Re: Jahresbilanz 2011: Highlights, Lowlights und alles andere

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Ilo

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da in diesem jahr mehr als 15 hervorragende alben erschienen sind werde ich an dieser stelle noch ab und an einen kleinen nachschlag in 5er-etappen bringen.

destroyer – kaputt
sich als eine band wie destroyer destroyer, und dazu ihr album auch noch „kaputt“ zu nennen, muss natürlich auffallen. doch natürlich wäre es unfair, den diesjährigen erfolg nur auf diesen plakativen widerspruch zurückzuführen, und nicht zuletzt hat es sich die band nach weit über 10 jahren bandgeschichte auch irgendwo verdient. im übrigen war kanadier und mastermind dan bejar nicht von anfang an die bedeutung des deutschen worts „kaputt“ bekannt – ein lustiger zufall.

however: was „kaputt“ zu einer der highlights für mich in diesem jahr gemacht hat ist eben nicht dieser widerspruch, sondern der völlig eigene stil der band, bei dem von anfang an folgendes angemerkt werden muss: wer saxophone nicht mag, wird mit „kaputt“ nicht glücklich. alle anderen haben aber eine menge von der platte: zum einen einfach unsagbar entspannte, unkomplizierte und friedlich anmutende musik; zum anderen eine stilistische befreitheit, die irgendwie von allen der letzten paar musikalischen dekaden was mitgenommen zu haben scheint, ohne dass man diese einflüsse wirklich so genau benennen könnte – so unverkrampft und natürlich klingt dieser stil!

man kann der band dabei durchaus einiges vorwerfen: hier vielleicht bejars mitunter anstrengende stimme, der es für einige vielleicht an ecken und kanten fehlen mag; da eben genannter saxophon-overkill, der dann auch selbst für saxophon-fetischisten manchmal etwas zu viel sein könnte – ich schließe mich da manchmal gar nicht aus! doch dann genieß ich – im richtigen moment aufgelegt – diese unbekümmertheit, diesen strahlenden optimismus und kann eigentlich gar nicht anders als zu lächeln.

http://www.youtube.com/watch?v=DJSjspGcmMU

tombs – path of totality
live sind tombs schon reizende gestalten: keine ansage – nicht vor, nicht während, nicht nach der show -, kein bisschen freude in den gesichtern der bandmitglieder. einzig und allein der ausdruck diese schwerbekömmlichen düsterwalzen (aka songs) – und dann legt man irgendwann die instrumente wieder zurück in die ecke und geht seinen weg. aufgesetzte attitüde ja oder nein, irgendwo haben tombs ja doch recht: zu solchen songs braucht man nichts sagen.

„path of totality“ vereint alles, was in düster-harten breitengraden spaß macht: hier etwas black metal, da etwas doom/sludge, und da noch eine leicht metallische-hardcore kante a la goldust oder oathbreaker. wie schon jetzt unschwer zu erkennen sein dürfte geht es der band dabei um einen recht puristischen ansatz: keine experimente – der ausdruck ist es, der einzig und allein zählt. mal bewusst atmosphärisch, mal straight nach vorne knüppelnd, doch zu jeder zeit böse und beklemmend. besonders ist hierbei nicht nur die besinnte gitarrenarbeit, sondern vor allem das drumming, das egal ob beschwörend, egal ob impuls-artig, egal ob in blastbeats verloren immer eine verdammt gute figur macht. nicht zuletzt sind die songs allerdings auch einfach gut und konzentriert geschrieben: man hat immer das gefühl irgendwo hin geführt zu werden, ohne dabei allerdings ein gesundes maß an vertracktheit aufgeben zu müssen.

mehr braucht es eben manchmal nicht, um einen bleibenden eindruck zu hinterlassen.

http://www.youtube.com/watch?v=qy6n4V0Wntw

lento – icon
wir bleiben bei schwerer düsternis – nur dass lento vielleicht noch einen ticken puristischer sind in ihrer herangehensweise. gesang brauchen sie zum beispiel nicht. doch obacht: lento sind weit entfernt davon, in die schublade konventioneller post-irgendwas-vertreter zu passen. ihr sound wirkt irgendwie weitaus spiritueller, und man hat den eindruck der gesang fehlt nicht, weil man instrumentale feinheiten in den vordergrund stellen wollen würde oder weil man zu faul sei seine songs für einen sänger umzuschreiben. viel mehr liegt über dem album – gepaart mit dieser beklemmenden atmosphäre der stücke – durch das fehlen des gesangs ein gewisser mantel des schweigens. viele menschen haben ja wenn sie abends alleine zuhause sind auch nur den fernseher an, um irgendwie beschallt zu werden, obwohl sie eigentlich gerade am schreibtisch arbeiten bzw. allgemein etwas völlig anderes machen. sie wollen sich nicht alleine fühlen, den raum mit etwas leben füllen, nicht innerlich von der stille langsam aufgefressen werden. bei lento mag es zwar nie so wirklich still sein, ja die gitarrenarbeit mag mitunter sogar sehr brachial sein. dennoch fehlt den songs durch das fehlen einer stimme etwas – etwas, was der atmosphäre nur entgegen kommt, und auch nur als positiv verstanden werden darf!

selten habe ich mich in songs wie „limb“ zwischen rückkopplungen und schweren gitarren derartig alleine gelassen gefühlt. und ist erst dieses unbehagen da, erschreckt einen die band wahrlich mit plötzlich völlig uneinordbar tobenden, aber doch irgendwie passenden einlagen. zusammen mit einigen sphärischen, ambient-artigen momenten wie in „throne“ ergibt das schon genug futter, um einen so richtig von innen aufzubohren. kein großer pathos, keine große dynamik. ein sehr besonderes album, dass mich in diesem jahr sehr positiv überrascht hat.

