Re: Jahressampler 2014 – Die Reviews

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Dr. Jones

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Jahressampler 2014 – SirMetalhead

Ich werde mich an dieser Stelle mit dem Sampler von SirMetalhead auseinandersetzen. Als Vorabinformation, der Sampler ist in vier Blöcke aufgeteilt, welche die vier Jahreszeiten repräsentieren sollen. Kommt bekannt vor, was auch kein Wunder ist, denn Bibsch und Kältetod hatten dieses Jahr ein Battle mit demselben Prinzip. Das erste Überfliegen der Tracklist offenbart mir eine Ansammlung von Black, Folk, und Pagan Metal-Songs, dessen Interpreten mir größtenteils vom Namen her bekannt sind. Die Stücke hingegen sind mir gänzlich neu, weshalb ich mich unvoreingenommen in dieses Abenteuer stürzen kann.

Frühling I: Abinchova – Handgeschrieben

Was vom Namen her klingt, als könnte man seine Pizza damit belegen, entpuppt sich beim Zuhören als aufgekratzter, melodielastiger Folk Metal. Die Band kennt kein Erbarmen und lässt die volle Dosis Euphorie in Form von penetrant fiedelnden Geigen und munter preschenden Heavy Metal-Leads auf den ahnungslosen Hörer los, der eigentlich nur ein wenig Frühlingsidylle genießen wollte. Aber Zuckerbrot ist nicht genug, als zornige Metal-Band muss ein bisschen Peitsche natürlich auch dabei sein. Also gibt es noch ein paar Stakkato-Riffs und kehlige Keif-Vocals obendrauf, um den Steckkasten-Folk Metal abzurunden. Der Paganfest-Erstbesucher wird entzückt sein und stolz seine ersten Zotteln hin- und herwedeln, während die Typen, die nur wegen Moonsorrow den Weg auf sich genommen haben, sich ärgern, dass sie nicht in den Zug eine Stunde später gestiegen sind und jetzt diesen bierseligen Kirmeskokolores ertragen müssen.
Die Band malträtiert jedoch nicht nur meine Nerven, sondern auch meine Lachmuskeln. Die Bridge mit sich überschlagendem und rausgepresstem Klargesang und noch irgendwie reingemogelter Trällerelse ist einfach nur herrlich komisch. Dass man durch die deutschen Texte die peinlichen Floskeln auch noch versteht, macht den Song natürlich nicht besser.
1/10

Frühling II: Arkona – Зарождение

Die Truppe um Frontfrau Masha „Scream“ ist mir natürlich bekannt, während meiner Folk/Pagan-Phase habe ich die auch hin und wieder laufen lassen. Trotzdem mutet dieser Song ziemlich ungewohnt an, denn so verkopft, wie Arkona sich hier präsentieren, hatte ich sie gar nicht in Erinnerung. Ich habe das Gefühl, die Band versuche auf Teufel komm raus progressiv zu klingen. Leider funktioniert das weniger gut, denn die Band überfrachtet den Song einfach zu sehr, sodass am Ende zwar ein abwechslungsreicher aber völlig inhomogener Track bleibt. Die folkloristischen Gesänge und Spielweisen sind an sich gar nicht schlecht gemacht, nur werden diese mit stumpf groovenden Metal-Riffs, sowie unpassenden Synthesizer-Effekten wie aus einer Mystery-Sendung garniert. Auch das Intro, welches aus Mönchgesängen und schwirrendem Keyboard-Geklimper besteht, reiht sich da nahtlos ein.
Am besten gefällt mir der Song, wenn Arkona auf vorhersehbare Metal-Riffs verzichten und stattdessen mit flächigen Instrumentalpassagen und hymnischen Gesängen arbeiten, wie etwa im Mittelteil. Aber insgesamt ist mir dieser Song einfach zu sehr gewollt und nicht gekonnt.
4/10

