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Axe To FallForgotten Tomb – Unter Saturn Retrograde
[…]herrliche Songtitel ala „I Wanna Be Your Dog“ inklusive. […]
Ein Stooges-Cover, oder? Ich frage deshalb, weil Electric Wizard – Venus In Furs ja auch nichts mit The Velvet Underground zu tun hatte…
In Dredg – El Cielo habe ich diese Woche sicherlich die meiste Mühe investiert. Leider liegt dies nicht unbedingt an überschwänglicher Begeisterung oder auch nur besonders großem Interesse. Es war eher eine Art durch das ganze Lob bedingtes Schuld-/Pflichtgefühl, das mich dazu trieb, meinen Frieden mit dem Album schließen zu wollen. Wäre mir das Album egal gewesen, hätte mich ansonsten sicherlich schon der problematische Einstieg zum Aufgeben gezwungen. Gavin Hayes‘ Stimme ist für viele sicherlich der Knackpunkt, der über Gefallen und nicht-Gefallen entscheidet. Die Art, wie sein Gesang honigartig das Ohr umschließt und die Gehörgänge verklebt, ist sicherlich – das müssen auch Befürworter zugeben – grenzwertig. Wird dieser Gesang nicht im richtigen Zusammenhang eingesetzt und können die Instrumente nicht dagegenhalten, funktioniert die Musik nicht mehr und tritt über die Schwelle zu fiesem, prätentiösem Kitsch. Genau das ist beim Opener „Same Ol‘ Road“ passiert – gerade in den Strophen würde ich Hayes am liebsten eine Wassermelone in den Mund stopfen. In den folgenden Songs verpassen Dredg das Erzeugen eines kohärenten Songflusses und einer Kulmination im richtigen Moment, und wäre über alldem nicht wenigstens noch eine Ahnung einer guten Absicht, ich hätte das Album entnervt aus dem Player genommen. Im zweiten Albumdrittel überlegt die Band es sich anders, tastet mit den Füßen nach festem Boden in schlichten, eingängigen und netten Alternative Rock-Songs. Im weiteren Verlauf erinnern sie sich wieder an den eigenen Anspruch. Die Stücke werden wieder schwerelos, erzeugen nun aber eher ein Gefühl, als würde man durch eine Gewitterwolke fliegen; der jubilierende Refrain eines „Same Ol‘ Road“ ist angenehm weit weg. Die letzten beiden Songs, allen voran „The Canyon Behind Her“, zeigen schließlich, wie Dredgs moderner Prog Rock-Entwurf doch noch funktionieren könnte. Im überragenden Closer des Albums verschmelzen Euphorie und Verzweiflung, man stürzt sich in die turmhohen Gitarren des Refrains wie in schäumende Brandungswellen, man fühlt die Klarheit des Himmels genauso wie den Abgrund unter sich. Warum nicht gleich so?
Ob ich nun meinen Frieden mit Everybody’s Darling schließen konnte? Naja, so halb. In Zahlen gesprochen wäre das eine sehr knappe 7/10. xTOOLx kann gerne mit Waschmaschinen nach mir werfen, wenn es ihm danach besser geht.
http://www.youtube.com/watch?v=VMZi8WMJqyU
Ähnlich stark festgebissen habe ich mich bei The Legendary Pink Dots – Any Day Now, was hier allerdings mehr mit aufrichtigem Interesse als mit verbissenem Schönhören zu tun hat. Nicht nur dieses Album, die Band als Ganzes scheint einer der seltenen und unermesslich wertvollen Fälle eines vollkommen eigenständigen musikalischen Universums zu sein, bei dem Vergleiche mit Bestehendem nicht greifen. Entsprechend wenig durchdrungen habe ich LPDs musikalische Zeichencodes und ihre Gesamtästhetik, und wenn ich mir den kaum überschaubaren Backkatalog ansehe, wird dies auch lange so bleiben. „Any Day Now“ weckt aber auf jeden Fall einen gewissen Ehrgeiz. Ist das Fundament vieler Songs elektronisch erzeugt, so übernehmen doch häufig Instrumente wie Spinett und Violine die Melodieführung. Dies erzeugt genauso eine innere Widersprüchlichkeit