Re: Hel – Das Atmen der Erde

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SirMetalhead
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Hier mal meine Eindrücke nach 3 Durchläufen, verzeiht mir den teilweise pathetischen Unterton, bei dieser Band fällt es mir schwer, nüchtern ran zu gehen.

So gefällt mir das: Keine große Ankündigung 6 Monate vor Release, keine Flut an Vorab-Reviews in den Magazinen. Hel haben sich bewusst dazu entschieden, den Rummel um das neue Album gering zu halten und den Hörer zuerst selbst entscheiden zu lassen. Und so war es nur konsequent, das Album nicht über ein Label, sondern in Eigenproduktion zu veröffentlichen. Für eine Band dieser Größenordnung ein nicht ganz risikofreier Schritt. Und obwohl die effektive Wartezeit durch diese Entscheidungen extrem reduziert wurde, habe ich trotzdem sehnsüchtig auf genau dieses Lebenszeichen der Band gewartet, schließlich gehören sie für mich mit zur Krone des deutschen Pagan Metals.

Optisch ist das neue Album ein schlichtes Digipack, das farblich nur aus Grau-, Schwarz- , Braun- und Blautönen besteht. Sehr geschmackvolle Aufnahmen von Wäldern, Bäumen, Wurzeln, Rinden, Steinen und Gräsern ergänzen die Texte im 20-seitigen Booklet, das neben einem schlichten Bandfoto nur noch eine kurze Danksagung enthält. Man gibt sich gewohnt bescheiden.
Thematisch ist die Richtung ja seit Jahren bekannt, allerdings verrät der Albentitel ja schon, dass man sich von den Mythen ein wenig entfernt hat und sich auf die unberührte Natur konzentriert. Die Songtitel sprechen schon davon, dass man sich nicht mit bereits Dagewesenem zufriedengibt.

Nun zur Musik: Seit dem letzten Metal-Album sind nun schon 7 Jahre vergangen („Tristheim“ 2007 war rein akustisch), was natürlich die Spannung schürte, wie Hel im Jahr 2012 denn klingen. Und ich muss feststellen, dass sie eine Entwicklung durchmacht haben, die ich auch bei anderen Größen der deutschen Pagan-Szene beobachten konnte. Klangen die Klassiker von Menhir, Surturs Lohe oder XIV Dark Centuries aus den frühen 2000er Jahren allesamt relativ trocken und harsch (und damit auch so unverkennbar traditionell), wurde im Laufe der Jahre der BM-Anteil zurückgeschraubt, mehr Klargesänge eingeflochten und den Gitarren und Drums ein natürlicher, aber etwas glänzenderer und druckvollerer Klang zugestanden. Und so ziehen auch Hel in dieser Entwicklung mit und klingen in der zweiten Dekade diesen Jahrhunderts absolut zeitgemäß, ohne dabei ihre Trademarks und Qualität abgegeben zu haben.

Was mir schon beim ersten Durchlauf auffiel, ist der hohe Anteil an klaren Vocals. Zusammen mit den doppelläufigen Gitarren sind stehen sie im Vodergrund der Kompositionen. Keyboards und andere Instrumente wie Geige oder Maultrommel kommen eher dezent zum Einsatz.
Eine zweite Veränderung liegt in den akzentuierteren Rhythmen. Zeichnete sich das Meisterwerk Orloeg noch durch seine einfache und dichte Atmosphäre aus, kommen die Songs nun variabler daher. Das zeichnete sich ja mit dem ambitionierten „Falland Vörandi“ bereits ab, da es allerdings ein Konzeptalbum mit vielen Gastmusikern war, bestand wenig Raum für Spekulationen, ob das auch so bleiben wird. Erst Recht nach dem Akustikalbum, das anschließend folgte. Und so gleicht kein Hel-Album bisher den anderen – das sollte man bei der Bewertung nicht vergessen. Was man allerdings sagen kann, ist dass der Nebel sich lichtete und mehr Licht in die Wälder und Wiesen dringt. Trotzdem bleibt alles von dieser urtypischen dunklen Grundstimmung überzogen, die ich an der Band so liebe. Manche Songs scheinen sogar richtig fröhlich oder rockig. Aber irgendwie schaffen es Hel dabei, dass diese Neuerungen überhaupt nicht auffallen 🙂 Kein Licht ohne Schatten also.
Auch sonst gibt es viel zu hören: Die Songs verfügen über eine klare Struktur, kommen auffallend kurzweilig rüber und sind durch Stimmung und Rhythmus leicht voneinander abgrenzbar. An vielen Ecken lässt man den Hörer durch kleine Drum-Einlagen, eingestreute Zusatzinstrumtente oder doppelte Gitarrenläufe aufhören. Trotzdem rutscht man nicht einfach über die relativ kurzen Songs hinweg, sondern kann wunderbar in das Album (mit seinen 65 Minuten Gesamtlänge) eintauchen.

Favoriten hab ich noch keine und will eigentlich auch erstmal keine rauspicken. Aber nicht oft fällt mir das Schreiben über eine CD so leicht. Diese ganzen Eindrücke muss ich jetzt erst einmal sammeln und festigen.

Ich seh grad, es gibt einen Trailer auf Youtube, der spiegelt diese Beschreibung eigentlich ganz gut wider:
http://www.youtube.com/watch?v=CIm5GPkaMw8