Re: Jahressampler 2014 – Die Reviews

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InFiction

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Nachdem Tenalach kurzfristig ausgeschieden ist, wird mir nun also die Ehre zuteil, den Sampler von Gekochtes für Tiere zu bearbeiten. Ein erster flüchtiger Blick auf die Playlist zeigt, dass mir gut die Hälfte bereits bekannt ist.Darunter einige der Enttäuschungen des Jahres und vermeintliche Highlights, zu welchen ich mir bisher bewusst eine Meinungsäußerung verkniffen habe. Ergänzend finden sich Bands, die mir schlicht unbekannt sind und solche, um die ich bisher bewusst stets einen großen Bogen gemacht habe. Alles in allem also eine durchaus interessante Mischung, die hoffentlich die ein oder andere positive Überraschung birgt und deren nachfolgende Beurteilungen teils bewusst überspitzt und daher mit einem gewissen Augenzwinkern zu verstehen sind.

Teil 1

01. Dornenreich – Im ersten aller Spiele

Den Anfang macht das österreichische Trio von Dornenreich. Eine kurze Recherche und einen ersten Hördurchlauf später lässt sich konstatieren: von den einst vorhandenen Black-Metal-Einflüssen ist nicht mehr viel zu spüren. Stattdessen bestimmen akustische Gitarren, deutscher Sprechgesang und eigenwillige Violinen-Melodien das sehr aufgeräumte Klangbild, das Assoziationen an ein düsteres Wiegenlied weckt. Müsste man das Ganze in eine stilistische Schublade stecken, so läge man mit folkig angehauchtem Singer/Songwriter vermutlich nicht all zu weit daneben. Positiv hervorzuheben ist das omnipräsente Bemühen um Dynamik. Immer wieder nimmt man Tempo auf und steigert die Intensität, nur um kurz darauf in melancholische Introvertiertheit zurückzukehren, stets kreisend um die auf deren Essenz reduzierten Motive. Erfreulich ist auch die stimmige Integration der stimmlichen Darbietung, die unaufdringlich agiert, ohne in pathetischen Kitsch abzudriften. Einziges Manko ist die Spielzeit, die mit knapp 5 Minuten deutlich zulang anberaumt ist. Denn eigentlich ist bereits nach der Hälfte dessen alles gesagt.
5/10

02. Laibach – The Whistleblowers

Nachdem Dornenreich einen unerwartet positiven Eindruck hinterlassen haben, folgt mit Laibach nun das befürchtete vertonte Grauen. Eine gepfiffene und mit Hall versehene Melodie samt treibender Marsch-Snare verspricht Folklore im Alpenpanorama, ehe fürchterlich unstimmige Kirmes-Keyboards die Stimmung in eine gänzlich absurde Landarzt-Atmosphäre kippen lassen. Auf eine seltsam verstörende Art und Weise fühlt man sich an „Im Frühtau zu Berge“ erinnert. Gesanglich variiert man zwischen von Whisky und Zigarren malträtierten Strophen und hymnischen Chören im Schunkel-Refrain. Musikantenstadl trifft auf soundästhetische Inkontinenz. Das wirklich Schlimme daran ist allerdings, dass man sich nach dem dritten bis vierten Rundgang tatsächlich dabei erwischt, eine eigene Pfeif-Performance darzubieten, die qualitativ tatsächlich einen neuen Tiefpunkt zumarkieren vermag. Womöglich bedarf es hier schlicht dem ein oder anderen Dutzend Hochprozentigem, um gestärkt von einem amtlichen Promille-Fundament Arm in Arm auch stimmlich lauthals einstimmen und „The Whistleblowers“ gebührend würdigen zu können. Nüchtern betrachtet ist ein auch weiterhin großer Bogen um Laibach allerdings deutlich wahrscheinlicher.
2/10

