Re: Nezys und Paulas musikalische Umkleidekabine mit Guckschlitz (mit Prüchtepunch [sic!], Éclairs und Stargästen)

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Nezyrael

Registriert seit: 05.11.2009

Beiträge: 21,410

Tracklist:

1. Scarewulf
2. Petr
3. Grandfather
4. Bird
5. Cat
6. Duk
7. Three Wise Hunters
8. Wulf

Nun also das neuste Output aus dem Hause Munly.

Diesmal geht es um die Umsetzung des von Sergej Prokofjew erfundenen Märchens Peter und der Wulf, damals geschrieben um Kinder mit den Instrumenten eines Sinfonieorchesters vertraut zu machen. Inhaltlich geht es hierbei um Peter, der mit seinem Großvater auf dem Land lebt und eines Tages die Gartentür offenlässt, sodass ihre Ente im Teich schwimmen geht. Dort streitet sie sich mit einem Vogel, der sie fragt wieso sie nicht fliegen kann. Dann kommt eine Katze angeschlichen, woraufhin Peter den Vogel warnt und dieser auf einen Baum fliegt. Der Großvater nun ist sauer auf Peter, weil dieser die Gartentür offengelassen hat da der böse Wolf kommen könnte. Nun wird also die Gartentür geschlossen, aber der böse Wolf kommt auch schon aus dem Wald. Die katze flüchtet nun verängstigt auf den Baum und der Wolf frisst die Ente. Mit des Vogels Hilfe gelang es Peter den Wolf zu fangen und vor 3 Jägern zu beschützen, die ihn erschiessen wollten, damit er ihn in den Zoo bringen konnte. Dabei kann man immer noch die Ente hören, die der Wolf lebendig verschlungen hat. So weit so gut, wer das ganze genauer haben will, schaue hier: http://www.internet-maerchen.de/maerchen/peter.htm

Warum ich das ganze erzähle dürfte klar sein, schliesslich dreht sich das Album ja genau um eben jenes Märchen, und die Musik ist mit Kenntnis der Handlung nochmal um einiges interessanter. Nun aber auch zur Musik selbst.

Als erstes zum Sound, der auf diesem Album ein wenig organischer und üppiger klingt als auf seinem letzten Werk, Munly And The Lee Lewis Harlots. Auch die Instrumentierung ist ein wenig opulenter ausgefallen als vorher, so werden neben Akustikgitarre, Banjo, Double Bass, einem kleinen Drumkit, Violine, Viola und einem Cellotrio auch ein Piano, Keyboards und einige Holzblasinstrumente verwendet. Dadurch wird zumindest in meinen dieses Genres eher unkundigen Ohren der Gothic-Einfluss etwas deutlich, vor allem durch die Ambient-Wirkung des Keyboards. Auch geht es auf diesem Album ein wenig rockiger zu Werke als auf früheren Werke und auch teilweise eingängiger, vor allem die Songs Petr und Duk glänzen durch Melodien und Hooks und setzen sich schnell im Ohr fest. Das wichtigste Instrument Munlys bleibt aber nach wie vor dessen Stimme, die absolut einzigartig ist und eigentlich mit nichts vergleichbar ist was ich sonst so kenne, und die diese Musik immer noch ein Stückchen weiter heraushebt als sie es ohnehin schon ist und hervorragend zu diesem wilden Mix aus Country, Bluegrass, Americana, Gospel, Gothic und Rock passt.

Nun zu den Songs:

