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Leukon

Registriert seit: 14.07.2010

Beiträge: 1,385

Wenn ich mich auf eine gesetzlich erzwungene ,,Verteuerung“ von Arbeit beziehe, ist mein Ausgangswert nicht das Gehalt eines ausgedachten Arbeiters, der auf Kranken- und Sozialversicherung verzichtet, sondern der Marktlohn, d.h. ein Lohn, der sich für verschiedene Qualifikationssegmente durch Angebot und Nachfrage bestimmt. Dieser Mechanismus impliziert, dass Unternehmen, die Projekte planen, um die Beschäftigung rentabler Arbeitnehmer konkurrieren. So entsteht über das Informationssystem, das wir ,,Markt‘‘ nennen, eine Bewertung der Rentabilität des Einsatzes von Arbeitnehmern verschiedener Qualifikationsstufen.

Selbstverständlich haben wir in Deutschland Gesetze, die Arbeitgebern einen bestimmten Umgang mit ihren Angestellten und Arbeitern abverlangen, etwa eine Aufteilung der in die Arbeit investierten Kosten in einen ausbezahlten Teil (Gehalt) und einen an bestimmte (Ver-)Sicherungssysteme weitergeleiteten Betrag – wodurch übrigens die Lohnstückkosten um keinen Cent erhöht werden; das anzunehmen ist ein schwerer Denkfehler! – oder die Entgeltfortzahlung bei Krankheit. Eine darin liegende Verteuerung ist solange unschädlich, wie nicht die Rentabilität des Einsatzes der Arbeitnehmer im Rahmen eines Projektes in Frage gestellt wird. Wenn es soweit kommt, dass ein genereller Mindeststundenlohn eingeführt wird, der – und sei es nur ein einigen Branchen – diesen Marktlohn übersteigt, verringert sich die Anzahl der Stellen, die rentabel bewirtschaftet werden können und Arbeitsplätze fallen weg, werden zB in das Ausland ausgelagert. Und deshalb ist der Mindestlohn das falsche Instrument, jedermann genug Geldmittel zum Leben zu verschaffen.

Bei Hans-Werner Sinn findet sich die einprägsame Wendung: ,,Von einem Mindestlohn, den man nicht bekommt, kann man nicht leben.‘‘ Erforderlich sind, wie das ifo-Institut seit Jahren predigt, eben Zuzahlungen im Sinne einer ,,aktivierenden Sozialhilfe‘‘. Dazu, die freie Marktwirtschaft zum Teufel zu schicken, besteht überhaupt kein Anlass. Dass ich ein Anhänger des freien Marktes bin, hast du richtig erkannt; seit meiner vulgärmarxistischen Jugendphase bin ich halt – in bescheidenem Maße – klüger geworden. Das heißt aber natürlich keineswegs, dass ich den Gedanken der Solidargemeinschaft ablehne. Man muss schon differenzieren.

abrakabra edit: ad „wenn die löhne steigen, steigen auch die preise, und die leute die besagte löhne bezahlt bekommen haben erst nichts davon“:
es stimmt schon, dass dadurch die preise für ARBEIT steigen. dieses argument wäre nur stichhaltig, wenn wir nur menschliche arbeit kosumierten – das ist aber nicht der fall. wir komsumieren rohstoffe, und wir bezahlen gewinne von unternehmen – und diese „kosten“ steigen eben nicht durch verteuerung von menschlicher arbeit – also hätten die niedrigverdiener durchaus was davon, wenn sie mehr bezahlt bekämen. außerdem nimmt dein argument an, dass die einzige kompensierung für steigende lohnkosten ein steigender preis wäre – und nicht zb. auch auch geringere gewinnspannen, wie dieses paper im fall der gastronomiebranche suggeriert. (einen hässlicheren textsatz habe ich übrigens schon lange nicht mehr gesehen)

Du hast mein Argument verfälscht. Mir ging es nicht darum, in Abrede zu stellen, dass derjenige, der aufgrund einer Mindestlohnregelung am Ende des Monats mehr Geld auf seinem Konto vorfindet, davon profitiert. Das bezweifelt niemand. Und natürlich konsumieren ,,wir‘‘ als Verbraucher nicht nur ,,Arbeit‘‘, also Dienstleistungen. Aber du machst einen Fehler, wenn du mir vorhältst, die steigenden Lohnstückkosten könnten im Falle eines Mindestlohnes durch eine geringere Gewinnspanne kompensiert werden. Denn bei meiner Kritik an den schädlichen Auswirkungen eines generellen Mindestlohnes beziehe ich mich von vornherein nur auf diejenigen Arbeitsverhältnisse, die bei der Einführung eines solchen nicht mehr rentabel bewirtschaftet werden könnten. Dies impliziert, dass es keine Gewinnspanne mehr gibt, aus der die zusätzlichen Kosten bestritten werden könnten; der Unternehmer müsste also mit anderen Worten, bereit sein, Geld zu verschenken. Was nun aber den anderen Fall angeht, in dem der Mindestlohn die Rentabilität der Stelle nicht beseitigt, ist der Mindestlohn zwar unschädlich, aber zugleich auch sinnlos. Die Wirtschaftlichkeit kann natürlich in begrenztem Umfang durch Preissteigerungen wieder hergestellt werden.

abrakadabraum ehrlich zu sein, will ich mich aber gar nicht auf eine wirtschaftswissenschaftliche diskussion mit dir einlassen, weil ich von dem thema null ahnung habe, und ich gar nicht weiß, ob es überhaupt jemanden gibt, der genug weiß, um eine komplexe frage wie diese mit sicherheit beantworten zu können.

meine politische meinung hat ihren ursprung auch nicht in dem glauben an die funktionalität eines bestimmten wirtschaftsmodells, sondern in meinem ethischen empfinden.

Die Meinung der Wissenschaft ist gerade beim Thema Mindestlohn relativ eindeutig (eine findet sich als Link in meinem ersten Diskussionsbeitrag). Das hat mich dazu veranlasst, meine Ansicht zu dem Thema zu ändern. Was spricht eigentlich dagegen?

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