03. Primordial – Where Greater Men Have Fallen

Nun kommen wir zu Primordial, deren neuster und insgesamt achter Longplayer auf diesem Sampler in Form des Titeltracks vertreten ist. Eines der Alben, das hier im Forum gefühlt mit Lorbeeren nur so überschüttet wurde. Im entsprechenden Thread habe ich mich auf das Mitlesen beschränkt – nicht grundlos. Geboten werden 8 Minuten dessen, was ich spontan in der Schnittmenge aus Pagan und atmosphärischem Black Metal verorten würde. Besonders ersteres gehört nun wirklich nicht zu meinen Steckenpferden. Dass die Herren ihr Handwerk verstehen lässt sich jedoch nicht abstreiten. Und obwohl bereits einige, mit kläglichem Scheitern verbundene Versuche, mit Band und Album warum zu werden, hinter mir liegen, muss ich gestehen, dass nach dieser erneuten, gezwungener Maßen erfolgten, Auseinandersetzung der Funke langsam überzuspringen scheint. Zwar würde ich persönliche eine rein instrumentale Version klar bevorzugen, doch irgendwann gelingt es bestimmt, sich auch diesen Gesangsstil schönzuhören. Etwas schade ist die sehr geradlinige bis eindimensionale Darbietung von Drummer Simon O’Laoghaire, der sich in gezügeltem Midtempo hörbar heimisch fühlt. Das ändert auch die ein oder andere im etwas unvorteilhaften Mix versumpfende Doublebass-Einlage nicht, was den Track unnötig langatmig wirken lässt. Eines steht jedoch fest: das Album wird nach dieser positiven Entwicklung zumindest eine weitere Chance erhalten, was gemessen an der Ausgangslage als mehr als amtlicher Erfolg einzuschätzen ist.
7/10

04. Broilers – Nur nach vorne gehen

Hier ist mir lediglich der Name ein Begriff. Bereits die ersten Sekunden machen klar warum. Deutschsprachige Punk-Wurzeln erscheinen in auf Hochglanz poliertem Radio-Konsens-Gewandt.
Rezensionen sprechen von einem“erwachsenen“ Sound. Aufmerksame Leser erkennen die häufig als schönfärbende Vokabel der mit Mainstream-Orientierung synonym verwendeten Begrifflichkeit und lassen die Finger davon. Für eine eigene Einschätzung fehlt mir die Vorkenntnis über die fünf vorangegangenen Alben der Düsseldorfer. Der Fokus der Komposition liegt klar auf lyrischer Ebene, denn instrumental wird lediglich uninspiriertes Akkord-Geschrubbe geboten, das allerdings durch geschickte Arrangements verblüffend gut in Szene gesetzt wird. Aber wer braucht schon frische Ideen und wirklich spannendes Songwriting, wenn eine durchaus charismatische Stimme zum Mitsingen animiert und alle anderen Instrumente zu einem hintergründigen Rhythmus-Brei verkommen lässt? Unterm Strich scheint der Erfolg dem Quintett Recht zu geben, denn wie wenn nicht durch pure Qualität wäre ein Artikel auf Bild.de über das Erreichen der Spitzenposition der „Chartstürmer“ zu erklären? In diesem Sinne schließe ich mit der wie immer hervorragend gewählten Headline eben jenes Aushängeschilds journalistischer Güteklasse: „Wer oder was sind die Broilers?“ Jedenfalls nicht meine Baustelle.
4/10

