Re: Paula Pantoffeltierchens Drogentrip mit Nikki dem Clown, Schachtmenschen, Mördern und einer Aberratio Mentalis Partialis

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palez

Registriert seit: 04.01.2007

Beiträge: 10,795

Schön machst du das, Kleiner.

Nik[…]und weiß schon, was mich erwartet.

Nicht unbedingt. die neueren Sachen haben mit dem sperrigen Kram aus den 90ern nicht mehr viel zu tun und klingen eher wie eine thanatoide Version von The National.

So, ich steige dann auch mal aufs Trapez (der Knoten ist geplatzt, das Aufholen wird schnell gehen):

Intro: Le Grand Guignol – Circvs L

JA IST GUT, ich merk schon, letzter Abend, bevor unsere Bollerwagen für Tage nur karstiges Land und kein zahlendes Publikum mehr sehen, die letzten paar Minuten. Aber dass ich hier nicht mal in Ruhe meine Spritzblume ausprobieren darf, unglaublich. (In dem Ding ist Absinth drin, aber das merken die da offenbar nicht. So hat das ganze Tohuwabohu doch noch was Gutes.) Stampf Stampf Stampf macht der Elefant, bestimmt gelangweilt von seiner immergleichen Arbeit, während eines der Akrobatikmädchen im seidenen Badeanzug auf seinem borstigen Rüchen einen Handstand macht. Tragisch, die Akrobatikmädchen von der Direktorin haben ihrem Akrobatikkörper nie die Chance gegeben, zum Menschenkörper zu reifen. Jetzt laufen sie aufgeregt an mir vorbei, mit hochgesteckten Haaren und wehenden Glitzertüchern. Höllenfeuer rauscht hinter mir auf, fast setzt’st meine Perücke in Brand, aber das ist nur der Anführer der selbsternannten „Pyroartisten“, „Artisten“, dass ich nicht lache, der hat’s auf mich abgesehen, na warte. Der Elefant ist fertig, er kann jetzt warten. Ich setze mich neben ihn in einen Hügel aus Stroh und will mir eigentlich ein letztes Mal die Kopfhaut kratzen, als der Gewichtheber plötzlich auftaucht, mich unsanft am Arm packt, he, das geht aber auch galanter, Freundchen, du willst doch wohl nicht die Hauptattraktion hier zum Krüppel machen, he, Sei still Clown, Auftritt jetzt, er wirbelt mich herum, schleust mich durch die Menge und stellt mich vor den geschlossenen Vorhang, zu den anderen, in ihre letzte Gespanntheit.

1. 6:33 & Arno Strobl – Order of the Red Nose

„Nach dem ersten Tritt bleibe ich stehen, und federnd beugt sich die Spitze meiner langen, ausgelatschten Clownsstiefel dem Boden entgegen. Ich hebe die Arme. Die Menge johlt. Die Show beginnt.“

Oh, ist die Leerstelle etwa für mich? Wie liebenswürdig aber auch! Nun denn, drum lasset die Show beginnen – das heißt, wenn alle endlich still geworden und beisammen sind. Ein Theaterritual haben wir nicht. Dafür hassen wir einander in arbeitsintensiven Phasen vielleicht zu sehr. Und so gibt es kein Händchenhalten und kein Gejohle in der letzten Minute hinter dem samtenen Vorhang, nur gelegentliches Wippen von einem Fuß auf den anderen.
Schließlich stößt die Direktorin das schwere rote Ding auf und geht voran, während der Stoff an beiden Seiten von Haken nach außen gezogen wird. Die Begrüßung noch zusammen, hinter ihr die Akrobaten und Kontortionisten, dann der Gewichtheber, mit hervortretenden Adern an der roten Stirn, dann die anderen. Als der Reigen uns weit genug aus dem Sichtfeld gedrängt hat, kann ich es nicht unterlassen, dem pyromanischen Artisten in die Visage zu spritzen. Wie soll ich denn noch wissen, dass da noch mein Absinth ist? Er zerrt mich in die Hinterräume, es fällt vermutlich nicht auf, the show must go on, und drückt mich gegen die Wand. Was zum Teufel soll das du Trottel weißt du denn nicht wie gefährlich das ist? Ich zucke mit den Schultern. Schade ums Absinth. Er lässt mich fallen, stellt einen Fuß auf meinen Brustkorb, jetzt bleibt ein Abdruck auf meinem Anzug, na toll, doch bevor etwas Schlimmeres mit eurem armen Clown passieren kann, liebe Kinder, schallt es EINSATZ PYROARTISTEN VERDAMMT WO BLEIBT IHR und ich setze mich hustend wieder auf.

