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In Dread Response – Lost Avenues
So, nach längerer Pause mache ich hier mal weiter. Und zwar mit dem nächsten Überraschungsei von Ardor, In Dread Response, die mir vorher überhaupt nichts gesagt haben.
Der Anfang ist schon mal verdammt stark: Verträumtes Akustik-Geklimper, das gar nicht ausgelutscht oder langweilig wirkt, sondern perfekt eine melancholische Atmosphäre einfängt, sodass man sich auf den eigentlich Song freut. Dieser startet dann auch angemessen erhaben mit Post-Metal, wie er im Buche steht. Die für modernen Post-Rock und –Metal typischen dichten Gitarrenwände, dazu epische Melodiebögen und ein Metalcore-artiger Shouter lassen keinen Zweifel: Die Band hat Großes vor. Und zunächst klappt das mit dem Überwältigungseffekt auch verdammt gut und es fällt mir leicht, mich auf den Sound von In Dread Response einzulassen; was mich dann jedoch ziemlich irritiert, ist der Einsatz der Drums. Das plötzlich einsetzende Gehämmer passt für mich gar nicht zu den restlichen Zutaten, mit denen die Band hantiert. Auf mich wirkt das, als ob alle Bandmitglieder zusammen in einer malerischen Location ihre epische Musik einspielen und plötzlich ein durchgeknallter War-Blackmetaller in den Raum stürmt, um mit einem Maschinengewehr in der Luft herumzuballern. Nachdem sein Magazin leergeschossen ist, gucken ihn alle etwas blöd an und er geht wieder, um noch ein paar Bier zu kippen und nachzuladen.
Mir ist schon klar, dass man ein paar originelle Ideen braucht, um sich von der Flut der Breitwandsound-Kapellen abzugrenzen, aber ob das der beste Weg ist? Diese Drums wirken für mich einfach wie ein nachträglich eingefügter Fremdkörper ohne Bezug zur restlichen Musik, der die Atmosphäre empfindlich stört. Davon abgesehen haben In Dread Response allerdings aus altbekannten Versatzstücken einen ziemlich beeindruckenden Song zusammengebastelt.
Zarathustra – Towards Perdition
Geiler Übergang vom vorhergehenden Song! Auch Zarathustra waren Ardors Idee, die Band ist mir zwar ein Begriff, ich habe mich allerdings nie sonderlich für sie interessiert.
Die Deutschen spielen ursprünglichen Black Metal skandinavischer Prägung, vom Sound her würde ich ihre Inspirationsquellen vor allem in Schweden verorten. Auf Schnickschnack wie Keyboards oder Einflüsse aus anderen Genres wird komplett verzichtet, hier wird reines Schwarzmetall geboten. Kalt und überwiegend schnell gespielt, doch ohne dabei eine auf eine gewisse Epik zu verzichten, die in Akustik-Einschüben oder klaren Gesangspassagen zur Geltung kommt. Statt auf erdrückende Dunkelheit wird also auf eine eher erhabene Atmosphäre gesetzt.
Davon abgesehen, dass ich mit dieser Gattung Black Metal schon immer weniger anfangen konnte als mit anderen Genre-Vertretern und mir insbesondere der typisch schwedische Stil nicht so gut reinläuft, habe ich bei diesem Song vor allem das Problem, dass ich das Gefühl habe, solcherlei schon etwas zu oft genau so gehört zu haben. Insbesondere beim Part mit den Clean Vocals habe ich ein richtiges Déjà-vu, auch wenn ich nicht genau sagen kann, an welche andere Band mich das erinnert.
Zarathustra machen jedenfalls nichts wirklich falsch, aber leider spielen sie nicht die Sorte Black Metal, die mich (fast) bedingungslos mitreißt und sind innerhalb ihrer Sparte auch nicht besonders genug, um mich trotzdem zu fesseln.
Agrypnie – Zorn
Mangelnde Eigenständigkeit ist dagegen das Letzte, was man Agrypnie vorwerfen kann, deren Sound ziemlich einzigartig klingt. Gewünscht hatte ich sie mir, weil sie eines der aus Nocte Obducta hervorgegangenen Projekte sind und ich sie als recht interessant in Erinnerung hatte, auch wenn mich die frühen Sachen, die ich mir mal angehört habe, nicht ganz überzeugen konnten.
Was ich dann zu hören bekomme, überrascht mich allerdings doch. Der fette Gitarrensound mit seinen abgehackten Riffs und ganz besonders die Vocals klingen wie eine Art Black Metalcore. Das Highspeed-Drumming (zum Glück wurde dieser schrecklich steril klingende Konserven-Trommler aus den Anfangstagen offenbar beurlaubt) passt nicht ganz zu diesem Eindruck, aber dennoch warte ich fast nur noch auf ein Breakdown. Stattdessen kommt sowas wie ein Chorus um die Ecke, der mit seinen Keyboards durchaus Atmosphäre versprüht; und auch die später in den Mittelpunkt rückenden Leadgitarren schlagen in dieselbe Kerbe.
