Re: Jahresbilanz 2008 – und Ausblick auf 2009

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palez

Registriert seit: 04.01.2007

Beiträge: 10,795

Huch, 2008 ist ja auch schon wieder um…guten Morgen, palez.

10. Prezident – alice
Ihr wisst nich, was in meinem Schädel los is
er dient nem elend großen Trupp Idiotenvolk als Wohnsitz
komisch und was die ganzen Typen so hinter meiner Stirn spinnen
kratz ich mir am Abend penibelst von der Hirnrinde
Willkommen in meiner kleiner wirren Welt
wenn ich was zu sagen habe, red ich einfach mit mir selbst

Düster-zynischer Studentenrap, der Tom Waits und El-P wesentlich näher steht als dem, was man sich unter Studentenrap vorstellt. Wesentlich abwechslungsreicher und ausgefeilter als der ebenfalls 2008 veröffentlichte Vorgänger „Kleiner Katechismus“.

09. The Gutter Twins – Saturnalia

Stadionrock für dunkle Gossen. Teilweise wirklich überirdisches, atmosphärisches Songwriting („The Stations“!!!), in der zweiten Albumhälfte wird’s etwas langatmig, die Songs werden von den Stimmen von Greg Dulli und Mark Lanegan aber schön veredelt und weit über dem Durchschnitt gehalten.

08. Nachtmystium – Assassins: Black Meddle Pt. 1

Die Band ist in ihrer Entwicklung schon beeindruckend konsequent. Der Dampfbad-Sound des Vorgängers wurde über Bord geworfen, der Black Metal-Anteil zu Gunsten des Rock-Anteils stark reduziert und die psychedelisch wabernden Gitarrenmelodien, die Experimentierfreude und die Eingängigkeit stehen stärker im Vordergrund. Bei dieser neuer Vorgehensweise geht zwar die Atmosphäre des Vorgängers etwas verloren, dafür wird Platz für Hits wie „Ghost of Grace“ und die verspielte „Seasck“-Trilogie eingeräumt. Bin gespannt, wohin es die Herren beim nächsten Album verschlägt.

07. Opeth – Watershed

Überraschend toll, anders, gewagt, facettenreich frisch ist es geworden. Ich habe die Diskussionen ja nicht so verfolgt, aber Opeth sind mit diesem sahnigen Album bestimmt so einigen Fans auf den Schlips getreten . Obwohl der Bandsound eigentlich nur im Detail verändert wurde, tatsächlich treffende Beschreibungen á la „überraschend harte Sounds, progressive Experimentierfreude, wunderschöne Melodien“ fand ich vor dem Kauf des Albums nur wenig aufregend, haben sich Opeth mit „Watershed“ gekonnt aus der kreativen Sackgasse der letzten 3-4 Alben herausmanövriert. Nur „Burden“ hätten sie sich halt wirklich sparen können.

06. Portishead – Third

Tatsächlich wesentlich sperriger als die beiden Vorgänger. Ein kaltes, unnahbares musikalisches Trümmerfeld, das nur manchmal Sonnenstrahlen reflektiert, absolut nicht mit den Vorgängern vergleichbar und doch unverkennbar Portishead. Zu den Höhepunkten des Albums zählen für mich vor allem das wunderschön schwerelose „The Rip“, „We Carry On“, bei dem Fetzen von hoffnungsvollen Melodien und sogar leblose Joy Division-Gitarren zu erahnen sind und das statisch-dunkle „Machine Gun“. Allerdings habe ich den Eindruck, das Album könnte nach dem letztgenannten Song bereits zu Ende sein, was allerdings kein Problem des Songmaterials, sondern eher das der Reihenfolge ist.

05. Nneka – No Longer at Ease

Ich hätte, nachdem mich der ekstatische Beat und der Atemnot-Refrain von „Heartbeat“ tagelang verfolgt haben, zugegebenermaßen nicht erwartet, dass dieses hohe Niveau über weite Strecken gehalten, wenn nicht gar übertroffen („Gypsy“, „Deadly Combination“) wird, wurde aber von „No Longer at Ease“ angenehm überrascht. Abwechslungsreiche und kurzweilige Mischung aus R’n’B, Hip Hop, Soul und Reggae.

04. Diamanda Galas – Guilty! Guilty! Guilty!

Madame Galas hat es immer noch drauf, allein mit ihrer Stimme und der darin liegenden Finsternis alten Klassikern wie „Heaven Have Mercy“ neues Leben einzuhauchen und beim Hörer in einen Zustand der Beklemmnis zu versetzen. Freilich wesentlich leichter verdaulich und weniger extreme Stimmbandfolter als auf den Frühwerken, aber „leichter verdaulich“ heißt auch nur im Diamanda Galas-Kontext was.

