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Beschwert er sich erst ausschweifend über Innovationslosigkeit und gibt dann den entsprechenden Stücken 7,6-9 Punkte. 😛
Bez. Jazz: Ich bin da eigentlich alles andere als eine gute Anlaufstelle, aber du kennst doch bestimmt Electric Masada, oder? Der vierte Teil von John Zorns Geburtstagsparty zum 50. (gut, mehr habe ich auch nicht ^^‘) ist Wahnsinn.
Bewertest du die einzelnen Songsekunden einzeln und rechnest dann den Schnitt aus?
Ja, die Waldorfschulen(nicht)bewertungen werde ich wohl beibehalten, schon allein aus Faulheit. Auf die fast-Fließtext-Form bin ich auch immer noch angewiesen, da xFOOLx‘ Sampler zwar zumindest in meiner Welt keine richtige Geschichte erzählt und mir auch mehr zu der Musik einfällt als beim Sozialistendandy, aber eben immer noch nicht grad viel.
xPOSTROCKx balsamiert mir die Ohren zunächst mal mit Mouse on the Keys ein, einer Band, deren Namen ich bestimmt schon oft gehört habe, aber nie wirklich zuordnen konnte. Es ist aber ziemlich unüberhörbar, aus welchen beiden Genres die ihre Einflüsse beziehen: Post-Rock (eher Math als GY!BE) und Jazz. Der Post-Rock scheint im rhythmischen Gerüst durch, da ist ein ansich nicht groß aufsehenerregender, aber leider nicht wirklich mit der Restlala harmonierender, monotoner und überpräsenter Drumbeat und der leicht pluckernde Bass, aber auch die Struktur mit dem hörbaren Spaß an Laut-Leise-Dynamik (ohne genreeigene Dramatik, aber zumindest formal verwandt) verweist klar auf die Wurzeln. Der Jazz äußert sich im durchsichtigen, regenwässrigen Rest, der da drübergelegt wird. Klingt für mein Ohr übrigens keineswegs nach einer 5.97€ Virgin Classic Jazz CD, eigentlich eher schon sehr modern, da grundsätzlich lakonisch und unaufgeregt, auch von der Art her, wie ein paar Elemente wiederkehren. Könnte an einem verregneten Oktobertag in irgendeinem Café in der Innenstadt laufen, in dem mir dann eine kleine Tasse Latte macchiatto und ein vor allem im Verhältnis zum Preis viel zu kleines Stückchen Käsekuchen serviert werden würde. Da ich dekadente Ziege sowas mag, mag ich auch Mouse on the Keys zumindest ein bisschen.
Was mir in so einer Stadt aber noch mehr entgegenkommt, ist tiefste Nacht, Alleinsein und das Gefühl, verfolgt zu werden, und in dem Zusammenhang auch Heroin and Your Veins (klingt nach ’ner mittelmäßigen Screamo-Kapelle, aber von Vorurteilen wollen wir uns hier ja nicht leiten lassen…vielleicht können wird das bei dem Namen auch dem Wischiwaschibär unterjubeln). Diese Gitarren ganz am Anfang klingen gleichermaßen nach Film Noir wie nach den Slide Guitars von Fields of the Nephilim, was schon mal sehr viele Sympathiepunkte bringt, ab der Hälfte dieses erstaunlich kurzen Stücks dann nach recht normalem Post-Rock-Flirren, was ich aber in diesem Zusammenhang nicht negativ gemeint habe. Dass das Mädchen für alles hinter HeAYV alle anderen Instrumente kurzerhand programmiert hat, fällt definitiv auf, vielleicht aber nicht mal negativ; diese roboterartige Strenge im Unterton des nervösen Rhythmus‘ macht das Ganze nämlich ungewöhnlich und schafft eine interessante Widersprüchlichkeit. Wäre vielleicht gar keine so schlechte Idee, das Waschbär unterzujubeln…hat mir nämlich echt gut gefallen.