05. Fäulnis – Weil wegen Verachtung

Titel des Samplers bis hierhin könnte ohne Zweifel „Man spricht deutsch“ sein. Denn auch wenn der Albumtitel „Snuff || Hiroshima“ es nicht zwingend vermuten lässt, so frönen auch Fäulnis der deutschen Sprache. Nicht ungewöhnlich für Black Metal, aber auch nicht immer vorteilhaft. „Diese Tage an denen du aufwachst, aus dem Bett kriechst und vor die Tür gehst, den Duft riechst, von Blumen […]“. Da hat wohl ein griesgrämiger Teenager mit Akne überdeckendem Corpsepaint eine unbequeme Nacht auf seinem Nietengürtel verbracht und ist zu allem Überfluss mit dem falschen Fuß aufgestanden. Sicher, die Zeilen sind etwas aus dem Kontext gerissen, aber veranschaulichen dennoch, welch unfreiwillige Komik ein etwas unbeholfener Umgang mit verständlicher Lyrik bergen kann. Doch kommen wir zur eigentlichen Musik. Melodisch angehauchte Akkordarbeit trifft auf surrende Schwarmgitarren, rhythmisch nicht immer zu 100-Prozent sattelfeste Rhythmik auf um Abwechslung bemühtes Riffing. Positiv fällt auf, dass man ungezwungen den Spagat zwischen einer authentischen Live-Atmosphäre und angenehm differenziertem Sound meistert. Das mag dem Puristen zu glatt sein und dem Hi-Fi-Enthusiasten zu räudig – für Fäulnis funktioniert diese Mischung jedoch hervorragend. Alles in allem nichts Herausragendes, aber guter Durchschnitt.
5/10

Teil 2

06. Kall – Försök till förstörelse

Kommen wir zur ersten Band, die mir in keinster Weise bekannt ist. Hinter Kall verbergen sich scheinbar die Überreste von Lifelover. Eine Information, die mir nicht sonderlich weiterhilft. Ist das ernsthaft eine reguläre Aufnahme? Der Sound unterbietet mal eben locker eine Vielzahl an Proberaummitschnitten noch so oldschool-orientierter Rumpel-Fetisch-Kombos. Ernsthaft, da lassen sich mit meinem Handy bessere Produktionen zaubern. Dabei erstreckt sich über knapp 13 Minuten eine Vielzahl interessanter Elemente, deren intendierte Wirkung sich aber maximal erahnen lässt, da die desaströs schlechte Klangqualität jeden noch so kleinen Funken Atmosphäre im Keim erstickt, sobald eine Gitarre mit Strom versorgt wird. Und ich schreibe dies mir äußerstem Bedauern, denn die akustischen Momente wissen absolut zu begeistern! Besonders der fast schon jazzige Mittelteil ist dermaßen gelungen, dass es eine Schande ist, dass derlei hochkarätiges Songmaterial im nächsten Atemzug so verhunzt wird, dass man beinahe Angst um seine Musikanlage hat. Ich enthalte mich daher an dieser Stelle einer Wertung.
-/10

07. Harakiri For The Sky – Jhator

Mehr Black Metal. Im krassen Kontrast zum vorangegangen Track klingen Harakiri For The Sky fast schon modern und äußerst differenziert. Das Hauptaugenmerk liegt dabei weniger auf tiefschwarzer Atmosphäre denn auf opulenten Melodien. Bandcamp spricht von einer österreichischen „black metal/post-rock band“. Ist der Track repräsentativ für das restliche Material der Truppe? Denn nach Post Rock klingt hier beim besten Willen gar nichts. Stattdessen setzt es unentwegt Doublebass, Blast Beats, flirrende Gitarren und haufenweise Melodien. Insgesamt übertreibt man es – gerade gegen Ende – für meinen Geschmack mit dem dargebotenen Pathos. Black Metal mit zu viel Zuckerguss wenn man so will, der mich leider nicht im geringsten berührt und zu dem mir beim besten Willen auch nicht mehr einfällt.
5/10

08. Slipknot – Custer

Über die Produktion des neuen Slipknot Albums habe ich mich bereits ausgiebig ausgelassen, daher spare ich mir das. Repräsentativ für „.5: The Gray Chapter“ findet sich nun also der bereits live erprobte und beim letztjährigen Knotfest präsentierte Song „Custer“ auf diesem Sampler. Keine schlechte Wahl, atmet der Track doch – ähnlich dem vorab veröffentlichten „The Negative One“ – am ehesten die im Vorfeld versprochenen Iowa-Einflüsse in Form der einst so prägnanten stampfenden und perkussiv verstärkten Groove-Attacken, während Corey Taylor so angriffslustig klingt wie lange nicht mehr. Ich kann durchaus nachvollziehen, wieso das neue Material seine Anhänger finden konnte. Setzt man jedoch die angestaubte Nostalgie-Brille ab, so bleibt nüchtern betrachtet unterm Strich eine zu langatmig ausfallende Ansammlung ausgelutschten Ideen-Recyclings. Die Zeiten der ungezügelten Energie und des mitreißenden Chaos‘ sind ebenso Geschichte wie das, was nach „Vol. 3…“ hätte kommen können und stattdessen in (Nomen est omen) „All Hope Is Gone“ mündete. Manch verbitterter Fan der ersten Stunde lies verlauten, die Band sei mit Bassist Paul Gray, der laut Band wohl einer der wichtigsten Songwriter des neunköpfigen Kollektivs war, gestorben. Und ob man sich das nun eingestehen möchte oder nicht, so ganz unrecht hat er damit nicht.
6/10