Im Grunde ist unsere Show nicht besser, nicht hochwertiger als jede andere Zirkusvorstellung auch, denke ich mir manchmal, und dafür mache ich den Pyroartisten und die Tänzerinnen verantwortlich. Letztere bezeichnen sich gerne als Burlesque-Künstlerinnen und vermeiden es arrogant, sich mit ihren hochgezwängten Brüsten in der Menge hinter dem geschlossenen Vorhang herumzudrücken. Sie sind aber doch nur Stripperinnen mit Falten und hässlichen Nasen. Dazu geben die sogenannten Pyro-„Artisten“ der primitiven Menge, wonach sie lechzt, die schnelle Überwältigung, Hitze, Flammen. Andere sind nichts Besonderes, wir sind nichts Besonderes mit Brüsten. Zum Glück lässt der Magier einige davon – also von den selbsternannten „Burlesque-Künstlerinnen“ – dann in seinem Spiegelkasten verschwinden, und zum Glück ist es dann für ein paar Sekunden still. Dann geht’s aber wieder los – you got it, you got it, die Männer johlen, die Frauen halten den Kindern die Augen zu.

Alle drehen nochmal eine Runde, danach drängt sich alles an den Rand für Die Große Pyramide. Schicht um Schicht Mensch türmt sich da vor mir auf, und dann, dann ist der Auftritt der Kleinsten von der Direktorin gekommen. Ängstlich betritt sie die Manege, hofft, im Publikum Gesichter von Gleichaltrigen zu erkennen, aber sie sieht sie nicht, da, wo sie steht, im Lichtkegel des Schweinwerfers. Erst wenn du nichts mehr siehst, wirst du gesehen. Nur ganz kurz dauert diese Verzagtheit, die Kleine, ganz Profi, geht auf die unvollständige Pyramide zu und steigt vorsichtig über Rücken, Schultern und Köpfe. Na, wie ist die Luft da oben? Sehen alle am Boden so klein aus wie Ameisen? Schwankt das ganze Ding womöglich? Und just, als es vollkommen still geworden ist und sie die Hände und die Knie auf die letzten beiden Rücken gestellt hat, rennt kreischend ein Affe in die Manege, reißt sich sein goldenes Jackett vom Körper und hopst um die Beine der untersten Mittelstütze herum. Da steht allen der Schweiß auf der Stirn, sogar mir, das Ding schwankt gefährlich, hält aber das Gleichgewicht. Die Pyramidenaugen gucken belustigt in die Publikumsreihen im Dunkeln. Tja, da haben wir euch ganz schön reingelegt, was? Das mit dem Affen war nämlich geplant, jawohl! Und da beginnt Schicht um Schicht vom Menschendreieck abzublättern, alle kommen sicher am Boden an und fassen sich zum Schluss nochmal an den Händen, auch ich. Die Kontortionisten winden sich noch, aber der erste Akt geht friedlich zu Ende. Ich bin erleichtert.

(Jaja, der Songtext. Ich mach mir die Welt, widdewiddewie sie mir gefällt.)

Von 6:33 habe ich noch nie etwas gehört. Aber wer Arno Strobl ist, das weiß ich, das ist der Sänger von Carnival in Coal, mit denen ich im weiteren Verlauf des Samplers noch die Ehre haben werde. Die Verbindung kann man auch ohne großen Rechercheaufwand herstellen, denn Mike Patton wäre 6:33 vermutlich zu teuer und fände das Ganze wahrscheinlich auch zu konventionell. Bin ich zu gemein? Aber sicher. „Order of the Red Nose“ ist nämlich ausgesprochen unterhaltsam, besonders beim/nach dem Schreiben, und Gemeinheit gegenüber unterhaltsamen Dingen ziemt sich nicht. Es gibt, wenn man genau darauf achtet, extrem viele musikalische Wechsel, die meisten angenehm unauffällig, da flüssig eingearbeitet. Vielleicht fällt einen die einzelne Unberechenbarkeit in einem Meer daraus aber auch bloß nicht mehr auf. Es gibt von hochmelodischen, darin fast musicalartigen Parts über Gutturalgesang und Bratzgitarren viele verschiedene Richtungen, in die das Stück ausschlagen kann. Und dazwischen sogar wiederkehrende Motive, die ein ziemlich festes und gut sitzendes Korsett um die zehn Minuten Zirkus bilden. Gewissermaßen sind die Bratzgitarren und die Musicalartigkeit aber auch ein Problem, denn auch wenn das Gesamtprodukt kreativ und ungewöhnlich ist, die einzelnen Komponente sind es oftmals nicht. Ich hätte mir manchmal gewünscht, der Rockanteil wäre weniger stumpf und behäbig ausgefallen und die Melodien wären etwas verquerer und böser gewesen. Aber dafür ist ja noch ein paar Songs lang Zeit.

[Korrekturlesen my ass.]