Es wird bloß nach kaum drei Minuten wieder so laut in dieser Stadt, weil doch irgendwelche unter lebensbedrohlichem Drogeneinfluss stehenden Jugendlichen mit Messern in den Händen gerade Mülltonnen umschmeißen und Autos in die Luft jagen, den größten Anteil am Dezibelpegel hat aber definitiv die Band, die währenddessen auf der Straße spielt, A Place To Bury Strangers. Mit „Exploding Head“ hatte ich das Problem, dass dieser an sich reizende Krachsound derart betont wird und sich alles so sehr auf ihn ausrichtet, dass er die Songs selbst in den Hintergrund drängt und die Lala dadurch auf Albumlänge recht variationsarm und ermüdend wirkt, obwohl sie es in dem Maße gar nicht ist. Auf Songlänge ist das aber immer noch herrlich und hat so gar nichts an sich, woran ich Kritik üben wollen würde. Diese ganz lässig und desinteressiert hingerotzte Gitarrenmelodie am Anfang lässt mich an Proto-Punk à la Stooges denken, wobei ich jetzt befürchte, dass Dandy und/oder Antifa-Angie tadelnd den Zeigefinger heben werden. Der Lärm ist der Mantel der Musik, so oder so ähnlich zwar bereits von The Jesus and Mary Chain und My Bloody Valentine bekannt, aber doch immer wieder unwiderstehlich. Bei der Stimme hat sich bei einigen in unserer munteren Runde bestimmt der Magen umgedreht, aber die Art, wie körper- und teilnahmslos und benebelt Herr Ackermann da sinnfreie, aber stylisch klingende Textzeilen intoniert, finde ich schon wieder sexy. Mja, ich tanze nach diesem Satz mal wieder eine Runde auf dem Tisch und bin inständig froh darüber, dass ich auf meinem Rechner keine Webcam habe, die ich hätte vergessen können auszuschalten.
Bei dem folgenden Song beschleicht mich mit laufender Spielzeit immer mehr der Gedanke, der Toolie hätte sich beim Aneinanderreihen seiner Geräuscheansammlungen einfach gar nichts gedacht. Es klingt andererseits aber auch teilweise so, als hätten sich Lymbyc Systym auch nicht viel gedacht, als sie das Grundgerüst von „Astrology Days“ komponiert haben, die Songentwicklung klingt, ohne dabei wirklich überraschend (denn um überrascht zu werden, müsste man ja erst überhaupt eine bestimmte Erwartung haben) zu wirken, recht improvisiert. Der Band kam es offenbar mehr auf das Ausschmücken an, und mit dem nötigen Firlefanz behangen klingt das Stück wie das flimmernde Hologramm eines Gartens im Sommer, der seit Jahrzehnten nicht mehr von einem Menschen betreten wurde. Allein: wozu braucht man so ein Gartenhologramm…und wer? Múm vielleicht. Da Lymbyc Systym ihren Post-Rock mit sehr viel glitzerndem elektronischem Lametta ausstaffieren, kamen mir sofort múm in den Sinn, im Gegensatz zu den seltsamen Gestalten aus Island haben LS allerdings nicht den leisesten Hauch von Wahnsinn an sich und tragen „Dont’t do drugs!“-Buttons auf ihren Pfadfinderhemden. Gemeinsam ist ihnen aber immerhin auch noch der grundsätzliche Optimismus (Igitt!).