Frühling III: The Committee – Power Through Unity

Neulich im Besprechungsraum:
Sänger: „Okay Jungs, wir brauchen Ideen für unseren neuen Song Power Through Unity.“
Drummer: „Power Through Unity? Ist das nicht ein bisschen plakativ?“
S.: „Wir müssen halt eine Bindung zu all den Black Metal-Fans da draußen aufbauen. Die fühlen sich in ihrer Außenseiterrolle durch solche Phrasen einfach besser verstanden.“
Gitarrist: „Das macht Sinn. Also ich habe auf meinem Smartphone ein paar Riffs zwischen Helheim-Epik und Burzum eingesungen. Soll ich die mal kurz vorspielen?“ holt Smartphone aus der Tasche
S.: „Ne, lass mal. Wenn du was hast, dann reicht mir das schon.“ G. Steckt das Smartphone wieder ein.
D.: „Ja, gut, ich denke mal, dass ich einfach dasselbe wie immer spiele, oder? Die Doublebass-Maschine in Gang setzen und hin und wieder die Becken scheppern lassen.“
S.: „So wird ein Schuh draus. Ich grummel dann wieder ein wenig in mein Mikro und den Text bastel ich nachher im Bus zusammen. Sieht so aus, als hätten wir den Song beisammen, Männers!“
Bassist: „Wer will ein belegtes Brötchen?“
2/10

Der Frühling hat mich leider nicht wirklich abgeholt, aber ich bin auch nicht gerade die Art Mensch, die durch blumige Wiesen tollt und versucht Schmetterlinge zu erhaschen. Hoffen wir mal, dass mich der Sommer in einen strahlenden Wonneproppen verwandeln wird und der Sir sich nicht von meiner negativen Meinung herunterziehen lassen muss.

Sommer I: Falconer – There’s a Crow on the Barrow

Ah, der Sommer. Jetski fahren und Eis essen. Fitness am Strand. Krähen auf Grabhügeln. Der Sommer hat so viele Facetten und mit dem richtigen Soundtrack macht es auch richtig Spaß diese auszukosten. Von Falconer habe ich auch einige Alben im Schrank stehen, allerdings habe ich die Band wegen geschmacklicher Entwicklungen aus den Augen verloren. Im Grunde machen Falconer nicht viel verkehrt, denn ihr Mix aus zackigem Power Metal, folkinspirierten Leads und jubilierendem Klargesang weckt durchaus Glückshormone und sommerliche Gefühle. Dazu ist der Sound unverwechselbar, denn die Gitarrenarbeit ist sehr charakteristisch und auch der Sänger, der ehemals in der schwedischen Staatsoper tätig gewesen ist (korrigiere mich, falls ich falsch liegen sollte), hat durch seine helle, klingende Klangfarbe ein sehr markantes Stimmorgan. Ankreiden könnte man zwar, dass die Stimme für meinen Geschmack ein wenig unter den Gitarren versinkt und die Band eigentlich nur ihren gewohnten Stiefel runterspielt und neue Ansätze im Sound vermissen lässt. Trotzdem kann ich diese Band empfehlen, sofern man auf außergewöhnlichen Power Metal steht. Mir ist das mittlerweile leider zu traditionell.
6/10

Sommer II: Alvenrad – Woudakoestiek

Alvenrad spielen wohl das, was ich als lupenreinen Folk Metal bezeichnen würde. Und dabei sind sie die wohl holländischste Band, die ich jemals gehört habe. Vor meinem inneren Auge sehe ich die Jungs auf riesigen Käserädern durch grüne Wiesen voller Windmühlen rollen, während sie in Holzpantoffeln lustige Tänze aufführen und Tulpen vom Himmel regnen. Liest sich gruselig, klingt auch so. Kauzige Gesangslinien, mehrstimmige Gesänge, urige Melodien und von der Atmosphäre her rustikales Lokalkolorit. Das sind alles klassische Folk Metal-Charakteristika, die man einfach mögen muss, damit die Musik klappt. Für mich ist das Hören solcher Songs ziemlich strapazenreich, ähnlich eines Zirkusbesuchs mit schlechter Laune oder dem Genuss einer Mario Barth-Sendung. Man kriegt Humor aufgezwungen, von dem man von vornherein weiß, dass er die eigene Miesepetrigkeit einer Folter unterziehen wird.
Allerdings gibt es auch ein paar Lichtblicke, denn einige der Keyboard-Effekte sind ziemlich spaßig, insbesondere der Orgel-Tune. Und wahrscheinlich sind die Jungs privat auch super sympathisch, man merkt nämlich, dass die Band eher ein „Just-for-fun“-Ding ist und sie das Ganze mit einem leichten Augenzwinkern sehen.
3/10