09. Morrissey – Staircase At The University

Eine Pfeife, die an den Karneval in Rio erinnert, Synthie-Teppiche, Streicher, Dance-Beats, effektbeladene Gitarren, Bläser, ein herrlich transparenter wie melodiöser Bass, Handclaps und gen Ende gar eine Flamenco-Gitarre – die Ingredienzien dieses gefühlt im Indie-Rock verwurzelten Stilgebräus sind wahrlich vielfältig. Und doch steht im Mittelpunkt ein anderer: Morrisey, seines Zeichens britischer Künstler und ehemaliges Mitglied der Smiths, dessen Stimme auch in dieser Klangfülle stets mühelos die Oberhand behält und seine Message verbreitet. Lyrisch scheint es, der vermeintlich positiven Grundstimmung zum trotz, um eine Studentin zu gehen, die unter dem Leistungsdruck ihrer akademischen Laufbahn zusammenbricht und den Freitod wählt. Von Anfang bis Ende höchst eigenwillig. Doch ist der erste Schock dieses bisweilen etwas überfrachteten Songs erst einmal verdaut, so vermag sich dessen Güte von Mal zu Mal mehr zu offenbaren. Die erste handfeste und äußerst positive Überraschung!
8/10

10. Lantlôs – Melting Sun I_ Azure Chimes

Mein erster – und Gott weiß warum bisher letzter – Kontakt mit Lantlôs liegt bereits einige Jahr zurück. Auf „.neon“ wurde ich zunächst durch das grandiose Artwork aufmerksam. Zumindest eine Konstante, die sich auch vier Jahre später auf „Melting Sun“ wiederfindet. Musikalisch hat man sich scheinbar weitestgehend von den einstigen Post-Black-Metal-Gefilden verabschiedet und lässt verstärkt Shoegaze-Einflüsse hervortreten. Auch der damals noch präsente schwarzmetallische Gesang scheint, ebenso wie dessen Ursprung Neige (Stéphane Paut), gänzlich den cleanen Vocals von Markus Siegenhort gewichen zu sein. Trotz dieser Trennung der beiden einstigen Hauptakteure wird man das Gefühl nicht los, dass Lantlôs und Alcest – nun unabhängig – eine ähnliche Entwicklung vollzogen haben. In beiden Fällen nicht zum schlechteren wie ich finde. Doch zurück zum eigentlichen Song. Nach ruhigem Beginn solistischer Gitarren-Klänge zeichnen flirrende Saiten weiche Melodiebögen, während die Rhythmusfraktion in gemächlichem Tempo bisweilen fast schon doomige Züge annimmt und sich auch bis zum Ende allem oberhalb der Midtempo-Grenze verweigert. Zwischendurch darf es dann auch ruhig ein wenig grooven, ehe erneut steile Soundwände hochgezogen werden und das Panorama füllen. Klares Highlight des Samplers bisher. Diesmal wird es keine weiteren vier Jahre bis zum nächsten Kontakt mit der Band benötigen, das ist sicher.
9/10

