Re: Eddies Plattenkiste: Millenium

#5868213  | PERMALINK

andysocial

Registriert seit: 18.03.2006

Beiträge: 7,603

Colour Haze – s/t (2004, Elektrohasch) [Stoner Rock/Psychedelic]

Als ich die Band das erste Mal 2005 sah war es etwa 2 Uhr nachts, ich stand verloren auf einem sich lichtenden Festivalgelände am Arsch von Österreich. Zuvor spielten Orange Goblin und Witchcraft, ich war müde und wartete nur darauf, dass die Band scheiße ist und ich ins Zelt kann. Die Band verkaufte Shirts von Los Natas, was mich fragen ließ was das für Kauze seien, dass sie Shirts von anderen verkaufen. Der Sänger und Gitarrist ärgerte sich mit Sound und Licht und machte keinen freundlichen Eindruck. Ich war kurz davor zu gehen bevor die Band anfing und mich mit dem Sound an die Wand blies. Was ein Songaufbau, die in jedem Lied gleichbleibende Struktur die mich doch jedes Mal an die Wand fuhr. Ich war sofort verliebt in den Sound. Und in den letzten 5 Jahren habe ich die Band soweit ich zählen kann 7 Mal live gesehen. Und im Februar folgt Konzert #8. Und der Bandleader, Sänger und Gitarrist, Stefan Koglek, entpuppte sich auch als ziemlich coole Socke.
Nun dieses Album stellt für mich den Höhepunkt des Schaffens der Band dar. Die perfekte Mischung aus Stoner Rock und Psychedelic, eines der größten Alben dieses Genres. Keine epischen Songs wie auf dem Nachfolgealbum „Temple“ und auch nicht so trocken wie noch auf „Los Sounds De Krauts“. Das erste Stück „Mountain“ ist wie das erste Stück einer Platte sein muss, ein Wegweiser, eine Visitenkarte. Der Song baut langsam auf, ein wunderschöner Riff und genau an dem Punkt an dem man glaubt es passiert nichts mehr, bricht der Song los und rockt jeden Lumpen weg. Einer der besten Songs die Colour Haze geschrieben hat.
Nachdem zum Schluss von Mountain Vollgas getreten wurde beginnt „Tao Nr. 43“ mit einer wahnsinnigen Ruhe. Und das ist es was die Band auf dem gesamten Album ausmacht. Der Wechsel von ruhigem Arrangement zur Soundlawine. Lieblich beginnt der 2. Song, bekommt eine vor Kraft strotzende Wut und beruhigt sich von einer Sekunde zur anderen in einem jamartigen Riff um dann von Neuem los zu brechen in einem psychedelischen Orkan der einen minutenlang nicht los lässt.
Und als man sich nun auf ein psychedelisches Rendez-vous geeinigt hat kommt mit „Did El It“ ein Zwischenstück, das zuerst so hektisch und unkontrolliert wirkt, dass man am liebsten weiterdrücken will. Doch selbst hier schaffen es die Jungs ein Riff einzubauen der einen animiert den Kopf im Takt zu schüttelt.
Track Nummer 4 „Love“ ist, wer hätte es gedacht, wieder das genaue Gegenstück. Eine 9min Ballade, oder eher psychedelisches Öd der Langsamkeit. Ein Song den man nicht laut hören muss, die Gitarre wird so leise gespielt, dass es reicht sie zu erahnen. Wie ein Jazzstück wird das Gitarrensolo 4min vorangetrieben, immer am Rand des Verschwindens, aber immer genau an dem Rand an dem man es haben will. Die Drums werden beiläufig treibender und schneller und man wird innerlich unruhiger, ahnt, dass Größeres kommt. Nach 4 1/2 Minuten zeigt sich der Hauptriff, erkennbar daran das die Lautstärke deutlich zunimmt. Ab Minute 5 wird es dramatischer, das Lied wird voll und zeigt seine Tragweite, man dreht die Boxen auf und wirft sich bangend in alles was kommt. In Minute 6 setzt der Gesang ein oder besser gesagt eine Geschichte wird erzählt und später fast geschrien. Dabei groovt nun alles. Der Song ist auf der Spitze und lässt einen auch bis zum Ende nicht mehr von diesem Gipfel.
Und was passiert auf der Spitze? Erraten, es folgt ein Stück voller Einsamkeit und Schlichtheit, „Solitude„. Rein akustisch, ein Song um sich wieder zu setzen, jedoch selbst mit dem Piana hat es Groove und ist wunderschön in der Umsetzung.
Und nach einem so tiefgehenden Song braucht es wieder eine Groovesau. Lied #7, „Peace Brothers & Sisters“ ist allerdings nichts für Leute die ein Refrain nach 90s schon langweilt. Der Song geht über 22min und ist ein Groovemonster. Von der ersten Minute an wird einem der Hauptriff gezeigt der sich durch die gesamten 22min schlängelt. Und er ist wahnsinnig gut. So gut, dass er die nächsten 8min keine Sekunde langweilt und man ständig dabei ist sich davon abzuhalten den Kopf zu bangen. Parallelen zu Iron Butterflys In-A-Gadda-Da-Vida dürfen ruhig gezogen werden. Zumindest von der Songstruktur. Es gibt ausgedehnte Jampassagen und Soli die doch immer wieder zum Hauptriff zurückfinden und sich genauso plötzlich wieder auflösen. Zur Halbzeit kommt ein weiterer Riff dazu der knackiger und orientierter wirkt und der Song bekommt Struktur und beide Riffs wechseln sich bis zum Ende hin ab und laufen jedes Mal so ineinander über, dass man zwischen Jam und Stoner hin und hergerissen wird.
Der Rausschmeißer „Flowers“ ist dann wieder der klassische Colour Haze Song und könnte genauso die Platte eröffnen. Langsamer Aufbau, akustische Gitarre, mehrfache Zuspitzung bis der Ausbruch kommt. Diesmal jedoch bleibt es akustisch und somit sanft. Man lässt sich in den Stuhl zurück sinken und wundert sich am Ende jedes Mal aufs Neue was man während der letzten 50min alles durchgemacht hat.
Sicherlich eine der 10 stärksten Platten in meiner Sammlung. Ganz große Geschichte.

http://www.youtube.com/watch?v=-E90vAsYxaE
http://www.youtube.com/watch?v=Aodmn_1pqWE
http://www.youtube.com/watch?v=GmciQJSCoCQ