Home › Foren › METAL HAMMER’s Ballroom › Meetingpoint › User vs User › Paula Pantoffeltierchens Drogentrip mit Nikki dem Clown, Schachtmenschen, Mördern und einer Aberratio Mentalis Partialis › Re: Paula Pantoffeltierchens Drogentrip mit Nikki dem Clown, Schachtmenschen, Mördern und einer Aberratio Mentalis Partialis
*Tür einen Spaltbreit öffne*
*zu meinem Tisch schleich*
*hoff, vom Lehrer nicht gesehen zu werden*
Aww, schön, dass dir die Musik gefällt. Zu The 3rd and the Mortal muss ich noch sagen, dass da die Genrezuordnung schwierig bis unmöglich ist. Doom M-E-T-A-L, UGH haben die eigentlich nie gespielt, aber mit ihrer Mischung aus folkigeren King Crimson-Momenten, testosterongefilterten Black Sabbath und Love Spirals Downwards-Darkwave mal eben den Gothic Metal miterfunden. Das war mit den Kari Rueslatten-Alben, ich habe dir ein Stück von „Painting on Glass“, der ersten Full Length mit Ann-Mari Edvardsen, auf den Sampler gepackt. Das kam 1996 raus, da war der Gothic Metal gerade auf seinem künstlerischen Höhepunkt, The 3rd and the Mortal aber schon weiter über das alles hinaus, als (ehemalige) Fans nachvollziehen konnten. Tja, Pech gehabt. Dafür eines der besten und spannendsten Alben an der Metal-Peripherie der 90er veröffentlicht.
Übrigens freut es mich, dass du dich beim Storypart von III an ein tendenziell nüchternes Sprachregime hältst :). Die Beschreibungen bei „Anchor Yard“ fand ich nämlich mitunter ziemlich überladen, auch wenn ich mir im Sinne der schauerromantischen Welt (waren die Knopfaugen ein Verweis auf „Coraline“? ^^), die du da entwirfst, nachvollziehen kann, was du dir dabei gedacht hast. Allerdings ist es schade, dass du diesem Bild den unpassend hoffnungslosen Schluss bei „A Fairytale About Slavery“ gegenüberstellst, auch wenn der IMO besser geschrieben ist. Aber das ist in dem Sinne ja eh meine Schuld, weil ich mich nicht von einem Song trennen konnte…
Mein eigener Reststorypart zum Sinnabschnitt kommt, wie gesagt, demnächst. Das hier schreibe ich mir noch vom Herzen:
4. Sigh – L’Art De Mourir
Um Sigh habe ich bisher jahrelang und grundlos einen Bogen gemacht. Dieser Sampler zwingt mich nun, zum ersten Mal gegen den Laternenpfahl zu laufen. Wie sie denn so war, die Kollision? Ungefähr ebenso kopfschmerzverursachend wie die Metapher. Der Sound wird nach einem drollig trashigen Einstieg mit Schachtelteufellachen marginal besser, maximal merkwürdig bleibt die Produktion dennoch. Da füllt der Bass jede Ritze mit vibrierenden Dissonanzen auf, ohne dass man ihn lokalisieren könnte, das Schlagzeug macht Tompf-Tompf-Tompf wie beim Topfschlagen und die Gitarre spielt ihre im Grunde einfache und vorhandene Melodie gegen den Strich. Dazu krächzen und zischen die Stimmen aus allen Richtungen und der Vortex wird enger und schneller. Sigh machen hier mit Black Metal das, was Psilocybin mit Bryan Sanders‘ Gesicht und Selbstwahrnehmung gemacht hat. Mit Symphonic Black Metal, um genau zu sein – und welche Musikrichtung hätte es auch eher verdient, übersteigert und entstellt zu werden? Der Refrain – strukturell ist der Song schlichter, als die instrumentale Reizüberflutung zulassen möchte – wird von verquer fröhlichen Bläserfanfaren eingeleitet, auf dem weiterhin stattfindenden Chaos thront eine albern barocke Geigenmelodie. Die klaffenden Nähte sind gewollt, anders kann es gar nicht sein, und diese Grundeinstellung, dass hier irgendwas nicht stimmt, ändert sich auch nicht, wenn die faux-symphonischen Elemente im weiteren Songverlauf organischer eingebunden werden. Und für dieses über seine eigenen Füße stolpernde Gitarrensolo hätte es auch nirgendwo einen besseren Platz gegeben als in diesem Song. Dass man aus dem Kommentar nicht wirklich herauslesen kann, wie ich den Song fand, war übrigens Absicht.