Sommer III: Sammath – Through Filth And The Remains Of Man

Da pflückt man sich gerade die letzte Tulpe aus den Haaren und wird urplötzlich von ganz und gar nicht sonniger Musik übermannt. Sammath stellen auf diesem Sampler wohl das sommerliche Unwetter dar, und mal ganz ehrlich, davon gab es dieses Jahr wahrscheinlich mehr, als vom richtigen Sommer.
Für Ein Gewitter macht sich dieser Track dafür richtig gut, denn Sammath lassen ihr chaotisches und dissonantes Black Metal-Gebräu mit gnadenloser Rasanz in die Gehörgänge einschlagen. Die Band hat ein gutes Händchen für dynamisches Songwriting, denn trotz der stilistischen Limitierung brodeln die Riffs als ständige Gestaltenwandler unheilvoll und verstörend vor sich hin und das Tempo wird wellenförmig variiert, wodurch der Eintönigkeit effektiv entgegengewirkt wird. Auch das Drumming verzichtet auf Stillstand und verpasst gezielte Kinnhaken während rauschartiger Knüppelpassagen. Der Gesang ist zwar nicht außergewöhnlich, aber insgesamt passend und durch seine Kompromisslosigkeit und Verstörtheit ein zwingendes Element im Exzess manischer Raserei.
8/10

Sommer IV: Faanefjell – Til Kamp

Wow, es gibt nicht viele Songs, die es schaffen in den ersten Sekunden Hoffnungen zu wecken und sie nur ein paar Augenblicke später wieder zunichte zu machen. Das erste Riff erinnert noch an epischere Vertreter des Pagan Metals, bevor mit dem Einsetzen des Gesangs die totale Belanglosigkeit Einzug hält. Stumpfsinniges Gekeife, das trollig anmuten soll, schunkelige Chöre und eintöniges Geschrubbe auf den tiefen Gitarren-Saiten dominieren das Geschehen, während das Keyboard ein bisschen Kleister über das Geschehen verschüttet. Spätestens sobald der Keyboarder die „Halle des Bergkönigs“-Melodie runterklimpert, offenbart sich einem die totale Ideenlosigkeit dieser Kaspertruppe. Das Gleiche haben Vintersorg auf „För kung och Fosterland“ von „Till Fjälls“ übrigens auch gemacht, aber da war die Adaption wenigstens thematisch passend und geschickter eingebunden.
Faanefjell versuchen zwar Abwechslung ins Spiel zu bringen und den Song durch viele Keyboard-Spielereien und ein Gitarrensolo aufzuhübschen, aber dabei vergessen sie, auf eigene Ideen zu setzen und einen markanteren eigenen Sound zu kreieren, weshalb sie sich selbst in die Bedeutungslosigkeit abschieben. Und im Gegensatz zu Alvenrad versprühen sie auch nicht eine Nuance Charme. Kann man vergessen.
1/10

Fazit des Sommers: Zweimal zuhause bleiben und traurig die Regentropfen auf der Fensterscheibe anstarren, ein befriedigendes Match Tennis und einmal Strandbesuch mit Cocktails. Also quasi wie der echte Sommer. Voraussage für den Herbst: Laubwogen und Hagelstürme.

