Re: Moshcore?

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palez

Registriert seit: 04.01.2007

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Hmm, ich weiß jetzt gar nicht, ob ich in der richtigen Verfassung bin, um mir zu Ilos Sampler was aus den Fingern zu saugen. Ich könnte vielleicht nicht wieder um neun Uhr schlafen gehen, was ich mir in den letzten Tagen erst angewöhnt habe, und ich müsste kurzzeitig damit aufhören, den Stream vom neuen PJ Harvey-Album zu hören. Naja. Bleibt immerhin noch die tröstende Gewissheit, dass es auf dem Sampler ein paar gut platzierte Eimerladungen eiskaltes Wasser gibt.

Cut Chemist – The Garden fällt nicht in die „Eimer Wasser“-Kategorie, wirkt der einsetzenden Müdigkeit aber dennoch gut entgegen. Ein recht catchy gezupftes…Banjo (?) begrüßt mich da zunächst, dann setzen hohes, aus seinem ursprünglichen Kontext gerissenes Funkgitarrengeklimper und allerlei Beatnebensächlichkeiten ein. Angenehm war, wie sich der Rhythmus in der Alltagsprobe an mein Schritttempo geschmiegt hat, so etwas ist gerade richtig bei einer Arbeit, bei der man sich vor allem auf das Weitergehen konzentrieren muss. Was den Song zusammenhält und richtig gut macht, ist das Sample dieser süßen spanischen Chica, die da ein wenig abgelenkt irgendwas ins Mikro säuselt. „The Garden“ ist im gewissen Sinne schon Stadtmusik, allerdings nicht wie so oft aus der sentimentalen Beobachterperspektive (aus der Sparte gibt es hier auch einen Vertreter), sondern ein lebendiger, pulsierender Teil des Nachtlebens zwischen Reizüberflutung und der Erkenntnis, dass dies alles doch ziemlich egal ist, solange eine süße spanische Chica einem die Stadt zeigt.

Julith (gnarr, nicht „Judith“, blödes palez…) Krishun – Lovely Birds Must Fly zeigt, dass Ilo sich bei der Anordnung der Songs auch diesmal keine Gedanken gemacht hat…vielleicht ist dies auch nur ein kalkulierter Angriff auf die dauermüde palez. Das galoppierende Intro klingt ein bisschen wie Converge auf „Axe To Fall“, nur von Unrat und Noise befreit und latent melancholisch. Nach kaum 30 Sekunden wechselt die Band dann für einen gemessen an der Songlänge von 3:07 Minuten langen Zeitraum aber in Gebiete, die ich nicht anders umschreiben kann als mit einem Verweis auf den Sampler, den mir Big Exit mal gebastelt hat. Die Melodieführung soll wohl für den modernen thinking man’s Hard-/Metalcore einigermaßen typisch sein. Die Songentwicklung ist nicht berechenbar, allerdings für mich auch ebensowenig besorgniserregend oder überraschend, ich habe da eigentlich zu keinem Moment Angst, dass mir was auf den Kopf fallen könnte. Ich weiß nicht. Nach dem, was ich (gerade von dir, Ilo) über die Band gehört habe, habe ich mir das Ganze etwas drastischer vorgestellt. Immerhin klingt „Lovely Birds Must Fly“ im Schlussdrittel wieder nach „Axe To Fall“ in traurig, schade bloß, dass der Converge-Moment eben kein Julith Krishun-Moment sein kann.