Ef wollte ich mir nie anhören, da sie mir mit dem (vor allem bei einer Post-Rock-Band) unsäglich plakativen (vielleicht noch mit Wohlwollen parodistischen) Albumtitel „Give Me Beauty…Or Give Me Death“ schlagartig unsympathisch geworden waren. Ich mache mich auf eine Kitschkonzentration gefasst, verglichen mit der Nightwish und Mono auch Ende der 70er/Anfang der 80er entweder in Berlin oder New York hätten gegründet werden können, aber was erwartet mich denn da…ein Leisetreter. Die Gitarre schlendert verträumt auf dem dünnen Waldpfad, die Drums verstecken sich hinter Baumstämmen, Mädchen und Junge reden leise und mit langen Pausen miteinander, ohne sich anzuschauen, ihre Hände berühren sich, aber tatsächlich nur zufällig. Gerade der zauberhafte weibliche Gesang klingt in meinen Ohren nach einer Verbeugung vor Cocteau Twins, Love Spirals Downwards, etc., und da ich derartigen Waldelfenwave sehr mag, mag ich auch diesen Part von „Longing for Colors“ sehr. Ja, bis jetzt klingt das alles sehr schüchtern, so süß, schüchtern und traurig-verschämt, dass man den Song…nehmen wir lieber dieses niedliche kleine Mädchen, das ihn singt, am liebsten drücken würde. Nach ungefähr vier Minuten kommt das, was man bei anderen Bands aus dem Bereich wohl höchstens als Aufwärmphase bezeichnen würde, hier aber wohl das pflichtgemäße Grande Finale darstellen soll. Ef spielen nach den Regeln des festgefahrenen Genres, es klingt bei ihnen aber eher nach einer ungeliebten Pflichtdisziplin. Wieso müssen gefühlt alle Post-Rock-Bands diesen Gedanken haben, dass, wenn man einen Song irgendwie zu Ende bringen muss, es immer dieses erprobte Crescendo sein muss? Wobei…das eben war tatsächlich nur die Aufwärmphase, das Stück ist ja neun Minuten lang und ca. drei davon haben wir ja noch vor uns. Die Gitarren klingen marginal druckvoller, im Grunde erfüllt das letzte Songdrittel aber auch nicht mehr als die Mindestanforderung an Dramatik bei so einem handelsüblichen Post-Rock-Stück. Ich bin froh, dass Ef sich auch da wenigstens einen Teil ihrer sympathischen Schüchternheit bewahrt haben.
Der Name „Hammock“ klingt für mich nach Stoner Rock und besonnenen dicken Männern an einer Tankstelle mitten im Nirgendwo, mein Vorurteil wird aber nicht bestätigt. Im Prinzip ist das so hell und frühlingshaft wie das Stück von Lymbyc Systym und so aufgeräumt wie das von Ef, kriegt aber nicht die Sympathiepunkte, die letztere im ersten Songdrittel gesammelt haben, denn hier gibt es (trotz der kleinen Feen, die da auf den Gänseblümchen sitzen und mir zärtlich irgendwas ins Ohr hauchen) weit und breit keine Menschenseele außer mir, sondern nur relativ seichten Landschaftsimpressionismus. Ist zwar ganz angenehm, umgeben von „Blankets of Night“ im Gras zu liegen und von der eigenen Müdigkeit erfasst zu werden, aber das Stück war wohl von allen bisher am nähsten dran, bei mir nicht mehr als ein bloßes Schulterzucken hervorzurufen.
Was mir hier mal wieder auffällt, dass die musikalischen Nahtlinien zwar den gegebenen Möglichkeiten nach nicht allzu deutlich ausfallen, man (bzw. ich, liegt auch ganz sicher eher an mir als an dem Sampler) sich dazu aber schlecht eine Geschichte zusammenreimen kann. Bei „Whissendine“, einem meiner Lieblingssongs des aktuellen Albums von Crippled Black Phoenix, wähne ich mich dann halt plötzlich mutterseelenallein, aber entspannt und glücklich auf der Trave herumtreibend in einem alten Holzboat. Der Song ist eigentlich sehr einfach und die Beschreibung dessen, was ihn nun so wertvoll und besonders macht, deshalb umso schwieriger. Strukturell gibt es hier ein simples Muster, was aber eigentlich überhaupt nicht stört. Die Drums schlurfen träge dahin, der Bass fällt nicht weiter auf, die Akustikgitarre wird gespielt mit einer entspannten Nachlässigkeit, über all dies legt sich eine schwere, aber schöne und versönlich stimmende Violinenmelodie. Joe Volk ist objektiv betrachtet sicher kein außergewöhnlich guter Sänger, aber die innere Ruhe und Gelassenheit, die sein Gesang hier ausstrahlt, und das leichte, zufriedene Lächeln, das er während der Aufnahmen in meiner Vorstellung mutmaßlich hatte, setzen dem Stück noch die Kirsche auf das Sahnehäubchen [/abgeschmackte Redewendung Ende].
€: Holla, seit genau 50 Seiten gehört der Thread uns. ^^
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trying to leave [COLOR=#808080]a mark more permanent than myself[/COLOR]