Herbst I: Einherjer – Hammer I Kors

Einherjer aus Norwegen sind in Pagan/Viking Metal-Kreisen quasi Legenden, denn die seit den Neunzigern aktive Band hat das Genre mit Bands wie Bathory, Enslaved und Windir stark beeinflusst und einige essentielle Alben veröffentlicht. Dass die Truppe auch heute noch eines der Zugpferde in diesem Genre darstellt, kann dieser Song souverän beweisen. Der knochig-erdige Sound und die grimmig-marschierenden Riffs erzeugen einen hymnischen, stampfenden Groove, wie es bei einem gelungenen Midtempo-Track in diesem Genre sein muss. Die Band vergisst glücklicherweise nicht, einige Melodien mit der richtigen Dosis Kitsch und Pathos einzuflechten, wodurch diese leicht erhebenden Momente des Kopfkinos entstehen können. Über den Gesang lässt sich streiten, mir ist er ein wenig zu knurrig, aber er ergänzt sich halt auch hervorragend mit dem urigen Sound Einherjers. Als Bonbon lassen die Jungs noch eine Kuhglocke, die sie aus Vatis Stall ergaunert haben, schwingen und lassen mich dadurch ein wenig schmunzeln. Die Kuhglocken-Einsätze wirken auch nicht erzwungen oder wie Fremdkörper, weshalb ich da nichts zu kritisieren habe.
Also insgesamt ein schöner, epischer Midtempo-Stampfer, der Spaß macht.
7/10

Herbst II: Waldgeflüster – Karhunkierros

Deutsche Texte. Ich hasse deutsche Texte. Wenn sich eine Black Metal-Band in schwülstigen Phrasen suhlt, ist es erst recht furchtbar. Waldgeflüster beherrschen diese Disziplin besonders gut, denn ihre postromantischen Texte zwischen Fernweh und Naturmystik verursachen Zahnschmerz bis in die Wurzel. Aber genug über die Lyrik schwadroniert, konzentrieren wir uns mal lieber auf den musikalischen Aspekt. Im Grunde liefert die Band solide Kost ab, arbeitet mit akustischen Momenten, schwirrenden, ineinandergreifenden Melodien und wechselnden Gesangsarten. Allerdings wirkt das ganze Programm auch sehr kalkuliert und runtergespult. Die akustischen Gitarren obligatorische Pflichterfüllung als atmosphärische Black Metal-Band, die Melodien so sehr auf Eingängigkeit und Transzendenz getrimmt, dass es schon wieder fast unbehaglich wird, und der Gesang taumelt von grimmig zu pathetisch. Klar wirkt es jetzt wieder so, als ob ich nur was zum Meckern suche, aber es gibt eben einfach viel stärkere Bands in diesem Segment, die es schaffen, den Kitsch-Morast gekonnt zu umgehen und trotzdem wunderschöne Musik zu hinterlassen. Aber soweit ich weiß, ist das Album mit diesem Song ohnehin nicht stellvertretend für die Diskografie, sollte ich mir also vielleicht die anderen Alben anhören?
4/10

Herbst III: Firtan – Wogen der Trauer

Hossa, das ist aber eine Menge Bombast. Firtan spielen einen Sound, den ich am ehesten als Symphonic Pagan Metal bezeichnen würde. Das heißt, viele Keyboard-Orchestrationen, viele Chöre und gefühlte 200 Schichten, die übereinandergelegt wurden. Tatsächlich funktioniert das alles ziemlich gut, denn man kann dem Song eine gewisse Epik nicht aberkennen, denn der Sound ist ziemlich tight und die Orchestrationen umspielen mal dramatische Gitarren-Leads, in anderen Momenten grooven sie gemeinsam mit stürmischen Rhythmus-Gitarren den Song nach vorn. Die Vocals bewegen sich zwischen geraunten Growls und entfesselten Screams, was heißt, dass es keinen schlechten Klargesang zu hören gibt. Der Song ist in sich sehr stimmig und harmonisch und ich glaube, vor zwei, drei Jahren hätte ich den noch ziemlich abgefeiert, aber mittlerweile ist mir der ganze Pathos und drückende Orchester-Bombast etwas zu viel des Guten und nach dem dritten Hören hatte ich auch schon leichte Kopfschmerzen, weshalb ich hier mal eine neutrale Note verteile.
5/10