5. Le Grand Guignol – Mens Insana In Corpore Insano
Ich weiß zwar auch nicht, wie das passieren konnte, aber so ein bisschen, also ein bisschen sehr, sind wir mit unserer Konzept ja doch übers Ziel hinausgeschossen. Novellenideen entwerfen, die des jeweils anderen so weit übersteigern, bis sie an die Zimmerdecke stoßen – dabei ging es hier doch ursprünglich nur um Musik. Musik, die wir dem jeweils anderen zeigen wollten, möglichst verlustfrei arrangiert in einer halbwegs sinnvollen Reihenfolge – also eigentlich wie immer. Wie lässt sich aber nun „wie immer“ mit einem megalomanischen Gesamtkunstwerkanspruch vereinen? Manchmal eben gar nicht. „Mens Insana In Corpore Insano“ finde ich im Hinblick auf die Story nicht tragend, im Grunde völlig verzichtbar. Und im Samplerzusammenhang lange Zeit eigentlich auch. Irgendwie ist der Zirkuspart dann doch zu lang geworden, das Thema ausgereizt, das war wahrscheinlich die Schuld von mir und meinen Sonderwünschen, aber trotzdem. Le Grand Guignol gehen keinen entscheidenden Schritt weiter als die Bands davor, sie klingen weniger mitreißend, weniger unterhaltsam und weniger wahnsinnig. Die Musik ereignet sich irgendwo zwischen Hidden In The Fog und Devil Doll – an sich hervorragende Vorzeichen! – und klingt im Zusammenhang mit dem Konzept und der Platzierung damit schon wieder zu edel für das, was sie vermutlich darstellen sollte. Der Klang ist aseptisch sauber, der Metalanteil in Drumming und Gitarre klinisch tot, der Kreativspielplatz wird bereitwillig den Gimmicks überlassen. Gut, hier dürfen trotz jederzeit gegebener Keyboardmehrheit die Gitarren etwas mehr machen als dumpf „modern“ im Hintergrund rumbratzen, solieren nämlich, das aber nur in den kitschigen Bereichen, in denen sich hier ansonsten auch die Glöckchen und Pizzicato-Streicher aufhalten. Das war bestimmt gewollt (Mensch, Paula, lach doch mal!), und mit dem erwähnten Devil Doll-Anteil – Sprechgesang, bunte Tücher aus dem eigenen Rachen ziehen – versucht man auch, das Ganze zu konterkarieren, das klappt nur nicht so richtig. Das ist umso bedauernswerter, da das Ende – maschinelle Beschleunigung bis zum Komplettkollaps und Aufwachen ans Operationsbett geschnallt – einen Blick auf ein Konzept erhaschen lässt, welches mir, da mich die Musik nicht so gekickt hat, entgangen ist. Isoliert finde ich den Song mittlerweile in Ordnung (irgendwie verspüre ich eine Notwendigkeit, das klarzustellen), im Story- und Samplerzusammenhang lag er mir aber im Magen wie ein verschluckter Bauklotz.
6. Koenjihyakkei – Rattims Friezz
Der Name, das Cover, die Zuordnung zum Zeuhl (Triplealliterationen erhöhen den Cholesterinspiegel) – das klingt ordentlich bescheuert, beziehungsweise komplett meiner Welt entzogen, das klingt nach Endgegner, das klingt nach Musik, der ich nicht gewachsen bin. Ob das stimmt? Ich schnalle mir jedenfalls schon mal vorsorglich ein Kissen um den Kopf. Zumindest am Anfang passiert noch nichts wahnsinnig Besorgniserregendes, das regelmäßige Geklimper klingt eher nach Nachrichteninterludium. Danach gesellen sich zwar weitere Instrumente hinzu, und es stört mich ein bisschen, dass es keine wirklich ausgeprägte Lautstärkehierarchie zwischen ihnen gibt, aber die Elemente bleiben im kompatiblen Rhythmus, sie arbeiten nicht gegeneinander. Der „kompatible Rhythmus“ wird schnell aufgeregter, beweglicher, das Stück öffnet sich, ohne auszufransen. Zumindest ein bisschen eigenartig wird es erst mit dem kieksigen Oktavenhüpfen ab 1:50, der Gesang – voller, tiefer, weiblicher – ist davor nämlich sehr schön, auch wenn die Klangfarbe nicht hundertprozentig zum Rest passt. Dann biegt das Stück scharf ab, Jazzklavier legt sich über aufgeregtes Drumming und man versucht, den Anfang mit den lieblichen Tönen und dem vollmundigen Gesang und den laufenden Part zusammenzubringen, obwohl es nicht geht. Ab hier ist es ein Kräftemessen zwischen befreitem Aufspielen und zähneknirschender Verspanntheit, je nachdem, ob die Flöten- und die helleren Klaviertöne oder der Bass und die skandierenden Hintergrundstimmen gerade am Zug sind. So etwas wie einen Höhepunkt gibt es, als sich die Stimme der Sängerin kurz in operettenhafte Höhen schraubt, aber weil um ihn herum noch viele kleinere waren, fällt er im Grunde nicht auf. Dass es keinen Part gibt, der die anderen überschattet, ist hier eigentlich sogar angenehm, wie auch das ganze Stück angenehm ist, obwohl es hyperaktiv und fordernd ist und voll mit Zeug, das einen potentiell nerven könnte. Das liegt vielleicht daran, dass die Musik ungewöhnlich und eigenartig, aber nicht assoziationsfrei und fremd ist. Das Detailreichtum und die vielen kleinen Verrücktheiten könnten an sich auch ein paar waghalsigere Progressive Rock-Bands aus den 70ern hinbekommen haben (aber: haben sie eben nicht, kann man auf den entsprechenden Alben nachhören), wenn auch vermutlich nicht in genau dieser Dichte und Anordnung. Ich könnte es mir auch leichter machen und sagen: Koenjihyakkei klingen wie Magma, nur kawaii. Meine Befürchtungen haben sich jedenfalls nicht bestätigt, meine Hoffnungen auf interessante und kreativitätssprudelnde Musik aber erfüllt.
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trying to leave [COLOR=#808080]a mark more permanent than myself[/COLOR]