Re: Eddies Plattenkiste: Millenium

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Bahl

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Neben Nevermores Godless Endeavour – verdammt, ich komme zu spät für eine Rezension! – und Salvation von Cult of Luna gehört ObZen für mich zu den drei grössten Alben des vergangenen Jahrzehnts und ist wohl eines der besten Metalalben aller Zeiten. Ja, hier handelt es sich meiner Meinung nach um einen Klassiker. Zugegeben, ich lehne mich damit weit aus dem Fenster, hat ObZen doch erst knapp zwei Jahre auf dem Buckel. Ich bleibe aber trotzdem bei meiner Behauptung: Ein gutes Jahr lang habe ich die Platte oft mehrmals am Tag gehört und auch heute tue ich dies noch sehr oft, ohne dass sich auch nur ein Hauch von Abnutzung bemerkbar macht! Ganz selten nur haben Alben eine solche Halbwertszeit.
Doch von vorn: Im März 2008 erschien ObZen, als Fan von Meshuggah habe ich mir die CD natürlich am Erscheinungstag zugelegt. Bei den ersten Hördurchläufen war die Reaktion wie bei jeder Veröffentlichung der Band: Einige Höhepunkte befinden sich auf der CD, aber insgesamt ist das Teil zu vertrackt und dadurchlangweilig. Wie immer fordern Meshuggah vom Hörer schon ein bisschen Aufmerksamkeit. Schenkt man diese der Musik jedoch, zahlt die Band einem dies tausendfach zurück. So geschehen eben auch bei ObZen.
Das Album beginnt mit Combustion: Der Anfangsriff wird zunächst leise und nur leicht verzerrt gespielt, kurz darauf setzt Schlagzeug ein, bevor es richtig losgeht. So eingängig und geradlinig waren Meshuggah selten, vor allem Tomas Haake spielt hier nur einen scheinbar einfachen Drumbeat. Nach einer guten Minute Geballer ist man wunderbar in Stimmung und Jens Kidman holt nun sein brutales Organ heraus und setzt damit noch einen drauf. Meshuggah legen hier zwar einen ungewöhnlichen, weil eingängigen, aber einen Auftakt nach Mass hin. Daneben fällt einem sofort die glasklare und drückende Produktion auf: So differenziert klangen Meshuggah noch nie.
Der zweite Song, Electric Red, klingt bereits deutlich Meshuggah-typischer: Die Riffs klingen vertrackter und es ist schon deutlich schwieriger, hier im Takt zu headbangen. Nach mehrmaligem Hören entpuppt sich jedoch auch dieser Track als absolute Granate wegen seines gekonnten Wechselspiels zwischen härteren und ruhigeren Parts.
Bleed ist die nächste Überraschung der Platte: Wieder wurde hier ein recht geradliniger Song eingespielt, derart geradlinig, dass einem fast gar nicht auffällt, wie schwierig Tomas Haakes Spiel sein muss. Und das ist es auch, was Meshuggah von vielen anderen technischen Bands unterscheidet: Die Jungs haben alle technisch eine Menge drauf, verstehen es aber, trotzdem nicht zu verkopfte Songs zuschreiben und sind durchaus in der Lage, sich auch mal zurückzunehmen.
Lethargica ist wieder ein vertrackterer Song, in dem mich besonders der ruhige Mittelteil begeistert. Auf ihn folgt der Titeltrack, der in puncto Eingängigkeit eine Mischung aus dem bisher dargebotenen präsentiert. Meshuggah sind hier so aggressiv wie selten zuvor! Ebenfalls sehr aggressiv ist das nachfolgende This Spiteful Snake. Beim Hauptriff dieses Songs gelingt es mir nur selten, völlig ruhig zu bleiben. Hierauf folgt Pineal Gland Optics, der mit Abstand zäheste Brocken auf ObZen, der aber mit der Zeit immer mehr wächst und auf dem es immer mehr zu entdecken gibt. Pravus ist wieder ein recht schneller und eingängiger Song, der etwas „Entlastung“ nach dem schweren Vorgänger bietet.
Der absolute Überhit und einer der besten Metalsongs überhaupt kommt jedoch zum Schluss: Dancers to a Discordant System beschliesst das Album. Leise beginnt der überlange Track, Tomas Haake setzt zu Beginn seinen berüchtigten Sprechgesang ein, bevor Jens Kidman sich in gewohnter Manier die Seele aus dem Leib schreit. Meshuggah ziehen hier einfach alle Register: Atmosphäre, Aggression und Melodie werden hier in exorbitanter Weise geboten, bsonders hervorzuheben sind das Solo gegen Ende und der darauffolgende Part, für den mir einfach die Worte fehlen.
Nach Hörgenuss dieses Albums, auf dem Meshuggah eine Mischung aus den neueren, langsamen und den älteren chaotischeren Alben bieten, bleibt einem also nicht viel, als die Repeattaste zu drücken. Nothing und Catch 33 waren beileibe nicht schlecht, konnten jedoch das Niveau der Vorgänger nicht halten. Meshuggah haben dieses kleine Formtief aber überwunden und hier ihr Meisterwerk erschaffen und sogar Chaosphere, meinen bisherigen Favoriten, überbieten können. Vergleichbare Bands (falls man überhaupt von „vergleichbar“ sprechen kann) werden wie immer links liegen gelassenund stehen ein weiteres Mal wie Schulkinder da. Meshuggah brauchen keine Saxophone und ähnlichen Firlefanz, ihnen reicht die klassische Bandbesetzung, um etwas ganz besonderes zu erschaffen. Ich Fanboy ziehe meinen Hut vor dieser monumentalen Leistung und diesem grossartigen Stück Musik.
http://www.youtube.com/watch?v=x7OFjw1cQCA
http://www.youtube.com/watch?v=3an8jdsVM3s
http://www.youtube.com/watch?v=Bk9G1JlQeFs
http://www.youtube.com/watch?v=6J4Ye7nRT0s&feature=related

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Wurstberge sind auch juristisch schwer einzuordnen.