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@toxic_violence: Danke für die Kommentare, waren interessant zu lesen.
Ehe ich die Sache nicht hinter mir habe, lösen sich die Spaghetti nicht, die meine Handgelenke aneinanderbinden. Also:
Es ist ja durchaus eine große Herausforderung, eine Songzusammenstellung mit einer flüssigen Dramaturgie auszustatten, die sich in zwei schwer zu vereinende Gruppen einteilen lässt. Zum einen wäre da der Prog-Part des Samplers, den ich bereits abgehandelt habe. Die andere Hälfte besteht aus Songs, die strukturell durchaus oft nicht alltäglich sind, in denen aber offenbar kein großer Wert auf technischen Anspruch gelegt wurde und die auch sonst allenfalls Spurenelemente dessen enthalten, was gemeinhin unter Progressive Rock/Metal läuft. Der offensichtlichste und eigentlich fast einzige (der sehr saubere Klang zählt vielleicht auch noch) Bezug von Vallenfyre – Desecration zum ersten Teil des Samplers ist die leichte Youtube-Gitarrenlehrer-Ästhetik, denn auch wenn das Instrument hier keine technischen Kapriolen schlägt, sind seine Melodien doch ziemlich prominent. Wenn die an der genregemäß (Death Metal, was weiß ich, welche Schule das ist) unheilvollen Aura missen lassen würden und nicht zufällig ganz prima wären, würde ich hier vielleicht das böse, da stilistisch unmögliche Wort „dudelig“ bemühen. Die meiste Zeit über ist es nur die eine Melodie, die der Leadgitarrist spielt, manchmal in einer leichten Variation, bis sich die Band ganz am Ende mit versucht majestätischem doomigen Schreiten doch noch was Neues einfallen lässt. Ansonsten schwankt der Takt von recht schnell und hüpfburgkompatibel zu im Midtempo stampfend und wiederum hüpfburgkompatibel, was den Song angenehm tanzbar macht. Live wäre das sicher ganz lustig, eigentlich fast schade, dass ich auf solche Konzerte bisher nie gegangen bin, weil mich Bands aus dieser Sparte so selten interessieren. Obwohl ich „Desecration“ zumindest ganz nett finde, interessiert mich auch diese Band nicht. Der Death Metal, den Vallenfyre hier spielen, ist sehr einfach, weil er auf einer brauchbaren Idee beruht fast aufreizend einfach, aber auch gefährlich einfach für eine Band, die jetzt nicht gerade Six Feet Under oder Debauchery heißt. Wäre er einen Deut weniger einfach, wäre er auch nicht gar so durchschaubar und sein Unterhaltungspotential nicht schon nach wenigen Durchläufen ausgeschöpft.
Necros Christos sind natürlich keinen Deut weniger einfach, sie haben auch keine gute Idee, die sie über die ganze Laufzeit von „Necromantique Nun“ ausreizen könnten. Ich weiß jetzt eigentlich immer noch nicht, ob das eher ein Vorteil oder ein Nachteil ist. Dafür haben Necros Christos etwas anderes, was Vallenfyre wiederum nicht haben: eine nicht nur ihren Zweck erfüllende, sondern außerordentlich gute Produktion. Darauf baut sich auch das atmosphärische Konzept auf, denn im Gegensatz zu Vallenfyre haben Necros Christos eins (Was bin ich doch gemein heute. Wahrscheinlich haben auch Vallenfyre eins, aber davon kam bei mir wenig bis gar nichts an). Ist nicht so, dass mich das erreicht, Ägyptenkram und mehr oder minder typisch böse Death Metal-Pose empfand ich schon bei Nile höchstens als Gimmick, aber immerhin etwas. Weil der Sound so schön hallend, ascheaufwirbelnd und dreidimensional ist und weil ich mich angesichts der sehr talentierten Raucherlunge am Mikro frage, wieso ich noch kein einziges Album von Possessed besitze, ist es mir auch fast egal, dass die ganze Chose zumindest über weite Strecken kompositorisch doch ziemlich langweilig ist. Style over substance, jawohl. Aber rechtzeitig, bevor ich noch das Scheitern der Band eingesehen hätte, schüttelt sie sich eine irre sexy Gitarrenmelodie aus dem Ärmel, die nach brütender Hitze und bauchtanzender Nofretete klingt.
