Re: Jahresbilanz 2011: Highlights, Lowlights und alles andere

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Leo-suomi

Registriert seit: 16.03.2010

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5. Alda – : tahoma :

Nachdem ich nun mit Ash Borer die fiese, dunklere Seite des kaskadischen Black Metals besprochen habe, komme ich nun zu den aus Washington stammenden Alda, die das Ganze auf die folkige, naturbezogene Weise angehen. Hier wird das Augenmerk weder auf dunkle Atmosphäre, noch auf kalte, höhenlastige BM-Produktion gelegt. Eher versuchen Alda auf dem Grundgerüst des Black Metals ein Album aufzubauen, das im Prinzip gar nicht mehr den Emotionen des Black Metals entspricht, sondern sich vielmehr an den wohlig-warmen Gitarrenklängen einiger Neofolk-Bands orientiert. So klingt das Album an vielen Stellen, als ob man sich nach einem langen, regenreichen Spaziergang in den kaskadischen Bergen nun am Kamin wärmt und die gemeinschaftliche Atmosphäre genießt. Weniger könnte es sich eigentlich nicht nach Black Metal anhören. Dieser Effekt wird einerseits durch die erdige, trockene Produktion erreicht, die die folkigen Auswüchse perfekt ins Gesamtbild einzugliedern weiß und der passendste Sound-Teppich für dieses Album ist, den sie überhaupt hätten finden können. Andererseits sind es natürlich die akustischen Gitarrenklänge selbst, die nicht nur als atmosphärisches Beiwerk eingesetzt werden, sondern auch, songwriterisch von hoher Qualität, einen essentiellen Bestandteil des Albums ausmachen. So sind einige wirklich wunderbar geschriebene akustische Parts, wie z.B. zu Beginn des dritten Songs, oder der komplett akustische vierte Song, die Highlights des Albums. Es ist zwar von Anfang an klar, worauf Alda hinauswollen und es gibt auch keinen einzigen überraschenden Moment auf „tahoma“, aber eine größere, abweichende Intention haben Alda auch gar nicht nötig, da sie das Ziel, das sie verfolgen, so vollkommen überzeugend erreichen und ein so stimmiges Album abliefern. Entfernt erinnert Aldas Sound natürlich an ähnliche Vertrete wie bspw. Agalloch, allerdings erspielen sie sich durch ihre Mischung aus konsequenten Akustik-Parts, den härteren Black Metal-Passagen, welche zumindest in ihrem musikalischen Erscheinungsbild auch als solche zu bezeichnen sind und mit einem oftmals treibenden Rhythmus (das einzige, das sie mit Ash Borer gemeinsam haben) ausgestattet werden, und den richtig guten Clean-Vocals ein kleines Maß an Eigenständigkeit, das sie aber im Prinzip nicht mal nötig haben. Fazit: Ein unglaublich stimmiges, atmosphärisches Album, das zwar als Wohlfühl-Black Metal bezeichnet werden kann (wobei viele wahrscheinlich nicht mal den Begriff Black Metal angemessen fänden), deswegen aber nicht schlechter oder weniger authentisch ist.

http://www.youtube.com/watch?v=VijJUEojx50
http://www.youtube.com/watch?v=Lz0xF9A4NQY

4. Ordo Obsidium – Orbis Tertius

Erneut amerikanischer Black Metal, der aber diesmal nicht den kaskadischen Wäldern entspringt, was sich im Sound auch sofort niederschlägt. Ordo Obsidium sind eine dreiköpfige Formation, über die im Prinzip nur bekannt ist, dass sie aus Kalifornien stammen und dass eins der Member schon in einigen anderen Bands (unter anderem Dead As Dreams) aktiv war. Alles sonstige Wissenswerte findet sich auf dem wie aus dem nichts kommenden Debüt „Orbis Tertius“, das allein schon mit seiner unglaublichen Ausgereiftheit überrascht. Auf diesem ersten Album praktizieren Ordo Obsidium eine dunkle Mischung aus Black Metal und einigen dem Doom Metal entlehnten Elementen. Das Überzeugende an „Orbis Tertius“ ist, dass es Ordo Obsidium erstaunlich gut verstehen, den Hörer bei Laune zu halten. Es gibt quasi keinen Teil des Albums, in dem auch nur ein geringes Maß an Langeweile aufkommt. Vielmehr gestaltet die Band ihr Songwriting so unglaublich abwechslungsreich, dass das Album wirklich voll von wunderbaren Momenten ist. Da wären zum einen die im weiteren Verlauf immer wieder aufgegriffenen, ausgedehnten, verzweifelten Melodiebögen, die den Hörer wirklich voll und ganz in diese Welt hineinreißen und ihm keinen Moment zum Atmen lassen. Dabei sind Ordo Obsidium mal stürmisch, kalt und aggressiv, mal halten sie inmitten langsamer, elegischer, doom-ähnlicher Melodien inne und bestaunen die zerstörte und trotzdem wunderschöne Klanglandschaft. Völlig überzeugend sind auch die kleinen, selten eingestreuten Akustik-Parts, die allerdings nicht wie bei Alda eine wärmende Wirkung haben, sondern die Kälte und Trostlosigkeit einfach auf völlig andere Art und Weise vortragen, wie bspw. in „Into the Gates Of Madness“, in dem über die wunderbare Akustik-Melodie im genau richtigen Moment noch ein dunkler Keyboard-Schleier gelegt wird. Die mitreißenden Melodien haben auch gleichzeitig oft eine Wirkung, die wie ein Aufbruch wirkt und das Album – ähnlich wie bei Ash Borer – nicht durchweg nur negativ aussehnen lässt. Dabei erinnern Ordo Obsidium mit ihren ausschweifenden, melancholischen Melodien und dem trotzdem recht traditionellen Schlagwerk ein wenig an Melencolia Estaticas „Letum“, obschon die Arbeit auf „Orbis Tertius“ noch weitaus räudiger und dunkler gestaltet ist. Glücklicherweise findet die Band mit dem vollkommen hoffnungslosen, akustischen Abschluss auch ein völlig passendes Ende, das eins der überzeugendsten und überraschendsten Alben des Jahrs perfekt abrundet und mich voller Respekt gegenüber dieser Band dastehen lässt. Ich bin unheimlich gespannt, was auf dieses Album noch folgen wird, da sich da offenbar einige sehr passionierte Musiker gefunden haben.