03. Grace Jones – Hurricane

Zwar war ich, nachdem ich von „Corporate Cannibal“ ziemlich schnell begeistert war, skeptisch bezüglich dem „Rest“ des Albums, aber „Hurricane“ ist, obwohl „Corporate Cannibal“ mit seinem stockfinsteren Trip Hop-Beat nicht wirklich repräsentativ ist, absolut großartig. Aus 19 Jahren „versäumter“ Club-Kultur wurde das Beste herausgeholt, neu geformt und daraus das musikalische Fundament für Grace Jones gebildet, das in seiner Vielseitigkeit vor allem von ihrer beeindruckenden stimmlichen Präsenz zusammengehalten wird.

02. Rose Kemp – Unholy Majesty

Wurden Gitarren und Drums auf dem Vorgänger noch stark in den Hintergrund gedrängt, um der Stimme Kemps mehr Platz zur Entfaltung zu geben, sind sie bei „Unholy Majesty“ nun wichtiger, mitunter tragender Bestandteil des Gesamtsounds. In dieser Kulisse aus durch den Fleischwolf gedrehten Black Sabbath-Riffs, schleppenden Drums, an ihre Folk-Vergangenheit erinnernden Streichern und psychedelisch anmutenden Keyboards kommt ihr dramatischer, entfernt an Diamanda Galas und PJ Harvey zu ihren besten Zeiten erinnernder Gesang sogar noch besser zur Geltung als auf „A Hand Full of Hurricanes“. Gewaltige Steigerung in Eigenständigkeit und Songwriting gegenüber dem (eh schon guten) Vorgänger und doch habe ich das Gefühl, dass da in Zukunft noch mehr kommen könnte.


01. Menace Ruine – The Die Is Cast

Auf genau zwei Töne, zwei donnernde Paukenschläge stützt sich „One Too Many“, der Opener von „The Die Is Cast“. Starren Blickes und trägen Schrittes schleppt sich das Stück, angeführt von Sängerin Geneviéve, durch die Trümmer, die „Cult of Ruins“ hinterlassen hat. Die Entwicklung gegenüber dem Vorgänger ist bemerkenswert: War der ebenfalls 2008 erschienene Vorgänger „Cult of Ruins“ noch recht eindeutig als (experimenteller) Black Metal klassifizierbar, spielt das kanadische Duo auf dem fatalistisch betiteltem Nachfolger eine einzigartige Mischung aus mittelalterlich anmutendem (Neo)Folk und tonnenschwerem, monolithischem Drone Doom. Die Folk-Einflüsse sind teils auf die Instrumente selbst („Utterly Destitute“), teils auf die Art, wie diese gespielt werden, zurückzuführen, vor allem aber auf die schlichten und ergreifenden, hymnischen Melodien, die Sängerin Geneviéve intoniert. Der wunderbare, an Nico erinnernde Gesang von Geneviéve steht auf „The Die Is Cast“ wesentlich weiter im Vordergrund als auf dem Vorgänger, trägt mal die Stücke, schwebt mal über ihnen. Herzstück des Albums ist die fast 17-minütige Black Metal-Elegie „The Bosom of the Earth“. Selten wurden Instrumente so in den Dienst eines kaleidoskopartig schimmernden Klangs gestellt, selten wurden Schönheit und Brutalität, die Begriffe „zerstörend“ und „reinigend“ so nahezusammengebracht, zur gegenseitigen Bedingung gemacht, höchstens noch von Wolves in the Throne Room…nein, eigentlich nicht einmal von denen. Wenn nach ca. 2:40 beinahe gleichbleibend dröhnender Melodiefetzen die an die Black Metal-Wurzeln des Duos erinnernden Drums einsetzen und sich im weiteren Songverlauf wolkenbruchsartig entladen, gleicht das einer überwältigenden Naturgewalt. Dass dabei im Stück nur wenig Variation stattfindet, tut absolut nichts zur Sache. Nach ca. neuneinhalb Minuten bleibt nur noch ein Dröhnen übrig, die Gewitterwolken verziehen sich langsam, wie vereinzelte Sonnenstrahlen streicht der Gesang von Geneviéve über das verwüstete Land.
„The Die Is Cast“ ist ein stetig wachsendes und dabei immer fordernd bleibendes Album. Es ist, als ob man sich einem Berg nähert und dabei nicht der Tatsache, dass dieser im Grunde nicht zu erklimmen ist, sondern nur seiner eigentlichen Größe bewusst wird. Ich hoffe, von Menace Ruine in 2009 noch viel zu hören und freue mich vor allem auf die Zusammenarbeit mit Merzbow.

Gutentagaufwiedersehendankefürihreaufmerksamkeit. *wieder unter Stein kriech*

Alben 2009 stehen natürlich auch schon fest:

1. Menace Ruine & Merzbow – tba.
2. John Parish & PJ Harvey – A Woman A Man Walked By
3. Converge – tba.
4. David Galas – The Happiest Days of My Life
5. Nadja & Aidan Baker-Coveralben
6. Portishead – tba.
7. Anathema – Horizons
8. The Gathering – The West Pole

Wäre es sicher, dass Lycia endgültig wieder unter den Lebenden weihen, sähe es auf der #1 eventuell schon ganz anders aus.