Re: Homosexualität – Eure Meinung

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Leukon

Registriert seit: 14.07.2010

Beiträge: 1,385

abrakadabra“Chantal und Kevin, zeigt mal bitte Analverkehr vor.“ „Ja, sehr gut, der Butt-Plug dient zur Entspannung des Schließmuskels. Das Gleitgel nicht vergessen!“
Solche Szenarien stelltst du dir (und Benson natürlich auch) doch vor, oder?
Glaubst du ernsthaft, dass sowas in der Art, auch nur näherungsweise von einem Lehrer, der noch alle Tassen im Schrank hat vor 14-Jährigen „unterrichtet“ werden könnte? Die vollkommene Absurdität dieser Vorstellung ist es, die mich daran zweifeln lässt, und deretwegen ich, damit ich bereit bin das zu glauben, einen Beleg dafür fordere. Wenn ich behauptete, dass in Österreichischen Klassenzimmern Folterungen stattfänden, würdest du von mir auch, und zwar vollkommen zurecht, einen Beleg verlangen. Wenn so etwas, wie du behauptetest, bereits vorkommt, müsste es ENTSETZTE Eltern geben, deren Interviews in Zeitungen mit der Headline „Mein Kind musste in der Waldorfschule Cock and Ball Torture vortanzen!“ beginnen. Sowas gibt es aber nicht.

Der Umstand, dass das Buch zwar kurzzeitig „empfohlen“ wurde, aber gleich wieder zurückgezogen, kann ich mir viel eher dadurch erklären, dass die Bildungspolitiker das Buch nicht gelesen haben – so wie sie es auch, darauf würde ich wetten, mit anderen Schulbüchern auch machen. Wären die Verantwortlichen wirklich vom Inhalt überzeugt, hätten sie es, davon gehe ich mal aus, zu verteidigen versucht. Hier eine verschwörung der SPD und Grünen gegen die Familien, und zwar
von Politikern die Hauptsächlich selbst verheiratet sind, und eine klassische Familie haben, zu vermuten, finde ich jedenfalls abwägig.

“In einer Übung [die in Tuiders Buch vorgeschlagen wird; meine Anmerkung] sollen zehn Jahre alte Schüler aufgefordert werden, ihre “Lieblingsstellung/Lieblingssexualpraktik“ mitzuteilen, während sie sich zu dynamischer Musik schwungvoll durch den Raum bewegen“.
“Kinder sollen zeigen, was sie sexuell immer schon mal ausprobieren wollten. Anweisung an die Pädagogen: „Die Leitung moderiert und nimmt, sofern sie will, an der Übung teil.“
http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/experten-warnen-vor-zu-frueher-aufklaerung-von-kindern-13203307-p3.html

Das kommt dem von dir in vorbildlich blumiger Weise beschriebenen Szenario wohl recht nahe. Auch ich kann mir zwar nicht vorstellen, dass alle oder auch nur die meisten Lehrer bereit wären, solche Unterrichtsmethoden anzuwenden. An dieser Stelle kommen treten aber die privaten Träger wie “SchLAu“ und Pro Familia auf den Plan, die nach der Konzeption von SPD und Grünen (jedenfalls Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen) die “Aufklärungsarbeit“ an den Schulen leisten sollen. Die praktische Ausfüllung des bildungspolitisch abgesteckten Rahmens fällt gewissermaßen den Spezialisten zu, die ihre Konzepte schon in der Schublade haben. Diese Träger machen, wie nur wiederholen kann, keinen Hehl aus ihrer Nähe zu Vordenkern wie Tuider und Sielert. Ob sich der durchschnittliche Grüne oder SPD-Mandatsträger unter Vielfalt und Toleranz so etwas vorstellt, weiß ich nicht; wahrscheinlich eher nicht. Man trägt die Reformen halt mit, weil diese Schlagworte immer ziehen und man sich alles Mögliche darunter vorstellen kann. Daran schuld ist die typische Mischung aus Ignoranz, Selbsttäuschung und Naivität.

“Der Fragebogen dient übrigens recht offensichtlich zur Reflektion über diese Art von fragen per se, und verlangt wohl kaum eine richtige Antwort. Natürlich entscheidet sich niemand Heterosexuell zu sein – und genau darum geht es“.

Im Kontext einer ausdrücklich “dekonstruktivistischen“ Sexualpädagogik ist diese Interpretation irrig. Ein konstruktivistisches Weltbild nimmt weder Homo- noch Heterosexualität als etwas Gegebenes, Naturhaftes hin, sondern versteht solche Identitäten als etwas Gemachtes und Manipulierbares. Das politische Anliegen besteht dabei darin, dass das Individuum sich selbst entwerfen lernt, anstatt sich an vorgegebenen und daher “stereotypen“ Rollenerwartungen und Archetypen zu orientieren. Bottom line: Es geht bei diesem Fragebogen nicht darum, dass man solche Fragen nicht stellen darf, sondern das Anliegen ist im Gegenteil, dass sich jeder, besonders der vermeintlich “Normale“, so infrage stellt.

Kein Mensch wird dadurch in seiner Freiheit eingeschränkt. Jeder kann nachher noch immer so negative Meinungen zu Homosexuellen haben, wie er will. Der Bildungsplan hat damit nichts zu tun.

Es stimmt zwar, dass die Meinungsfreiheit zumindest nicht schwerwiegend beeinträchtigt wird; die Meinungsfreiheit ist aber bekanntlich nicht die einzige Freiheit, die eine liberale Ordnung gewährleisten muss. Wie das Bundesverfassungsgericht in seiner grundlegenden Sexualkunde-Entscheidung darlegt, greift schulische Sexualerziehung zum einen in das elterliche Erziehungsrecht aus Art. 6 II GG ein. Zum anderen ist das Persönlichkeitsrecht der Schüler (Art. 2 I iVm Art. 1 I GG) berührt: “Diese Vorschriften des Grundgesetzes sichern dem Menschen das Recht zu, seine Einstellung zum Geschlechtlichen selbst zu bestimmen. Er kann sein Verhältnis zur Sexualität einrichten und grundsätzlich selbst darüber befinden, ob, in welchen Grenzen und mit welchen Zielen er Einwirkungen Dritter auf diese Einstellung hinnehmen will…Der Jugendliche ist nicht nur Objekt der elterlichen und staatlichen Erziehung.“

Zum Spannungsverhältnis zwischen Elternrecht und staatlichem Erziehungsauftrag (ob es den überhaupt gibt, ist übrigens umstritten) führt das Gericht aus, dass die Eltern besondere Zurückhaltung bei der Durchführung der schulischen Sexualerziehung verlangen können; insbesondere müsse der “Versuch einer Indoktrinierung der Schüler mit dem Ziel unterlassen [werden], ein bestimmtes Sexualverhalten zu befürworten oder abzulehnen.“ Bottom line: Der Staat hat kein Recht, den Eltern die Wertevermittlung in der Sexualerziehung aus der Hand zu schlagen, sexuelle Identitäten von Schülern im Sinne Tuiders zu veruneindeutigen und zu “vervielfältigen“ und die Akzeptanz irgendwelcher sexueller Praktiken zu predigen.

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