Herbst IV: Munarheim – Waldgeflüster

Schon wieder eine Band aus deutschen Landen, die mich mit pseudopoetischen Texten zu ärgern versucht. Immerhin kann man dem Sir zugute halten, dass er sich bemüht, den hiesigen Underground zu unterstützen und diesem Präsenz zu verschaffen. Munarheim spielen eine Mischung aus symphonischem Pagan Metal und Neofolk und setzen hierbei auf eine Wechselwirkung beider Genres. Bei diesem Song gibt es Neofolk-Strophen, die mit einsamer Akustik-Gitarre und gehauchtem Flüstergesang an Dornenreich und deren Neofolk-Songs erinnern und der Refrain weckt mit kehligem Keifgesang und symphonischer Wut eher unschöne Assoziationen Richtung Graveworm und Konsorten, was ich ja gar nicht leiden kann. Was mir schon wieder unangenehm auffällt sind diverse Elemente, die nicht recht in den Sound passen wollen, wie etwa das „Irgendwo-in-Katalonien“-Intro, wo nur die Kastagnetten fehlen, oder die Mosh-Riffs nach dem Refrain. Aber auch einige getragene Keyboard-Melodien sind arg kitschig und over the top, aber das gehört zu dieser Musik ja irgendwie dazu, dass man alles mit „epischen“ Melodien zukleistert. Manchmal ist weniger einfach mehr und das beweisen Munarheim eindrucksvoll, indem sie zu viele Elemente unter einen Hut bringen wollen und dabei gnadenlos scheitern.
3/10

Der Herbst überrascht wie gewohnt mit unvorhersehbaren Wetterlagen und Unwetterwarnugen. Insgesamt zwar kein Katastrophenalarm, aber leider auch keine wohlige Herbstmelancholie. Hoffen wir mal, dass der Winter mich behaglich in meine Kuscheldecke einmummeln lässt.

Winter I: Belphegor – Lucifer, Take Her!

Belphegor ist eine dieser Black Metal-Bands, die man besser nicht zu ernst nehmen sollte. Image und Texte pendeln irgendwo zwischen blutrünstigem Satanskult und Sadomaso, musikalisch wird passend dazu das Fleischerbeil geschwungen und die Kettensäge zum Schnurren gebracht. Mir fällt es immer schwer einzuschätzen, wie viel Selbstironie dahinter steckt, aber ich gehe mal davon aus, dass die Band keine in Stacheldraht eingewickelten Jungfrauen im Keller beherbergt.
In meiner Erinnerung hatte ich Belphegor etwas knüppliger und blastgesteuerter abgespeichert, hier variieren sie aber das Tempo und nutzen größtenteils das Midtempo und infernalische Melodien. Natürlich gibt es dennoch einige Passagen, die mit Blastbeats unterlegt wurden, man muss seinen Trademarks ja treu bleiben. Helmuth hat seine OP anscheinend gut überstanden, denn er kotzt und giftet auch hier in gewohnter Manier seine Hasstiraden ins Mikro. Im Grunde bietet der Song eigentlich das, was man von der Band erwartet in etwas weniger hektisch, also kurzweiligen Death/Black Metal, der keinem wehtut, aber auch nicht sonderlich Eindruck hinterlässt. Reicht, um sich auf dem Pausenhof mit Stöpseln im Ohr rebellisch von den ignoranten Mitschülern abzugrenzen und zu demonstrieren, was für ein harter Bursche man doch ist. Mir ist das aber zu klischeeüberladen und stumpf.
4/10

Winter II: Entartung – Faith on the Scaffold

Nachdem Belphegor also den Knüppel aus dem Sack gelassen haben, bescheren uns Entartung für Genre-Verhältnisse geradezu besinnliche Black Metal-Kost. Zwar ist der Sound sehr ursprünglich gehalten und die Grundstimmung ist auch eine aggressive, aber dennoch schafft es dieser Song durch seine frostig-stürmische Atmosphäre eine hypnotische Sogwirkung zu entfalten. Winterlich ausgedrückt: die Schneeflocken zerschneiden nicht wie Nadeln die Gesichtshaut, sondern wirbeln ungezähmt am Körper entlang uns setzen sich sacht im Haar fest. Durch die zackigen, epischen Melodien und das entfesselte Drumming wird tatsächlich das Gefühl vermittelt, hier werde ein Schneesturm vertont. Zwar klingt der Sänger teilweise, als hätte er sich die Zunge am Kaffee verbrüht und insgesamt sind mir die Vocals auch zu traditionell, aber das gehört auch hier irgendwie dazu. Applaus gibt es von mir für das NwoBHMesque Bass-Solo im Mittelteil, das den Song gelungen abrundet. Das offene Ende hat mich dann auch tatsächlich neugierig gemacht, ob die Band an diesen Song anknüpfen kann und das spricht ja schon mal für die Künstler.
7/10

