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SkullkrusherDie Verbindung zwischen Französischer Revolution und christlichen Idealen ist vielleicht haltbar, andererseits war sie nun aber auch eine Reaktion auf die christliche Praxis, die oft im Gegensatz zu diesen Idealen stand. Ein Stichwortgeber wie Voltaire (Ecrasez l’ifame) hat durchaus mit dem Atheismus kokettiert, wurde von der Kirche verdammt und sollte seine Lehren widerrufen. Und die Politik der Revolution war nach 1789 im großen Maße antiklerikal (Zöllibatsverbot, Entzug der Lehrberechtigung für Geistliche, Verbot des Jesuitenordens… ) und wurde auch von der Bevölkerung getragen. Zuersteinmal ist die Frz Rev von den Idealen einer laizistisch-anitfeudalen Einstellung, mit großer Betonung der Vernunft (man denke an so ein tolles Ereignis wie die fête de la raison) getragen worden.
Und mit der Kompatibilität von christlicher Lehre und der Moderne wäre ich auch vorseitig. Das funktioniert, wenn überhaupt, auch erst seit der Zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts. Du kannst ja mal durch den Syllabus Errorum lesen, da stehen tolle Sachen drin.
1. Ich will ja nicht behaupten, dass der Anspruch auf den Wertekanon der sogenannten aufgeklärten Gesellschaften exklusiv beim Christentum liege. So ist es natürlich nicht. Dennoch ist unsere Kultur oder Lebensweise ohne den jahrhundertelangen Einfluss des Christentums nicht denkbar. Dagegen spricht es auch überhaupt nicht, dass sich viele der großen europäischen Denker gegen das Christentum gestellt haben; das Wesentliche ist, dass sich jeder halbwegs intelligente Mensch während dieser Zeit in irgendeiner Weise zum Christentum positioniert hat. Und insofern macht es auch einen bedeutsamen Bestandteil der Identität Voltaires aus: als er sich nämlich, wie Menschen das eben tun, über das definiert hat, was er nicht war oder sein wollte.
2. Daran schließe ich den Hinweis an, dass ich nicht behauptet habe, das Christentum sei die bestimmende Kraft hinter der sog. “Aufklärung“ gewesen. Nur ist es eben so, dass die Werte, die Eingang gefunden haben in das seit dieser Zeit kursierende Gedankengut, eben zu einem Gutteil nur vor dem Hintergrund einer langen abendländischen (und damit auch christlichen) Tradition heraus verstanden werden können.
3. Wenn wir schon bei seltsamen Widersprüchen der Jahre 1789 ff. sind: ist denn ein Massaker, wie es in der Vendée von den Revolutionstruppen verübt wurde, mit dem Gedanken der Menschenrechte in Einklang zu bringen? Das glaube ich nicht, und deshalb glaube ich auch nicht, dass die antiklerikale Politik, die sich an die französische Revolution anschloss, etwas über die geistesgeschichtliche Herkunft der damals postulierten Ideale aussagt.
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