leider gibt es keinen der besten Songs auf youtube, deswegen gibt’s an dieser Stelle nur diesen hier, dessen letztes Viertel aber auch ziemlich gut ist:
http://www.youtube.com/watch?v=7-rM82XcjQU

3. Oskoreien – Oskoreien

Und noch mal amerikanischer Black Metal; wieder aus Kalifornien (irgendwie hab‘ ich bisher ein bisschen viel aus der Ecke gekauft…). Oskoreien gehen das Vorhaben wiederum etwas anders an als ihre Nachbarn von Ordo Obsidium (wobei der Plural hier eigentlich unangebracht ist, da es sich bei Oskoreien um ein Ein-Mann-Projekt handelt). Auf diesem Debüt wird ein etwas lichterer Black Metal gespielt, der sich ein wenig am ekstatischen Charakter einiger WittR-Veröffentlichungen orientiert und auch sonst eher in die Kerbe der neueren amerikanischen Black Metal-Bands schlägt, wobei der Background hier ein völlig anderer ist, da der Mann hinter Oskoreien offenbar aus dem Pagan-Umfeld kommt und Oskoreien früher wohl auch eher in diese Richtung ging. Von dieser Vergangenheit ist auf dem selbstbetitelten Album glücklicherweise nichts mehr übrig geblieben. Höchstens eine kleine Vorliebe für Pathos und leicht kitschige Melodien erinnern noch ein wenig daran. Auch hier ist einer der größten Vorteile der Band der hohe Grad an Abwechslung, der sich in einer großen Kreativität aber auch im größtenteils absolut gelungenen Songwriting niederschlägt.
Schon im Opener beweist der Alleinunterhalter sein großes Gespür für wunderbar durchdachte Melodiestrukturen und einen Aufbau, der diese in einer perfekten Weise unterstützt. Die Melodien hangeln sich aneinander hoch und konstruieren so wunderbare, zerbrechliche Klanggehäuse, die zum Träumen einladen. Die Produktion ist zwar angemessen, hätte aber noch einen Feinschliff vertragen können, wirkt sie stellenweise dann doch ein wenig drucklos. Nichtsdestotrotz wissen Oskoreien (gerade doch gesehen, dass sich Hauptakteur Jay Valena immerhin noch jemanden für die Vocals ins Boot geholt hat) auch den Gesamtaufbau des Albums perfekt zu gestalten. So folgt auf den zweiten Song, der eindeutig der schwächste des Albums ist, ein wunderbares Akustik-Stück, das für Auflockerung und neue Spannung sorgt, die dann im genialen „Transcendence“, das mit einem überragenden Aufbau, wunderbar schwelgerischen Melodien und einem wahnsinnigen Finale auf voller Länge überzeugt, entladen wird. Zum Abschluss des Albums folgt dann noch ein sehr überzeugendes und überraschend ausgefeilt komponiertes Piano-Outro, das mich mit seinem etwas nostalgischen Charakter ein wenig an die Piano-Parts auf Nagelfars „Jagd“-Demo erinnert hat. Mit ihrem Debüt-Album haben Oskoreien ein wunderbares Stück sehr atmosphärischen Black Metals geschaffen, das mit leichten, sehnsuchtsvollen Gitarren, ein paar Synths und Akustik-Gitarren eine träumerische, wenn auch etwas kitschige Reise durch die kalifornischen Wälder bietet. Auch hier bin ich sehr gespannt, was nach einem solch überzeugenden Debüt noch folgen wird.

http://www.youtube.com/watch?v=Hh4dZscI9xA