Teil 3

11. Opeth – Cusp Of Eternity

Eines direkt vorneweg: ab jetzt kommt nichts mehr Neues. Den Anfang von Runde drei machen Opeth mit „Cusp Of Eternity“ von ihrem neuen Album „Pale Communion“, dem Nachfolger zum heiß diskutierten „Heritage“. Die Marschrichtung bleibt die gleiche: Progressiver Rock im Retro-Gewandt der 70er Jahre mit zahlreichen Reminiszenzen an alte Größen, von Led Zeppelin über Genesis bis hin zu King Crimson. Nun muss ich dazusagen, dass mich die Band noch nie wirklich erreicht hat. Doch die 2011 neu eingeschlagene Ausrichtung weiß mich mehr zu begeistern als vermeintliche vorangegangene Großtaten. Während „Heritage“ noch ein wenig unbeholfen erste Gehversuche wagte und mehr als einmal gehörig ins Stolpern geriet, klingt „Pale Communion“ bereits deutlich ausgereifter, ausgefeilter und schlicht kompakter. Auch wenn die letzte Rotation des Longplayers bereits einige Monate zurückliegt, so habe ich „Cusp Of Eternity“ doch als eine der energischeren Nummern im Erinnerung. Und in der Tat, hier darf nicht nur heiter geprogt werden, sondern auch mal eine – wenn auch gezügelte – Doublebass das Tempo anziehen. Lediglich mit den „Ahhh-ahh-ahhhhhhh“-Vocals von Herrn Åkerfeldt werde ich auch heute noch nicht so recht warm. Aus meiner Sicht nicht unbedingt der geeignetste Track, um einem Band und Album schmackhaft zu machen, doch sicher alles andere als schlecht. Ich für meinen Teil bin jedenfalls gespannt, was die Herren stilistisch als nächstes aus dem Hut zaubern.
7/10

12. Sólstafir – Miðdegi

Kurze Vorgeschichte:
Erster Kontakt mit der Band: Svartir Sander. Eindruck: Irrelevant bis grausam.
Zweiter Kontakt: Live. Eindruck: Noch schlimmer als auf Platte. Beinahe unbeholfen und nahe an der Schmerzgrenze. Zum Glück nur Vorband.
Dritter und bisher letzter Kontakt: Ótta. Eindruck: Unverändert. Weiterhin Unverständnis.
Für mich persönlich eine der Bands, die lediglich von dem – worin auch immer begründeten – Hype lebt. Vielleicht weil es Isländer sind und damit selbst in einer globalisierten Musikwelt gewissermaßen Exoten? Vielleicht weil der Herr an der Gitarre live original aussah wie Crocodile Dundee und ebenso unbeholfen seinem neuartigen Hexenwerk von Instrument Klänge zu entlocken versuchte? Es bleibt mir schleierhaft. Musikalisch eigen – keine Frage – aber deswegen noch lange nicht gut. Gesanglich unterirdisch. Atmosphäre? Nicht vorhanden. Ich höre schon jetzt die entsetzten Fanscharen und drum belasse ich es dabei, ohne mich weiter in Rage zu schreiben. Auch hier gibt es einen guten Grund, weshalb ich mich in entsprechenden Konversationen stets in Zurückhaltung übe. Drum möchte ich das Fazit versöhnlich gestalten: Sólstafir spielen Post Rock für Leute, die keinen Post Rock mögen. Ich aber mag das Genre.
2/10

13. Trailerpark – Falsche Band

Wenn Not am Mann ist, kann ich meine Schwester nicht ***** – das Schicksal eines Einzelkindes. Drum müsste laut Alligatoah Trailerpark die falsche Band für mich sein. Falsch gedacht. „Crackstreet Boys 2“ findet immer mal wieder den Weg in die Anlage und wird gehörig abgefeiert. Anders sieht es jedoch mit dem Nachfolger „Crackstreet Boys 3“ aus, der weit weniger gelungen und all zu häufig eine relativ dreiste Selbstkopie darstellt. Denn an der Text-Front hagelt es geradezu Selbstzitate. Und auch das nicht zu leugnende Gesangstalent von Alligatoah, der das Quartett seit dessen Einstieg hörbar bereichert, ist nach der zwanzigsten Hook nach Schema F irgendwann mal überreizt. Für sich genommen geht „Falsche Band“ jedoch gleichermaßen gut ins Bein wie ins Ohr und macht durchaus Spass, auch wenn die stumpfen Fäkal-, Drogen- und Sexual-Provokationen in ihrer all zu plumpen Art inzwischen etwas – Achtung Wortwitz – ausgelutscht sind. Auf jeden Fall eine angenehme Abwechslung auf diesem Sampler, der neben grimmigem Corpsepaint und Patronengurt auch ein Fünkchen Humor beim Ersteller erahnen lässt. 😉
6/10