Los geht es mit Scarewulf, es wabert bedrohlich durch den Raum, bis die Instrumente und Munlys Stimme einsetzen, und schon fällt es mir schwer zu beschreiben wie diese Stimme auf mich wirkt, teils manisch, teils warnend, das ganze Lied wirkt ein wenig hektisch, es wird ein wenig über die Rahmengeschichte des Albums erzählt. Das ganze ist Lyrisch eher eine Einleitung.
Petr geht langsam und ruhig los, schöne Melodien tragen das Stück vorran, in der Mitte ein Instrumentalpart, dann Munlys klagende Stimme „I Have No Other, No Sister No Brother, I Have No Other, No Father No Mother„, unterstützt durch Backing Vocals, aber was alleine Munlys Stimme hier wieder an Emotion transportiert ist schier unglaublich.
Das dritte Stück Grandfather beginnt sehr sachte, entspannt, doch dann legt sich ein bedrohendes Brummen hinter das fröhlich zirpende Banjo, das schliesslich verstummt und nur das bedrohende Brummen bleibt übrig. Dann kurz Stille, und Munlys Stimme und die Instrumente kommen wieder zum Einsatz. Munly trägt das Stück, die Instrumente spielen eine beschwingte Melodie, und mal wieder merke ich, das es mir bei seiner Musik noch schwieriger ist Worte zu finden als das ohnehin schon bei Musik der Fall ist, was vielleicht auch an der Einzigartigkeit dieses Mannes liegt. Dann auf einmal wird es eindringlich, No, No, Noohooo, das Brummen vom Anfang ertönt wieder und der Song versinkt ins Ende.
Bird startet mit einer völlig anderen Stimmung als der letzte Song aufhörte, fröhlich und beschwingt geht es nun wieder zur Sache, man kann den Vogel förmlich vor sich sehen, die Sonne scheint, es ist warm, der Vogel fliegt um einen herum und singt sein Lied.
Cat ist da schon ein wenig vorsichtiger, die beschwingtheit des Vögelchens ist weg, es werden eher ruhigere Töne angeschlagen, und dann bekommt Munlys Gesang auf einmal eine extrem getragene Note, was absolut fantastisch klingt und eine meiner Lieblingsstellen auf diesem Album ist, fast völlig ohne instrumentale Unterstützung klingt Munly hier einfach großartig. Danach wird es ein wenig flotter, bis irgendwann wieder dieser getragene (mir fällt einfach nix besseres ein) Gesang von Munly kommt, diesmal mit mehr instrumentaler Unterstützung, aber vor allem dieser Gesang trägt neben den Tempovariationen und dem durch akustisches Grillenzirpen erzeugten Naturfeeling dazu bei, das dieser Song wohl mein Favorit auf diesem Album ist. Am Ende wird das Tempo nochmal herausgenommen und eine wundervolle Atmosphäre geschaffen, völlig ruhig, entspannend, verträumt, es wird auch eine Flöte (zumindest glaube ich das) hierbei verwendet. Grandios
Duk transportiert am Anfang noch zum Teil die Stimmung des letzten Songs, setzt aber schnell seine eigene Note darüber mit kurzen Stakkatoartigen Rhythmen und kurz darauf folgt dann auch der sich schnell im Ohr festsetzende Refrain, der im großen und ganzen hauptsächlich aus einem Stakkatoartig wiederholten Duk Duk Duk Duk Duk Duk besteht das man aber wirklich nicht mehr so schnell aus dem Kopf bekommt, aber daneben weiss der Song auch mit seinen Instrumentalen Zwischenspielen zu glänzen, während die ganze Zeit ein leicht bedrohliches Wabern im Hintergrund bestehen bleibt. eine Gefahr die jederzeit zuschlagen kann, kurz vorm Ende wird Munlys Stimme dann auch bedrohlich leise, das wabern wird deutlich und man geht dann zum droneartigen Beginn von Three Wise Hunters über, das eine dunkle, düstere Atmosphäre schafft, alles wabert vor sich hin, bis Banjo und eine sehr traurige Violine ein wenig Klarheit schaffen und Struktur in das ganze bringen. Munlys Stimme ertönt, warnend, ein wenig gehetzt, die Jäger ertönen, alles wirkt wieder ein wenig hektisch, der Jäger klingt bedrohlich, mächtig und sich seiner Macht bewusst, danach wirkt alles ein wenig eingeschüchtert, das Tempo wird rausgenommen, ein weiterer Sänger erhebt nun seine Stimme, traurig, klagend, banished to the underworld, ertönt seine Stimme wie von weit weg und durch einen Nebel hindurch. Danach folgt noch ein Instrumentalpart, ein wenig traurig, manchmal gehetzt, stets mit einer einer gewissen Melacholie im Hintergrund
Das letzte Stück Wulf beginnt nun völlig anders mit einer ganz eigenartigen Melodie, die ich nicht wirklich beschreiben kann da ich auch die Instrumente nicht wirklich zuordnen kann, dann setzt Munlys Stimme ein, diesmal als Erzähler, ohne zu singen. Dadurch sticht dieses Stück nochmal aus dem Albumkontext herraus, das ganze wird immer wieder unterbrochen durch kurze gesungene Parts mit merkwürdigen Instrumentalabfahrten im Hintergrund, zur Mitte hin wird dann mehr gesungen, aber dieses Stück entzieht sich noch mehr meinen dürftigen Versuchen es zu beschreiben als die anderen Stücke, es werden viele Unterschiedliche Stimmungen vermischt, ein wenig Verzweiflung, ein wenig Furcht, etwas Mitleid, und durch den ständigen Wechsel von Erzählung und Gesang bekommt dieser Song sowieso ein völlig eigenständiges Feeling.

Nun bin ich endlich fertig mit meinem verzweifelten Versuch dieses aussergewöhnliche Stück Musik in Worte zu fassen. Was bleibt noch zu sagen? Ach ja, für mich ist dieses Album der Höhepunkt seines bisherigen Schaffens, zumindest des Teils, den ich kenne, was also die beiden Erstlingswerke ausschliesst. Das Album ist schlüssig, abwechslungsreich, setzt sich teilweise schnell im Ohr fest, versucht sich aber teilweise auch beharrlich dem eigenen Zugriff zu entziehen. Auf jeden Fall eine sehr gut gelungene Umsetzung dieses Märchens.
Für wen ist das nun was? Nun, vielleicht für Leute die was mit Tarantella und 16 Horsepower anfangen können, leute die auf extrem eigenständige Stimmen stehen, Tom Waits und PJ Harvey seien hier genannt, ohne das diese Stimmen sich wirklich mit Munly vergleichen lassen, oder Leute die ein Faible für ungewöhnliche Musik und Instrumentierungen haben sowie einfach alle Fans fantastischer, klischeefreier Musik. Zum Abschluss noch zwei Videos, die besten die ich auf Youtube gefunden habe.

http://www.youtube.com/watch?v=-zQP9b_PkD0&feature=related
http://www.youtube.com/watch?v=5Gada1p6Ayk

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Bad Ass Me ~ Totgehört ~ Verkaufe CDs Prüchtepunch mit Schuss "also ich würd mich echter als dumm den als einen Troll ansehe" - Ivan Dirus