Re: PLAYLIST OF THE WEEK

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Hellcommander

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Ich denke, dies passt hier am ehesten hinein, weil die erwähnten Scheibe allesamt in der vergangenen Woche rotierten:

Ich bin niemand, der es für nötig hält, in aller Regelmäßigkeit darauf hinzuweisen, dass ich mich seit ca. 16 Jahren mit Metal beschäftige und diese Musik für mich folglich keine bloße Modeerscheinung, sondern sehr viel mehr ist. Hier möchte ich aber darauf hinweisen, weil mir ja in diesem Zeitraum zum einen durch Recherche viele Bands über den Weg gelaufen sind und zum anderen sorgt auch sounds2move dafür, dass ich andauernd mit neuer Musik in Kontakt komme. Dies kann gut sein, grenzt aber dennoch auch manches Mal an purem Masochismus. Daher liebe ich es um so mehr, wenn mich Bands positiv überraschen und schlichtweg begeistern.

Nun ist es so, dass ich Septic Flesh schon seit dem „Sumerian Daemons“ Album aus dem Jahre 2002 kenne und auch schätze. Seit diesem Datum hatte ich mir die Griechen mehr oder weniger intensiv zu Gemüte geführt, verspürte aber nicht den Drang, mich im Detail mit der Materie zu befassen. Daran änderte auch das wirklich gute „Communion“-Album aus dem Jahre 2008 nichts. Ich fand die Musik „gut“ – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Dies war der Stand bis Anfang Mai 2011.

Septic Flesh veröffentlichten im April/Mai 2011 ihr neues Album „The Great Mass“. Ein ambitioniertes, von logistischer Seite schier größenwahnsinniges Album, an dem sich bis zu 150 Musiker beteiligt haben. Der absolute Großteil der involvierten Musiker entfällt auf das Prager Philharmonie Orchester und die Chöre, bemerkenswert ist dabei allerdings, dass die Band selbst alle klassischen Arrangements geschrieben hat. Bemerkenswert, weil sich zwar viele Bands die Arbeit mit einem ganzen Orchester zutrauen, dabei aber die eigentliche Kompositionsarbeit nach außen abgeben (ich meine, Dimmu Borgir machen das so). Als Musiker von Septic Flesh muss es ein unglaublich spannendes Gefühl sein, wenn 150 Musiker die eigene komponierte Musik zelebrieren.

Es ist für mich in der Tat jene Klanggewalt und jene latente Spannung, die „The Great Mass“ für mich so wertvoll und packend macht. Egal, welchen Song ich wähle, Septic Flesh wandeln auf der einen Seite derart leichtfüßig zwischen zig verschiedenen Stilen hin und her und erschaffen auf der anderen Seite eine tonnenschwere, finstere, erhabene, zuweilen orientalische Stimmung, die dem Hörer das letzte bisschen Sonnenlicht aus den Eingeweiden reißt. Freilich erreicht die Band diese Wirkung nicht über klassischen Black Metal – engstirnige Fans klassischen Black Metals sollten Septic Flesh kilometerweit umschiffen -, sondern über jene erwähnte Spannung. Der hektische und überdreht wirkende Opener „Vampire From Nazareth“ ballert mit seinem robusten und kraftvollen Metal-Fundament alles weg, während die klassischen Instrumente nahezu gleichberechtigt jenes hektisch hysterische Gefühl perfekt ergänzen. Septic Flesh arbeiten mit zahlreichen Wendungen, kommen dabei aber immer auf den Punkt, so dass die Lieder nur selten die 5 Minuten Marke überschreiten. Der Titelsong basiert teilweise auf Hellblasts als Steigerung von Blastbeats und präsentiert sich auch sonst sehr dynamisch, kraftvoll und mächtig. Eine Sängerin sorgt für zusätzliche Abwechslung und rundet den perfekten Gesamteindruck eigentlich ab. „Mad Architect“ klingt im Wesentlichen Klassik-dominiert, Zwischensequenzen drücken den Hörer gegen die Wand, bevor er in einem Strudel aus Metal, Klassik und Wahnsinn mitgerissen wird.
Alle anderen Songs halten das Niveau, hörbare Schwächen gibt es nicht – auch nicht die transparente Produktion von Herrn Tägtgren. Der Klang ist druckvoll, jedes Instrument hat trotz hohem Gesamtvolumens (Oh Gott, ich hoffe, das ist verständlich…) genügend Luft zum Atmen und kann sich entfalten. Abgerundet wird das Gesamtkunstwerk vom stimmigen Artwork. Ich freue mich auf die Supermegaproleten-Edition von „The Great Mass“.

Nachdem mich also „The Great Mass“ gepackt und gefesselt hat, stieg meine Motivation mich erneut mit den Vorgängeralben zu befassen. „Communion“ halte ich aus jetziger Sicht für den Prototypen von „The Great Mass“, da es (teilweise in roherer Form) die Elemente enthält, die „The Great Mass“ letzten Endes so stark machen. Gefühlsmäßig erscheint „Communion“ etwas metallischer, erreicht aber nicht die Klanggewalt von „The Great Mass“. Nichtsdestotrotz deutet „Communion“ eindrucksvoll an, zu welchen Glanzleistungen die Griechen fähig sind (wenn es schon in der Finanzwelt nicht klappt, dann wenigstens in der Musik).

Vor „Communion“ lag die Band eine Zeitlang auf Eis. 2002 erschien vorhin erwähntes „Sumerian Daemons“, bei dem Septic Flesh zum ersten Mal (?) auf orchestrale Einsprengsel gesetzt und ihren Stil konkretisiert haben. Konkretisiert, weil „Revolution DNA“ (1999) etwas zerfahren wirkt, ohne ein stimmiges Gesamtbild abzugeben. Mit „Faust“, „Red Code Cult“ und „Sumerian Daemon“ haben die Herrschaften aber einige saustarke Songs erschaffen, denen es aber aufgrund der etwas leblosen und drucklosen Produktion an Durchschlagskraft fehlt. „Virtues Of The Beast“ und „Mechanical Babylon“ erinnern mich dabei an die „Revolution DNA“-Phase, in der mir Septic Flesh irgendwie Gothic-Rockig mit dezentem Metaleinschlag erschienen.

Ich werde mich immer weiter in den Backkatalog dieser großartigen Band einarbeiten, aber eines steht für mich fest: „The Great Mass“ ist viel mehr als mein bisheriges Album des Jahres; es ist ein Statement; vielleicht auch ein kleiner Fels in der Brandung, der andere Bands mit ähnlichen Ambitionen und Zielsetzungen in die Grenzen weist. Septic Flesh agieren auf einer anderen, weitaus höheren Ebene.
Natürlich polarisiert „The Great Mass“, da es u.a. mit schwarzmetallischen Elementen spielt und diesem Klientel erhaben vor die Füße kotzt, indem Septic Flesh diesen schwarzen Anteil in pervertierter Form verwenden und auf eine klassische Klanggewalt klatschen lassen – aber ganz ehrlich: Ich finds´ affengeil.