wie die aufreizend einfachen Melodien in Verbindung mit den kryptischen Texten. Die Musik umströmt ein süßlicher Geruch mit unauffälliger giftiger Note, die den Hörer schließlich dazu bringt, der Sache auf den Grund gehen zu wollen. Hervorragend geeignet für Sammler hochwertiger Kuriositäten und Verschwörungstheoretiker. Den Höhepunkt dieses Albums, bei dem Kategorisierungen wie Dark Wave, Psychedelic Rock und Electropop gleichermaßen falsch wären, bildet für mich das zehnminütige „Waiting For The Cloud“, ein perfektes Beispiel für den schwebenden postapokalyptischen Ambientpop, durch den ich auf die Band gekommen bin. Mit eingebautem Psychedelic/Funk Rock-Part. Fragt mich nicht, was der dort zu suchen hat…
http://www.youtube.com/watch?v=vbN5t-zMnv0
Vertrauter und leichter zu kategorisieren sind da schon die Norweger Madrugada mit ihrem Debüt „Industrial Silence“ aus dem Jahre 1999. Nachdem der Nachfolger „The Nightly Disease“ bei mir seinerzeit einen sehr guten Eindruck hinterlassen hat, habe ich mich nach Jahren wieder an die Klasse der Band erinnert. Wenn man es sich einfach machen will, lässt sich ihre Musik als der größte gemeinsame Nenner von Leonard Cohen, Nick Cave and the Bad Seeds, 16 Horsepower, dem „Pulp Fiction“-Soundtrack und R.E.M. beschreiben, was sich bei mir zugegebenermaßen langweiliger liest, als es ist. Woran es ihm fehlt, ist Exzentrik, aber ansonsten ist Madrugadas Rock-Entwurf ein außerordentlich sympathischer, mit genug Zeit, jeden Ton genussvoll auszukosten, Coolness und Sexappeal. Dazu trägt nicht zuletzt die schlicht wohltuende Produktion bei, die jedem Klang genügend Entfaltungsraum zubilligt, angenehm natürlich klingt und eine Ahnung von Hitze und Staub vermittelt. Sänger Sivert Høyem konnte sich mit seiner charakteristisch samtigen Stimme auch damals schon an den Vorbildern messen lassen, ohne sich wie auf dem Nachfolger ganz in den tiefsten Gebieten, die mit seiner Stimmlage noch zugänglich sind, zu verschanzen. Die Stimmung des Albums könnte man insgesamt auf die Beschreibung „die Abendröte vor der tiefen, kühlen Nacht von ‚The Nightly Disease'“ herunterbrechen, auch wenn sich gerade in der Mitte Momente von anziehender Dunkelheit finden. Besagte tiefe, kühle Nacht des Nachfolgers werde ich zwar auch künftig bevorzugen, eine runde Sache ist „Industrial Silence“ aber dennoch.
http://www.youtube.com/watch?v=LYcY_x2XluY
Eher zwiegespalten stehe ich dem selbstbetitelten Debüt von Neu! gegenüber, meinem ersten Gehversuch im Krautrock-Bereich. Es ist einerseits durchaus faszinierend, wie das Duo Klaus Dinger und Michael Rother mit beispielsweise „Weissensee“ ein Stück entworfen hat, das größtenteils aus nichts besteht. Die träge dahinstolpernden Drums und psychedelischen Gitarrenspielereien, die langsam aufsteigen wie das Wachs in einer Lavalampe, schwimmen nur darin, anstatt es aufzuheben. Es ist andererseits auch bemerkenswert, wie aktuell sich dieser ironische Konventionsbruch anfühlt, obwohl er schon fast 40 Jahre alt ist. Vor allem in den 80ern und den letzten fünf Jahren war und ist der Einfluss von Neu! gerade auf die britische Musikszene deutlich zu spüren. Andererseits steht das Album in seiner Gesamtheit völlig im Schatten meiner beiden Lieblingssongs „Hallogallo“ sowie vor allem „Negativland“, dessen rhythmusbetonte Industriehallenkälte als die Geburtsstunde des Post-Punk betrachtet werden könnte. Die überwiegend formlosen Klangexperimente drumherum kann ich bisher noch nicht genießen, ohne den musikhistorischen Kontext im Hinterkopf zu haben. Aber immerhin.