http://www.youtube.com/watch?v=HGTA6kyoduw

thrice – major/minor
thrice kann man aller spätestens seit „vheissu“ eigentlich nur gern haben: einfühlsame, wärmende songs, leidenschafts beladen und vielfälltig, dazu noch stilistische nie auf der stelle tretend (man denke nur an die vier elements-teile), und dennoch so viel treue zu sich selbst. eben letzterer punkt hat dann wohl thrice auch in den konsens der (post-)hardcore-szene gehievt, in dessen jede veröffentlichung heiß erwartet wird. „beggars“ wurde zuletzt vielleicht etwas mit gemischten meinungen aufgenommen – trotz großartiger songs wie „in exile“ oder „at the last“ fehlte da wohl manchmal etwas der besondere und durchgängige zauber voriger veröffentlichungen -, doch „major/minor“ – so viel weiß man ja mittlerweile auch durch die sich in komplimenten überschlagende presse – ist ja wieder da um wiedergutmachungsarbeit zu leisten (sofern man von so etwas überhaupt sprechen kann und darf!).

vielleicht bezog sich dieser absatz etwas zu sehr auf das, was andere über diese band denken. in der tat: für mich war es in letzter zeit etwas schwierig geworden, thrice für mich selbst, abseits all dieser allgegenwärtigen euphorie zu sehen. musik ist ja eigentlich eine sehr persönliche sache, und bei thrice hatte ich in letzter zeit immer wieder den eindruck man müsste die band schon aus dem grund loben, weil es eben thrice sind – wie wenn man wohltätige und ehrenamtlich arbeitende menschen schon automatisch im zuge des konsens und der bestechenden logik lobt. es dürfte der mittlerweile endgültig eingebrochene winter sein, der thrice allerdings wieder für mich auf dieses persönliche level brachte, welches für mich zu zeiten von „vheissu“ bestand. thrice sind endlich wieder eine band, bei der ich mich zuhause fühle, die kraft spendet und wunden heilt. die erinnerung daran, dass so ein kleiner roling manchmal mehr wert ist als jeder verbandskasten (wobei: sind es wirklich die physischen schmerzen, die uns den alltag manchmal erschweren?). natürlich ist es allerdings auch mittlerweile das album selbst, was mir so sehr gefällt; es wirkt so selbstbewusst und gebündelt, ja so auf den punkt gebracht wie die nun schon mehrfach von mir genannte „vheissu“. jeder song hat so viel ausdruckskraft, sodass es schon fast etwas unfair anmutet songs wie „call in the air“ oder „words in the water“ hervorzuheben. so kann ich also doch guten gewissens sagen, dass thrice mit „major/minor“ ganz klar eines ihrer besten alben abgeliefert haben – und das will ja, so viel wir wissen wir ja, einiges heißen.

http://www.youtube.com/watch?v=5wxNhpWt9oI

primordial – redemption at puritan’s hand
ich muss zugeben, dass ich im vorfeld von „redemption at puritan’s hand“ doch sehr skeptisch war. nach einem so monumentalen und den jahrelang entwickelten stil der band perfektionierenden album wie „to the nameless dead“ kann man eigentlich nur enttäuschen, dachte ich. ist es aus dem grund bezechnend zu sagen, dass ich nun diesen nachfolger fast schon auf gleicher augenhöhe sehe, obwohl sich stilistisch eigentlich rein gar nichts getan hat? sogar die spannungskurve ist auf „redemption at puritan’s hand“ fast dieselbe: ein recht eingängiger opener, ein etwas progressiver werdener zweiter song, etwas ganz besonders aufwühlendes und vom pathos getragenes an dritter stelle, dann etwas mehr düsternis und härte mit mehr geschrei ähnlich den anfangstagen der band, und gegen ende etwas abrundendes, zusammenfassendes, fast schon feierliches (wenn man das im kontext dieser band überhaupt sagen darf) – alles doch ziemlich identisch!

das klingt zugegebener maßen extrem langweilig und ist dann auch nicht nur für mich mehr sehr bezeichnend. das große aber hier ist allerdings wiedermal nicht nur die qualität der songs, sondern auch die besonderen details, die eigenheit und die spezielle kraft der individuellen momente. es ist sagenhaft, wie sehr man den tristen pathos dieser band in jeder ecke dieses albums in sich hinein schaufeln kann, ohne angst haben zu müssen dass irgendwann dieser pathos-teller leer ist. zu jeder zeit mag man sich vielleicht an die oder den vorgänger erinnert fühlen, doch gleichermaßen kann man nur begeistert sein wie es diese band immer wieder aufs neue schafft einen großartigen moment oder spannungsbogen zu errichten, der jedes mal völlig für sich steht. ob sich das primordial noch mal erlauben können, es sich so einfach zu machen? ich würde es jetzt am liebsten verneinen, doch die erfahrung warnt mich hier zu vorschnell zu urteilen. man muss das allerdings auch so sehen: es sind eben nicht nur die songwriterischen fertigkeiten, sondern auch die eigenheit dieses so unendlich atmosphärischen stils, getragen von alans völlig unverkennbaren und ausdrucksstarken stimme, getragen von diesem gewissen irischen flair und diesen gewissen apokalyptischen anstrich, in dessen riege alan als so etwas wie ein prophet da steht. ich verzeihe einer der besten bands der welt also, dass sie einfach nur weiß was sie da tut.

http://www.youtube.com/watch?v=pb92nw_FF08