Ja, gut, vermutlich braucht auch diese Band mich nicht weiter zu interessieren, aber zumindest in Samplerzusammenhängen ist sowas immer ganz angenehm.
Der Himmel ist voller flimmernder Geigenhologramme beim Anfang von Amorphis – Crack In A Stone. Mit einem hochdramatischen Drumeinsatz legt sich eine Schicht brutzelnder Gitarren über die Landschaft wie frittierter Schnee. Natürlich klingt das alles sehr komprimiert und sauber und natürlich ist das alles zu einem gewissen Grad kitschig, aber so kenne ich Metal aus Finnland halt und es käme mir nicht richtig vor, an diesem Umstand etwas in Frage zu stellen. Die Strophen sind dann zugegebenermaßen unerwartet, weil der Rhythmus rumpelstilzchenartig zur Seite hüpft und sich dazu ohne rechten Kontext ein grummelnder Lungenkranker zu Wort meldet. Das schafft einen deutlichen Bruch im ansonsten reichlich behäbigen und fantasielosen Songgefüge. Direkt danach kommt aber der Kitsch wieder; hier in einem armausbreitenden Berggipfelmoment, der aber durch das schöne Timbre des Sängers nicht gar so unerträglich gerät, wie er durchaus hätte werden können. Überhaupt ist fast alles an diesem Song, wiederum wie es sich für melodischen finnischen Metal gehört, hart an der Grenze. Was in anderen Zusammenhängen eine fast restlos vernichtende Kritik wäre, ist hier ein ernst gemeintes Kompliment, denn „Crack In A Stone“ ist angenehm geerdet, verfügt teils über echt ganz hübsche (wenn auch ausnahmslos abgestandene) Melodien und klingt auf eine nette und aushaltbare Weise belanglos. Ich kann’s hören und fand den Song an allen übrigen Tagen sogar noch besser als heute, aber er war in meinem Falle vermutlich nicht die beste Visitenkarte (vielleicht kümmere ich mich irgendwann aber nochmal um die Alben aus den 90ern).
Wie kann es eigentlich sein, dass ich mich mit einer Band, die immerhin schon mal ein Album, bestehend aus zwei Stücken mit jeweils über 25 Minuten Länge, veröffentlicht hat, bis heute nicht richtig beschäftigt habe? Eine Antwort auf diese Frage zu finden dürfte schwieriger sein als eine einwandfreie Theodizee, also gehen wir gleich über zu „Huuto“ von Moonsorrow, das allerdings lediglich knapp 16 Minuten in Anspruch nimmt. Akustikgitarren, ein flächiges Keyboard und nachhallendes Drumming im Hintergrundsignalisieren schon mal, dass man für diese Reise mehr Proviant einpacken sollte als sonst, denn: One does not simnply walk into Mordor. Und ja, der eigentliche Textinhalt ist mir bei der Metaphernfindung grad es bisschen egal, vor allem da ich Finnisch in etwa so gut beherrsche wie einen beliebigen Mittelerdejargon.
Was dann nach gut einer Minute und einem standesgemäß – Uga! – mächtigen Stromgitarreneinstieg kommt, übertrifft die Erwartungen von mir, der einfachen, unbedarften Samplertouristin. Wenn die Drums plötzlich zielstrebig losstürmen und die anfangs angedeutete Melodie sich in kristallinen Keyboardsternen über die Gitarren legt, fährt auch nach unzähligen Hördurchgängen immer noch der gleiche Euphoriestoß durch meinen Körper. Ich hatte noch nie die Gelegenheit zum Gleitschirmfliegen, aber in etwa so stelle ich mir das vor: man springt und der Boden unter den Füßen verschwindet, unter einem tut sich ein unermessliches Panorama aus Gebirgen und Wäldern auf, Schnee und Hagelkörner zerschneiden die Gesichtshaut und über einem makellos weiße, zum Greifen nahe Wolken, eine gleißende Sonne und strahlend blauer Himmel. Gefahr schwingt in diesem Eindruck mit, ein Hauch von Todesahnung, und doch auch absolute Freiheit, das wahnsinnige Gefühl von Einswerden und Allmacht.