Der Song ist für mich defintiv gewachsen. Fand ich die Kombination aus verschiedenen musikalischen Elementen und die deutschen Vocals mit dem ewig wiederholten „Manchmal wünschte ich, ich könnte…“ am Anfang noch etwas irritierend und z.T. nervig, kann ich den Song jetzt gut hören und genieße seine spezielle Stimmung. Allerdings ist das wahrscheinlich kein Sound, den ich auf Albumlänge hören muss, das einzelne Lied reicht mir erstmal.
Primordial – Empire Falls
Auch dieser Song hat ein tolles, stimmungsvolles Intro, auch hier wird danach schön in die Vollen gegangen. Im Gegensatz zu In Dread Response machen Primordial aber rein gar nichts falsch und halten ihre erhabene Atmosphäre die ganzen acht Minuten hindurch am Leben.
Neben den dichten, Black-Metal-typisch gespielten, aber etwas sauberer produzierten Gitarren ist es vor allem der Sänger, der diese Atmosphäre trägt. Sein einzigartiges Organ changiert ständig zwischen Brüllen und Singen, was insofern interessant ist, dass die aggressiven und die cleaneren Passagen nicht als Kontrast nebeneinander stehen, sondern vielmehr wie zwei Aspekte eines organischen Ganzen wirken.
Wenn der Sänger den Mund hält, macht die Instrumentalfraktion aber ebenfalls eine ausgezeichnete Figur. Da man überwiegend im Midtempo agiert, wirkt der ganze Song eher getragen, nicht zuletzt wegen des druckvollen Sounds jedoch absolut mächtig und unaufhaltsam wie eine Horde Wikinger in frischgelieferten Leo2-Panzern. Insbesondere der Part kurz nach sechs Minuten hat es mir hier angetan.
Primordial sind eine Band, deren Namen ich schon unzählige Male gehört und gelesen, mit der ich mich aber nie ausreichend beschäftigt habe. Nach diesem Song zweifle ich nicht daran, dass sie mich auch auf Albumlänge überzeugen würden.
Watain – Stellarvore
Und zum Abschluss nochmal eine Ladung Orthodox Black Metal. Watain servieren exakt das, was man von dieser Spielart erwartet – echte Überraschungen gibt es hier keine, aber auch keine einzige schwache Sekunde.
Das fängt schon mit dem Intro an, das mit seinen doomigen Gitarrenakkorden und Chor-Einsprengseln den Hörer sofort in pechschwarze Finsternis hüllt; und auch im Folgenden wird voll auf eine düstere Atmosphäre gesetzt. Das heißt allerdings nicht, dass hier monoton zu Werke gegangen wird. Vielmehr präsentiert sich das Songwriting ziemlich vielfältig, lebt von diversen Tempowechseln und kompetenter Gitarrenarbeit; auf melodiöse Leadgitarren muss genauso wenig verzichtet werden wie auf groovige Ausbrüche, die mit der Power eines Panzerhandschuhs in der Fresse den Hörer traktieren. Die Produktion ist dabei genau so transparent, dass man das Spiel der Musiker gut nachvollziehen kann, ohne dabei die typische Rohheit zu opfern. Überhaupt erschaffen hier alle Elemente zusammen, insbesondere das verhallte Krächzen des Sängers, genau die Stimmung, in der Corpsepaint, überlange Nieten und umgedrehte Kreuze mal nicht peinlich, sondern genau passend wirken.
Ein rundum gelungener Abschluss, der mir genau das gibt, was ich hören wollte, als ich Watain als Band für dieses Mixtape gepickt habe.
Fazit
Der Austausch hat mich insofern weitergebracht, als er mir die Gelegenheit gegeben hat, mich mit vielen Bands auseinanderzusetzen, deren Namen mir schon länger im Hinterkopf herumschwirrten, ohne dass ich ihnen einen Sound hätte zuordnen können.
In vielen Fällen hat sich allerdings herausgestellt, dass es schon seinen Grund hatte, warum ich mich mit einigen dieser Bands nie so richtig beschäftigt habe, weil sie eben doch nicht ganz meinen Geschmack treffen und mein Interesse auch auf diesem Sampler nicht so ganz wecken konnten. Positive Ausnahmen gab es aber natürlich auch einige. Deshalb: Danke, Ardor 🙂
Meine Highlights (ohne Reihenfolge):
Deep Purple
Left Drear
Primordial
Watain
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[indent]Jerry lacht wie ein Kind. Schlurft wie ein alter Mann. Langsame, schleppende Sprache. Zufällige Gedanken, die in einem sterbenden Gehirn hängenbleiben. Verworrene Erinnerungen. Stimmen, die sonst niemand hört.[/indent]