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Die Anmerkungen zum folgenden Live-Album sind etwas üppiger ausgefallen als ursprünglich geplant.^^
IAN GILLAN BAND – Live At The Budokan
Nach seinem Ausstieg bei DEEP PURPLE gründete Ian Gillan die IAN GILLAN BAND und stellte Fans (besonders die, die ihn für den einzig wahren DEEP PURPLE-Sänger hielten) mit seiner Musik auf eine harte Probe, die beileibe nicht alle bestanden.
Nach 3 Studio-Alben fiel ihm ein, dass jede Band, die was auf sich hält, auch ein vernünftiges Live-Album im Katalog haben sollte. Und wo findet man für ein solches Vorhaben die verlässlichsten und begeisterungsfähigsten Fans? Natürlich in Japan. Also machten sich Ian und seine Mitstreiter auf nach Tokio ins ehrwürdige Nippon Budokan, wo schon Teile des legendären „Made In Japan“ sowie DEEP PURPLEs letztes Konzert in Japan, das Ian freilich nicht mehr tangierte, aufgenommen wurden.
Grundsätzlich sollte man sich bei „Live At The Budokan“ aber schnell von Gedanken an DEEP PURPLE verabschieden, denn die IAN GILLAN BAND bringt eine Mischung aus Jazz Fusion und vertracktem Prog Rock zu Gehör, die recht wenig mit den Hard Rock Veteranen gemein hat, was der Opener „Clear Air Turbulence“ gleich eindrucksvoll unter Beweis stellt. Hier wird einfach mit viel Spaß drauflos gespielt, Improvisation geht über die eigentlichen Songs, was die herverragenden Musiker dennoch sehr spannend umzusetzen wissen. Virtuosen an Gitarre und Keyboards werden von einer treibenden Rhythmus-Sektion unterstützt, Spielfreude gepaart mit purer Energie, und darüber Ian in Top-Form, dessen Stimme entgegen anders lautenden Gerüchten erstaunlich gut zu dieser Art Musik passt.
Neben dem launigen Gejazze und Gefrickel hat die Band aber auch paar direktere Nummern am Start, wie etwa den Titelsong der letzten LP „Scarabus“, der sich als richtiger Hit mit eingängigen Melodien präsentiert, oder „Twin Exhausted“, einem fast schon klassischen Rock’n’Roll.
Das alles macht mächtig Spaß, zumal der Vortrag eben auch von einem begeisterten Publikum begleitet wird. Zwischen den Songs heizt Ian dieses mit sich steigerndem Kreischen zusätzlich an, was wir so von „Made In Japan“ bereits kennen, womit DEEP PURPLE dann doch wieder ins Spiel kommen. Auch ein Duett Gesang/Gitarre wie in „Money Lender“ haben wir (zumindest so ähnlich) schon früher in „Strange Kind Of Woman“ gehört, siehe (u.a.) ebenfalls „Made In Japan“. Und paar DEEP PURPLE-Klassiker gibt es dann auch noch zu bestaunen. Zu „bestaunen“ deshalb, weil sie hier in Versionen gespielt werden, die sich völlig von den bekannten unterscheiden. So startet „Child In Time“ mit einem Flöten-Intro von Keyboarder Colin Towns, das zunächst beinah Ian Anderson von JETHRO TULL gerecht wird und mit der etwas später einsetzenden Perkussion einen deutlich japanischen Anstrich bekommt, was vom Publikum natürlich entsprechend honoriert wird. Der Song an sich ist nur durch Ians klar ans Original angelehnten Gesang zu erkennen (beim Geschrei trifft er auch in der letzten Steigerung jeden Ton einwandfrei), die Instrumentierung ist völlig anders. Auch das unverwüstliche „Smoke On The Water“ kommt im ganz anderen Gewand daher, so hat sich Gitarrist Ray Fenwick z.B. eine einmalige Variation des markanten Anfangsriffs einfallen lassen… Beide Songs hat man so jedenfalls weder davor noch danach wieder zu hören bekommen. „Woman From Tokyo“ wird hingegen sehr nah am Original dargeboten, ist aber ebenso mitreißend.
Insgesamt beschert „Live At The Budokan“ ein fantastisches Konzerterlebnis mit einer großartig funktionierenden und aufspielenden Band und super Live-Atmosphäre. Den Ruf eines „Klassikers der Rockgeschichte“ hat es vielleicht nicht, aber es ist durchaus ein Album zum Hören, Eintauchen und Genießen.
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"Unsere Größe ist es, daß wir all diese Champions-League-Titel mit einem konkreten Stil, einer Idee und einer Philosophie gewonnen haben. Es war nicht nur lediglich gewinnen, es ging auch um den Stil und die Art und Weise, wie wir gewonnen haben." (Carles Puyol)