Ich bin immer noch müde. Und weil es unter anderen Umständen langweilig wäre, einen Sampler nur aus Aufwachsongs bestehen zu lassen, darf DJ Cam mit „Underground Vibes“ versuchen, mich dazu zu bringen, mit dem Kopf auf der Tastatur einzunicken. Das ist eigentlich netter gemeint, als es sich vielleicht liest, narkotisierender instrumentaler Trip-Hop/Abstract Hip-Hop/Downtempo/whatever kann super sein, aber auch da gibt es Qualitätsabstufungen. Auf „Entroducing…..“ von DJ Shadow (zugegebenermaßen mein einziger Vergleichsmaßstab, nicht böse sein) findet sich teilweise auch diese Hauch von Nichts-Musik, der hat es allerdings drauf, seine Musik so zu gestalten, dass es einem so vorkommt, als ginge man durch eine Wolke. Bei DJ Cam hat man leider ziemlich klare Sichtverhältnisse, und das weite Balkonpanorama kriegt er irgendwie auch nicht hin, da dieses regelmäßige halbmelodische Quietschen über dem Beat wie eine Sendestörung wirkt. Das Sprachsample, das Saxophon, Das Xylophon und das Klavier sind nett gemeint, aber weitestgehend wirkungslos. Eigentlich überrascht es mich, dass das Stück nur 4:27 Minuten gedauert hat – es ist mir fast doppelt so lang vorgekommen. (Klingt jetzt alles vielleicht negativer, als ich wollte…es hat mich ja nicht verärgert, nur kalt gelassen.)

Jetzt könnte ich eigentlich eine musikalische Tasse Kaffee gebrauchen, und da kommen mir Schnaak mit „Mit Sanftheit beseelt“ vom wohlklingend betitelten Album „Women on Ships Are Bad Luck“ gerade recht. Nach einem seltsamen Sample steigt man direkt und unvermittelt ein mit einer Art Noise Rock mit Free Jazz-Seele. Die erste Minute ist eine Zerreißprobe für die Nerven, wenn ich Kontaktlinsen tragen würde, müsste ich jetzt auf dem Fußboden nach ihnen tasten. Kennt hier jemand die mit Mike Patton und Dälek assoziierte Band Zu? Schnaak klngen nicht ganz unähnlich, setzen aber mehr auf Direktheit und Soundwand, und mehr Soundwand bedeutet ja auch oft mehr Spaß. Als der ganze Lärm dann genauso überraschend aussetzt, wie er in die Szenerie reingeplatzt war, ist man noch auf der Hut vor neuen Attacken, die Staub aufwirbelnden Drums und das ständige Vibrieren im Hintergrund geben keinen Anlass zur Hoffnung auf Waffenstillstand. Nachdem das aber einige Minuten so weitergegangen ist, hängt das Stück ziemlich lasch und ziellos in den Seilen. Nach fünfeinhalb Minuten ist es eigentlich schon zu spät, aber die Drums finden dann doch wieder zum Rhythmus. Vielleicht gibt es doch noch ein paar Tote und/oder Verletzte…aber die sparen Schnaak sich für die letzte Minute auf, diese gute Minute beißenden, kratzenden, reißenden, um sich schlagenden Lärms entschädigt für vieles.

Ich habe mich beim Rezensieren ja doch ziemlich herumgewunden, aber mit Son Kas – Der letzte Glanz wird der Sampler doch noch zu einem mehr als versöhnlichen Abschluss gebracht. Ganz am Anfang klingt alles noch erstaunlich stark nach Einstürzende Neubauten, nur dass ein ambitionierter, unauffälliger Germanistikstudent (also Epilog…sorry) Blixa Bargelds Text vorträgt und die in der Ferne arbeitenden Maschinen nicht lange alleine bleiben. Hoffentlich setzt nicht zu schnell der Beat ein. Glitzernd verzerrte Gitarre, Klavier, eigentlich schon wieder zu viel an…Pathos, aber passt schon. Textlich auch wieder nichts mehr, was an die Neubauten erinnern könnte, viel freundlicher. Nein, nein, jetzt darf kein Beat einsetzen. Anhäufung von Geräuschen, Überlappung, Vortrag wird eindringlicher. Song zur Hälfte rum, keine Ahnung, was die beiden da noch machen wollen. Oh, der Beat. Okay, klingt eigentlich richtig. Als ob man sich von ihm wie vom Rückenwind durch die Straßen der Stadt schieben lässt, willenlos und glücklich. Und man geht durch die Straßen und sieht durch die eigenen Augen wie durch eine Filmkamera, nimmt auf und behält. Im Grunde auch wieder so ein Song, den ich mit seinem eigenen Songtext am besten beschreiben könnte. Fast schon ein bisschen kitschig, aber sowas ist nicht schlimm. Nee, der kann machen, was er will.

@Nezy: Jetzt wäre eigentlich ein guter Moment, um mir (und den anderen) deinen Sampler zu schicken. 🙂