät das Stück in gefährliche Nähe zu recht standardisiertem Depressive Suicidal Black Metal-Kram, zwar ohne die Grenze zu übertreten, aber beim ersten Durchlauf hatte ich noch Angst, dass es das tun würde. Ansonsten ist das Ganze aber ziemlich gut gemacht. Vordergründig variationsfrei schleppt es sich über seine Länge von sechs Minuten hinweg, aber für Songs wie „From Mérovée“ wurden Kopfhörer wohl erfunden; irgendwann kommen im Hintergrund Keyboard-Akzente hinzu, die Leadgitarre löst sich sehr zaghaft vom Monotoniediktat, das Drumming klingt mit seinem weiten, tiefen Hall bedeutungsschwanger, todesgewiss und tonnenschwer. Zusammen ergibt das eine fatalistische Dramatik, die mir mit jedem Durchgang besser gefällt. Nur ein bisschen zu kurz ist es geraten, da wäre noch Raum für Entwicklung gewesen. Trotzdem acht von zehn Frostbeulen.
Angeregt durch „Major Tom“ könnte ich mich jetzt stundenlang durch 80er-Chartspop-Videos wühlen, im Zimmer herumtanzen und mich des Lebens erfreuen, dabei jedoch ein schlechtes Gewissen haben, weil ich mich nicht stattdessen einer halbwegs sinnvollen Tätigkeit widme oder wenigstens schlafe. Mache ich aber nicht.
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trying to leave [COLOR=#808080]a mark more permanent than myself[/COLOR]