Damit verfeuert „Huuto“ seinen größten und vollkommensten Glücksmoment schon am Anfang, denn irgendwann bei ca. 1:45 spüre ich dann doch wieder den Boden unter den Füßen. Die eigentliche Wanderung hat grade erst angefangen. Mit kribbelnden Gliedern und wild pochendem Herzen mache ich mich auf, durchstreife Wälder und Täler, besteige Berge, und es gibt immer noch diese irren, alles einfangenden Kamerafahrten, aber nicht mehr das Mittendringefühl von vorhin. Auch wenn besagter Part wieder aufgegriffen wird. Aber es wird allgemein viel wiederaufgegriffen hier, der stampfende Rhythmus und die folkloristische Tonfolge, die als zweites Motiv vorgestellt wird. Moonsorrow gehen nicht eben verschwenderisch um mit ihren Ressourcen, warum auch nicht, sie sind ja Profis. Die feinen Variationen in Sachen Harmonie und Klangfarbe im Hintergrund lenken erfolgreich davon ab, dass es lange genug lediglich um Rekombination von Grundbausteinen geht.
Es ist dennoch irgendwann sehr auffällig, dass der Musik über weite Strecken die Leerstellen fehlen. Lediglich in der Songmitte gibt es einen sehr coolen Veitstanz-Part, aber auch da können die brummelnden Gitarren nicht stillhalten. Als würde einem der Touristenführer drängend ständig in die Hacken treten, während man versucht, Fotos zu machen. Ja, sie nehmen zwischendurch mal eine Keyboardklangspur raus, darüber freut man sich, wenn es einem unter Kopfhörern auffällt, aber es bleiben noch drölfundzwülfzig andere, und das Bild ist zwar nie lange genau gleich, den Unterschied sieht man aber nicht von weitem. Das sorgt für ein Luftwegbleiben der unangenehmen Sorte, ein Gefühl der Übersättigung, das diese Musik eigentlich nicht verdient hat.
So kann ich dann auch nicht angemessen reagieren, wenn nach ca. elf Songminuten die Keyboardschleier (fast) ganz verschwinden, die Gitarren wieder Zähne zeigen und es so etwas wie konkrete Gefahr gibt. „Später, Kinder,“ sage ich zu den Horden revoltierender Orks, „das ist grad alles so’n bisschen Overkill.“ Aber dann kommt sowieso wieder das vertraute finnische Folkloregeklimper wieder, die Sonne geht auf, alles wird endlich leide und für gut eine Minute darf ich dem Nachhall des größten Moments von „Huuto“ lauschen.
Ich will nicht sagen, dass der Song nicht sehr gut war, aber ich bräuchte jetzt mal eine Pfefferminztablette und ein Sauerstoffzelt (oder müsste ungesündere Maßnahmen anwenden, um mich wieder leer zu fühlen). „Huuto“ ist so beeindruckend und ermüdend wie ein „Herr der Ringe“-Marathon ohne Pinkelpausen. Ich will mal hoffen, dass sie ihre Musik auf den anderen Alben besser portionieren.
Gestern Abend wollte ich mit dem Zeug eigentlich abgeschlossen haben, aber mein Körper hat mir unerwartet eine Umfallpause verordnet. Wäre das nicht passiert, hätte ich mein Review zu Nucleus Torn – Death Triumphant mit den Worten eingeleitet, dass ihre verhältnismäßig aufgeräumte und übersichtliche Klangästhetik nach dem Song von Moonsorrow eine wahre Wohltat darstellt. Ohne den direkten Vergleich fehlt der Band zwar nun ein kleiner Sympathiepunkt, doch es gibt noch mehr als genug Gründe, „Death Triumphant“ großartig zu finden.