14. Behemoth – O Father O Satan O Sun!

Das nächste Album, das viel Lob einheimsen konnte, sich jedoch auf meiner persönlichen Liste der Enttäuschungen des Jahres wiederfindet. Nun muss man aber einschränkend erwähnen, dass Enttäuschungen eine gewisse Erwartungshaltung oder zumindest Hoffnung vorausgeht. Behemoth haben für mich seit jeher als einer der ersten Kontakte mit Black/Death Metal im weitesten Sinne einen besonderen Status. Sei es mit Alben wie „Thelema 6“, „Zos Kia Cultus“, „Demigod“ oder „The Apostasy“, Behemoth gehören nach wie vor zu meinen Favoriten des Genres. Leider kam bereits mit „Evangelion“ dank unhörbar überproduziertem bis beinahe klinischem Sound und lediglich einer handvoll brauchbarer Songs („Ov Fire And The Void“!) der erste richtige Tiefschlag in der Diskographie. (Die ganz frühen Black-Metal-Eskapaden klammere ich an der Stelle mal aus – es sei mir verziehen) „The Satanist“ spielt zwar klanglich glücklicherweise wieder in einer ganz anderen Liga, doch musikalisch wird man das Gefühl nicht los, Nergal und Co. hätte inzwischen alles gesagt. Es ist bezeichnend, dass der einzige Hit des Albums, „Ora Pro Nobis Lucifer“, wie das Neuarrangement bereits zuvor veröffentlichter Versatzstücke klingt. Den Tiefpunkt des Albums markiert hingegen ein anderer Song: „O Father O Satan O Sun“. Fast schon poppig wollen die choralen Elemente des Refrains so gar nicht mit der vermeintlich rohen, dunklen und rituellen Grundstimmung von „The Satanist“ in Einklang gebracht werden. Zum Abschluss zitiere ich mich einfach selbst: „Insgesamt ist „The Satanist“ nach „Evangelion“ ein Schritt in die richtige Richtung. Handwerklich muss man dem Quartett zudem erst mal das Wasser reichen. So ist all das letztlich Jammern auf hohem Niveau, dessen Messlatte die Band einst selbst gesetzt hat.“
5/10

15. Alcest – Délivrance

Leichtfüßig schweben Melodien im Raum, bedächtig erheben sich Schlagzeug und Bass, während Gesang und Gitarren sich komplementär zusammenfügen. Streicher setzen ein und das Tempo zieht leicht an, um direkt wieder abzuflachen. Post Rock trifft auf Shoegaze, dessen träumerische Ästhetik und sanfte Dynamik sich zwischen schwelgerischer Melancholie und hoffnungsvollem Blick gen Horizont bewegt, ohne dabei zu dick aufzutragen und gen Kitsch zu kippen. Die reduzierte Instrumentierung mit einigen wenigen ergänzenden Farbtupfern (die in diesem Fall tatsächlich als solche zu verstehen sind) trägt seinen Teil dazu bei, eben jenen schmalen Grad zwischen Authentizität und Pathos nicht zu verlassen. Einzig einem echten Höhepunkt fehlt es „Délivrance“, welcher sich auf „Shelter“ im direkten Anschluss in Form des finalen Stücks „Into The Waves“ findet. Grundsätzlich scheint mir „Shelter“ – wie so oft in derlei Genres – ohnehin nur im Gesamtkontext so richtig zu funktionieren.

Ein sehr versöhnlicher Abschluss für einen durchwachsenen Sampler, der viel Bekanntes aber auch einiges Neues zu bieten hatte. Danke für das Zusammenstellen!
7/10