Winter III: Rimruna – Winters Macht

Rimruna setzen quasi dort an, wo Entartung aufgehört haben. Allerdings nicht qualitativ, denn wo letztere atmosphärisch noch wohlige Schauer über den Rücken laufen lassen konnten, sägen Rimruna die Eiszapfen mit dissonanten und panischen Riffs von ihrem Sound ab und schießen mit programmiertem Chaos ein wenig über das Ziel hinaus. Zwar ist der Song sehr abwechslungsreich und nie im Stillstand, aber viele der Riffs wirken irgendwie ziellos und krampfhaft vom Griffbrett gehackt. Der Song fließt also nicht wie eine Schneewoge, die durch die Straßen gleitet, dahin, sondern rumpelt eher willkürlich wie eine Schneelawine vom Dach. Zudem versucht die Band, melodisch Akzente zu setzen, allerdings gehen diese schnell unter und können nicht für Wiedererkennungswert sorgen. Die ruhigeren Momente mit einsam wandernder Gitarre gefallen mir hingegen sehr gut, dort schafft die Band es nämlich, emotional mitzunehmen. Sobald die Black Metal-Machinerie wieder angeworfen wird, versinken Rimruna leider in erneuter Gleichgültigkeit.
4/10

Winter IV: Nasheim – Jag fyller min bägare med tomhet

Auf Nasheim habe ich mich schon am meisten gefreut, denn obwohl ich es mir bestimmt dutzend Mal vorgenommen habe, endlich in das Album reinzuhören, habe ich bis zum Sampler des Sirs noch keinen Ton davon gehört. Ich habe schon erwartet, dass mir der Song zusagen wird, dass Nasheim aber so steil aus der Kurve preschen und mir einen echten Kracher servieren, habe ich nicht kommen sehen. Nasheim trumpfen mit einer Leidenschaft und Dringlichkeit auf, dass einem schwindelig werden kann. Während im Hintergrund bedrohlich die Gitarrenwände wabern und rauschen, stoßen einen erbarmungslos die Rhythmusgitarren immer tiefer in den Strudel hinein. Die Vocals schwirren wie Schatten in diesem umher und nehmen mit Verlauf schon spirituelle Ausmaße an. Beim Lauschen dieses Songs hat man das Gefühl einem Ritual beizuwohnen, der Erschaffung von etwas Großem, das in seiner Undefinierbarkeit unglaublich faszinierend und beängstigend zugleich ist. Während ich hilflos die Ohren und Augen aufreiße, spielen sich Nasheim immer weiter in einen Rausch, verzaubern mit post-rockiger und tränentreibender Anmut, verdammen mit entrückten Vocals und lassen mich in einem Wirbel aus diffusen Gitarrenblitzen und klagenden Stimmen im immerwährendem Schwarz eintauchen. Ganz groß.
10/10

Der Winter beendet also mit einem Grande Finale diesen Sampler und konnte mich mit zwei Ausnahmen tatsächlich in winterliche Wunderwelten mitnehmen.
Ich bedanke mich an dieser Stelle beim Sir, der einen schönen Sampler zusammengestellt hat, welcher zwar größtenteils an meinem Geschmack vorbeigegangen ist, jedoch einen guten Einblick in die musikalische Welt des SirMetalheads geliefert hat. Die großen Sieger sind ganz klar Nasheim, die hier einen perfekten Black Metal-Song abgeliefert haben, aber auch Einherjer, Sammath und Entartung konnten mit gutem Songwriting überzeugen. Bonus-Punkte gibt es auch dafür, dass du die Verrisse auf die leichte Schulter nehmen kannst und mein Dilemma hier verstehst. Eigentlich tat es mir ja schon leid, deinen Sampler hier so abzufertigen, da du ja keiner Menschenseele was antust. Spaß hat das Schreiben natürlich trotzdem gemacht und vielleicht darfst du ja das nächste Mal ein paar zornige Zeilen über meinen Sampler verfassen.