Eingeleitet von angejazztem, schleichendem Drumming, schlängelt sich eine Akustikgitarre in einer offenen Tonfolge gleich Efeuranken um das schlanke Rhythmusgerüst. Progrock-Verweise, wie ein bluesverwandtes, aber glitzernd sauberes E-Gitarrensolo und spielerische Orgelfarbtupfer, bereichern diese verrätselte Musik, die sich von hier aus in jede erdenkliche Richtung entwickeln könnte. Erst von der angenehm nach vorne produzierten und noch angenehmer an Anneke van Giersbergen erinnernden Sängerin wird dem Stück ein atmosphärischer Stempel aufgedrückt. Ihre Gesangslinien umgehen das vorgegebene melodische Gerüst, ohne in anstrengende Dissonanzen zu verfallen, und drücken ein Gefühl von Eingesperrtsein und unterschwelligen Druck aus. Alright, der Song endet garantiert nicht annähernd da, wo er angefangen hat.
Die erste größere Wendung wird von einem Saxophon eingeleitet, stetig nimmt dahinter das musikalische Fundament an Gewicht zu, bis die Band nach einem kurzen Break wieder einsetzt. Eine sehr drahtige und rockige Version von Death Doom wird jetzt gespielt, scheinbar mit allem, was dazugehört, aber mit genreunüblichen Leerstellen. Und es ist auch nicht so, als würde hier nichts mehr an den ersten Part erinnern; der Takt wurde, gewissenhaft befreit von etwaigen Rhythmusspielereien, beibehalten, dazu gibt es ein von Streichern getragenes Suspensemoment. Anstatt im Klangvordergrund das Bewusstsein mit Duftschleiern zu umwickeln, lässt die Progfolk-Instrumentierung im Hintergrund nun bedrohlich hallende Hohlräume entstehen und bremst den Song aus an den empfindlichsten Stellen. Ab der sechsten Songminute kommt es immer wieder zu einem Kayo Dot-artigen Tauziehen zwischen verschnörkeltem Jazzprogfolk und der Metal-Brechstange. Wer gewinnt? Das Nichts, die Stille, in der beide Elemente schließlich verschwinden.
Aber kein Problem, den Ariadnefaden kann man aus diesem weißen Nebelsee auch wieder rausholen, und nach einem kleinen Akustikgitarrenintermezzo geht’s auch wieder weiter. In bester The 3rd and the Mortal-Manier steigt der glasklare weibliche Gesang auf einer schweren, tiefgrauen Wolke aus Gitarren-/Drumfundament und Streicher- und Bläserverzierung hinauf. Bemerkenswert ist hier wie auch im gesamten Songverlauf die klangliche Klarheit, der maximale Bewegungsfreiraum für jedes Instrument, obwohl doch zeitweilig so viele davon nebeneinanderstehen. Ohne dieses Angebot zu einem Happy End anzunehmen, lässt „Death Triumphant“ danach ein Gewitter über der Landschaft entstehen. Im richtigen Moment ist die Band also auch in der Lage, eine undurchdringliche Klangwand zu bilden. Ab 8:20 ändert sich die Stimmung im Vergleich zum Restsong grundlegend. Das Gefühl von Gefahr ist zwar zum ersten Mal wirklich präsent, sickert dafür aber unaufhaltsam und von jeder Seite ins Bewusstsein. Als läge ich inmitten von Steinhängen, die sich aufeinander zubewegen würden und mich so immer mehr zwischen sich einzuschließen drohten, komme ich mir immer kleiner vor, wird die Stimmung immer bedrohlicher und klaustrophobischer. Vorbildlicher Spannungsaufbau auch, lediglich an eine wirklich angemessene Auflösung traut man sich am Ende doch nicht heran.
Aber so sehr stört das nicht. Möglicherweise mein Lieblingskandidat, schade bloß, dass die restlichen mir bekannten Stücke vom Album das Niveau nicht halten können.