http://www.youtube.com/watch?v=23HfAHSKWlk
Bei Red Lorry Yellow Lorry und ihrem Debüt „Talk About The Weather“ kam mein Komplettierungswunsch vor dem Qualitätsbewusstsein, was sicherlich gemeiner klingt, als die Band es verdient hat. Im Grunde liefern RLYL mit diesem Album so etwas wie eine Bilderbuchdefinition von Post-Punk in seinen letzten Atemzügen bzw. Gothic Rock bei den ersten Gehversuchen. Es ist alles da: der Weltekel und die Abnabelung von Gesellschaft und sich selbst in den Texten, die schwarzgraue Klangfarbe, der Bass, die Tanzbarkeit. Es fehlt zwar die mystische Todesverklärung und die Theatralik, aber zumindest der Hall des Drumcomputers weist in die Richtung, in die Dr. Avalanche The Sisters of Mercy später treiben würde. Die Songs sind ausnahmslos gut (wenn auch selten mehr), die Band streut auch mal eine überraschende Wendung ein, wenn eine nötig ist. Red Lorry Yellow Lorry sind sicherlich nichts Besonderes oder wären es aus einem anderen Grund wert, aus der zweiten Reihe herausgeholt zu werden. Im Gegensatz zu The Comsat Angels oder The Chameleons, die einen ähnlichen Status haben, sind sie ganz bestimmt nicht unterbewertet. Es gibt an „Talk About The Weather“ allerdings auch nichts – interessanterweise auch keine zu große Angepasstheit -, was man bemängeln könnte. Der herrlich neurotische Gesang von Chris Reed hebt die Band das entscheidende Bisschen über den oberen Durchschnitt, womit es nichts gibt, worüber man sich ärgern könnte. Denen, die sich für Post-Punk/Frühgoth interessieren und mit den Basics schon vertraut sind, kann ich das um elf zusätzliche Songs aufgestockte ReRelease vorbehaltslos ans Herz legen. Die, die mit der Richtung an sich nichts anfangen können, werden die Lorries auch nicht bekehren können. Interessierte ohne weitere Vorkenntnisse greifen vorerst besser zu den Klassikern…
http://www.youtube.com/watch?v=jxMkKEDVjrU
…Wie zum Beispiel Bauhaus, von denen ich diese Woche allerdings nicht das vielleicht näherliegende „In The Flat Field“ gehört habe, sondern einen der Nachfolger. Alle standen sie bei mir im Windschatten des Debüts, und beim Hören von „The Sky’s Gone Out“ konnte ich mir das zwar durchaus erklären, hatte aber unweigerlich ein schlechtes Gewissen. Es ist zu kurz gedacht, die neue Sorgfalt und das Facettenreichtum der Arrangements gegen die Band ausspielen zu wollen. Der fühlbare selbstzerfleischende Wahnsinn, der ITFF zum Klassiker gemacht hat, konnte aber naturgemäß nicht reproduziert werden. Sei’s drum; Songs wie „Spirit“ oder „Swing the Heartache“ verfügen über beachtliche Catchyness unter einer immer noch zerschlissenen Oberfläche, die Peter Hammill-artige Ballade „All We Ever Wanted Was Everything“ ist stimmig und legt interessante Einflussquellen frei und die leiernde Drehorgel von „The Three Shadows (Part 3)“ erzählt Gruselgeschichten von verlassenen und vergessenen Zirkuszelten. Mit den ganzen abstehenden Fransen und dem wie eh und je schneidbrennerartigen Gesang Peter Murphys eignet sich die Musik kaum als Beispiel für Gothic Rock klassischer Prägung (obwohl sie genau das ist). Und so theatralisch sie sein mag; die Bühne, auf der sie stattfindet, knarrt, ist morsch, höchst instabil gebaut und deutlich zu klein.
http://www.youtube.com/watch?v=1lOUf_Hyd8I
Über meine Neuentdeckung Fauna werde ich mich demnächst in der Umkleidekabine des Verderbens noch in aller Ausführlichkeit auslassen. Deshalb nur soviel: Ambient/Atmospheric Black Metal. Songs in Albumlänge (von 63 bis 80 Minuten). Beeindruckend und bestenlistenkompatibel.
Was größenwahnsinnige Songlängen angeht, können Darkestrah mit „Epos“ (33:33 Minuten) nicht mit Fauna mithalten. Qualitativ leider auch nicht. Das liegt aber eher an Fauna als an Darkestrah, denn auszusetzen habe ich an „Epos“ eigentlich nichts. Es gibt in diesem halbstündigen Svartmetall-Monumentalstück keinen Moment, in dem sich die Spannung verliert, die Band weiß ihre Stilmittel gut zu dosieren, die Melodien sind schön und markant. Ohne sich zu weit aus dem Fenster zu lehnen oder zu stark mit der Stimmung zu brechen, setzt die Band Kontraste und exotische Momente an den richtigen Stellen. Weit mehr, als sie in die Nähe von Bierzelt-Folkmetal zu rücken, offenbart die Einbindung von Violinen und kirgisischer Folklore Stil und Anspruch. Das ist alles soweit wirklich gut und edel, das Einzige, woran es der Musik zeitweise fehlt, ist vielleicht Atmosphäre – und selbst das wird gegen Ende mit entrückten Klargesängen von der Band rechtt eindrucksvoll wiederlegt. So richtig erklären kann ich es mir also nicht, wieso ich „Epos“ bisher „nur“ mit Anerkennung, aber nicht mit Begeisterung begegnen kann, aber das ist vielleicht auch nur eine Frage der Zeit.
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trying to leave [COLOR=#808080]a mark more permanent than myself[/COLOR]