UIha – Kontrastprogramm. Defeater, schon wieder so eine „Warum hörst du die eigentlich nicht?“-Band und auch schon wieser so eine, bei der ich diese Frage nicht beantworten kann. Also Beweisführung für etwas, was nicht mehr bewiesen werden muss? Na, mal sehen.
Mit Drumintro startet „Quiet the Longig“ skeptakulär unskeptakulär, das aber vor allem, weil in der ersten Strophe wenig dazukommt. Gitarren, ja, aber nur vereinzelte Akkorde, die nichts Zusammenhängendes ergeben wollen, windzerklüftete Reste einer toten Stadt. Einen heiseren Erzähler gibt es auch, davon abgesehen ist das Drumming in den ersten 40 Sekunden aber bedrängend allein unter grauem Himmel. The Loneliness of the Long Distance Runner (mir ist klar, dass Defeater-Veröffentlichungen ein Konzept haben, das mit dem Buch/Film nichts zu tun hat). Zum Refrain hin verfällt es in einen ordinären Stampfrhythmus, dazu wird der Gitarrenklang voller, klingt aber immer noch nach morschem Holz. So hemdsärmelige traurige Trostmomente in modernen Hardcore-Songs sind grundsätzlich in Ordnung, ich wünschte mir bloß, ich würde nicht schon bessere kennen. Bei der zweiten Strophe, wenn zwei neue Töne die regelmäßige Abfolge nicht mehr funktionierender Straßenlaternen imitieren, fällt mir auf, dass Modern Life Is War auf „Young Man on a Spree“ den Hardcore ohne alles auch schon etwas bedrückender und besser hinbekommen haben. Gibt’s noch was zur Ehrenrettung zu sagen? Aber ja: Der zweite Refrain geht nämlich in eine rhythmische Erschütterung über, zu der man sich auf die Knie werfen und mit den Fäusten gegen den Asphalt schlagen will, weil: hat ja doch keinen Sinn alles, aber der Song ist halt noch nicht zu Ende. Auch den langen Ausklang, in dem sich die Klanghülle wieder leert und dann nur die Beckenschläge übrig bleiben und am Ende gar nichts, muss der verlorene Held aussitzen.
Klingt, als ob der erste Bewusstkontakt nicht so ablief wie erwünscht und erwartet, oder? Och, im Grunde tat er das. Eine Band, die über mehrere Veröffentlichungen hinweg eine Geschichte zu erzählen versucht, kann man anderen schlecht mit einem Paradesong nahebringen. In diesem Zusammenhang ließ mich „Quiet the Longing“ ein bisschen kalt, aber ich weiß, dass irgendwann wieder eine Phase kommen wird, in der ich wieder mehr modernen Hardcore gegen die Verbrüderung mit dem Schmerz brauche. Und dann weiß ich, welche Band mir helfen kann.
Komisch, wenn eine Band ihren Song gleich ohne Rhythmusinstrument und mit einem lange nachhallenden, tiefergelegten Gitarrenakkord beginnt, dann ahne ich inzwischen, dass das nichts werden kann. Light Bearer führen mit „Prelapsus“ im Grunde nur die Fehlertradition von der Vorgängerband Fall of Efrafa fort, ohne aber ihre „Rettung im letzten Moment“-Tradition zu übernehmen.
Selbst wenn die Drumaufschläge nicht mehr ganz so vereinzelt klingen, hält der bedrückende Sludge-Nachhall der Gitarren das Stück davon ab, von der Stelle zu kommen. Okay, von mir aus – auch bei lediglich sieben Minuten Spielzeit können zwei für die außerordentlich bedeutungsschwangere Einleitung verpulvert werden. Auch wenn nach einem Break noch eine weitere kommt. Wieder auszehrendes Aufbaumoment, und schließlich, bei knapp vier Minuten startet der Trauermarsch. Die Gitarrenmelodien sind schön und melancholisch, ohne sich aufzudrängen, wenn jetzt noch eine kommt, die sich aufdrängt, haben Light Bearer dieses Stück mehr als würdevoll zu Ende gebracht. Fall of Efrafa wussten auf „Inle“ in solchen Momenten immer weiter. Light Bearer irgendwie nicht. Als Songhöhepunkt sucht man sich ausgerechnet eine zwar angestrengte, aber dünne Jungenstimme aus, die weder gegen die Gitarrenwände noch gegen die Growls anzukommen imstande ist – auch wenn sie es noch so sehr versucht. In ihrem erstickten Wehklagen stirbt jeder Ansatz von Größe.
Eigentlich fand ich den Song halbwegs okay, eher nichtssagend als scheiße. Hätte ich netter sein sollen? Nein, ich glaube nicht.
Hmm, irgendwie habe ich es letztes Jahr verpasst, mich für Lantlôs zu interessieren. Zurecht? Nach einigen Jahren ungebrochener Trendyness wird es schließlich für jede weitere Veröffentlichung aus dem Blackgaze-/Neigecore-Sektor schwieriger, den potentiellen Hörer davon zu überzeugen, dass sie für ihn interessant ist. Es mag daran liegen, dass ich jetzt großen Hunger auf irgendwas Sinnloses und Ungesundes hätte, aber nichts in unmittelbarer Nähe habe, aber ich glaube, das ist Lantlôs mit „Intrauterin“ nicht gelungen.
Beim düster rauschenden zweiminütigen Vorlauf habe ich diesen Eindruck noch nicht. Die Band verliert mich erst, wenn auch hier wieder das Stilmittel der Sludge-Salzsäulen Verwendung findet. Natürlich sind Leerstellen gut und wichtig, aber keine von Canyon-Größe, in die man reinfallen kann.
Besser wird es in etwa ab der Songmitte, wenn süße, helle Töne auf den gleichmäßig dunklen Grund tropfen. Das zaghafte Drumming klingt nach verlorener Hollywoodschaukel, Gitarrenzuckerwatte beschwört Postrockerinnerungen herauf. Zumindest klingen beide Songparts nicht gar so durchgekaut, wie sie klingen könnten, denn eine Ahnung von Black Metal liegt auch hier über der Musik, und damit gibt es einen nicht gänzlich uneigenständigen neuen Kontext. Das erste Mal kommt auch der luftig-anämische Klargesang von Märchenonkel Neige zum Einsatz, und man wäre fast zum Wgschlummern verleitet, wenn bei ca. 7:40 nicht tatsächlich noch eine Überraschung kommen würde.
Nicht, dass sich an dieser Synergie aus Sludgeriff und Post-Rock-Flirren nicht schon andere Bands versucht hätten – aber weder hätte ich sie überhaupt in diesem Song erwartet, noch, dass sie so gut funktioniert. Mittlerweile ist dieser Moment bei mir aufs Engste verbunden mit dem ersten Morgen des Jahres. Nach einer ruhigen, aber schlaflosen Nacht habe ich die Wohnung eines Bekannten verlassen, in der quer über alle Zimmer in Schlafsäcke eingewickelte Körper verteilt waren. Ich habe die Innenstadt noch nie so müde und in sich gekehrt erlebt – es waren kaum Autos auf den Straßen, lediglich neben einer Kneipe sah ich noch Menschen. Während ich unter einem Dachvorsprung auf den Bus wartete, sah ich die Regentropfen im Licht der Straßenlaterne glitzern – und in dem Moment lief genau dieser Part. Ich war nicht glücklich, nicht ansatzweise, aber ich fühlte, wie poetisch dieser flüchtige Moment war, wie viel in dieser Situation ästhetisch richtig lief. Deswegen mag ich „Intrauterin“. Deswegen werde ich mit dem Rest des Albums vermutlich nichts anfangen können.
Fazit: Wie erwartet – hätte etwas besser, aber auch entschieden schlimmer laufen können. Nucleus Torn haben gewonnen, TesseracT und Moonsorrow dürfen sich über die anderen Podestplätze streiten. Und sorry für die lange Wartezeit!
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trying to leave [COLOR=#808080]a mark more permanent than myself[/COLOR]