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-Heimdall-Oh mann ey.
SCHWARZE SONNE
Entfesselung und Mißbrauch der Mythen in Nationalsozialismus
und rechter Esoterik, Herder/ Freiburg 2001, ISBN 3451052059, Preis: EUR 9,90Einleitung
Auf einer einsamen Heidelandschaft steht ein wuchtiges Hünengrab.
Es ist älter als die ägyptischen Pyramiden, und bis heute wissen wir wenig darüber, wie Menschen der Steinzeit tonnenschwere Platten in diese Position brachten und sie gleichzeitig nach bestimmten Aufgangspunkten von Sonne und Mond ausrichteten.
Jahrhundertelang erzählten die Sagen der Umgebung von „Riesen“, die einst hier gelebt haben sollen und mit ihren übermenschlichen Kräften Granitblöcke wie Spielzeuge hin und her bewegten. In einer Bibelstelle (1.Mose 6), die mythische Erzählungen aufgreift, entstanden „Riesen“ aus der Paarung von „Gottessöhnen“ mit „Menschentöchtern“ und werden als „Helden der Vorzeit“ bezeichnet. Angeblich verschwanden sie mit der Sintflut, die ebenfalls bei fast allen Völkern der Erde erwähnt wird und die das abrupte Ende eines paradiesischen „Goldenen Zeitalters“ andeutet. Auch der griechische Philosoph Platon, berühmt für seine scharfsinnigen Dialoge, erwähnt eine solche glückliche Urzeit und die sie verschlingende Katastrophe in seinem Bericht über das sagenhafte „Atlantis“, das vor ca. 9000 Jahren untergegangen sein soll. Haben wir es hier mit Ergebnissen dichterischer Phantasie zu tun, mit verschlüsselten historischen Erfahrungen – oder greift das eine kaum unterscheidbar ins andere hinüber?
Es sind große und rätselhafte Bilder solcher Art, aus denen Mythen bestehen: suggestive Szenarien von dramatischer und hochemotionaler Kraft, vieldeutige Erzählungen vom Anfang aller Zeiten, von heroischen Urahnen, die göttlichen Geschlechtern entstammten und die Schöpfungsordnung in erbitterten Kämpfen immer wiedergegen Riesenschlangen, Drachen und Dämonen bewahren mußten. Die Helden heißen Marduk, Herakles, Siegfried oder Heiliger Michael und treten – stellvertretend für ihre Gemeinschaft – mit Schwert, Feuer und List gegen die Mächte der Finsternis an. Dabei machen sie zuweilen auch Wandlungen und neue Erfahrungen durch: Siegfried etwa badet im Blut des erlegten Drachen und versteht danach die Sprache der Vögel, die ihm den Weg zu neuen Mutproben weisen, in denen er sich vom Jüngling zum Mann entwickelt.
Die Mythen enthalten Initiationsmuster und Bilder archetypischer Erfahrungen, die auch in unseren Träumen und Märchen immer wiederkehren. Es sind keine naturalistischen Geschichten, sondern ineinander verschlungene Meta-phernströme, in denen wir manchmal umherirren wie in einem Labyrinth mit Tausenden von Türen, hinter denen sowohl die Schönheit als auch das Grauen lauern.
Mythologie ist faszinierend und gefährlich zugleich. Ohne sie gäbe es keine Religion, keine Kunst und kein modernes Kino, aber ohne sie wäre auch weniger Blut in der Geschichte der Menschheit vergossen worden. Unter ihrem suggestiven Bann schufen Künstler wie Homer, Dante, Hölderlin, Wagner, Picasso oder Joyce ihre Meisterwerke, und in ihrem Namen wurden Völker ausgelöscht und sprengten sich Sekten in kollektivem Selbstmord in die Luft. Im Kraftstrom ihrer Bilder gedeihen sowohl Selbsterkenntnis und Läuterung als auch Psychose, Größenwahn und „ethnische Säuberung“. Das Hakenkreuz, mythologisches Symbol für zyklische Bewegung und kosmische Regeneration, ziert die Tempelräume des Dalai Lama und war das wichtigste Emblem unter Hitler, der darin ein „heiliges Zeichen der Germanen“ sah und in seinem Schatten millionenfachen Mord beging. Mythen können gebraucht und sehr leicht mißbraucht werden. Ihre Suggestivkraft und Mehrdeutigkeit verführt zu noch so abwegig erscheinenden Interpretationen und der Nationalsozialismus ist eines der eklatantesten und lehrreichsten Beispiele dafür, welchen Zündstoff sie bereithalten, wenn man allzu schnell und fanatisch Gewünschtes hineinprojiziert.Neben den ökonomischen, politischen und historischen Hintergründen hat man die mythologische Komponente des „Dritten Reiches“ bisher nur unzulänglich untersucht. Der Nationalsozialismus war aber nicht nur ein politisches Programm, das Arbeitsplätze und kollektiven Zusammenhalt versprach, sondern eine „Bewegung“ der großen Legenden, Bilder, Symbole und Rituale. Aus verschiedenen Elementen wurde eine Art Ersatz-Mythologie zusammen-gebaut, die Fragen nach dem Ursprung und der Zukunft beantworten wollte und die Helden der Vorzeit zu Identifikationsmustern für die Gegenwart verklärte. Ein „messianischer“ Führer versprach einem suchenden Volk geistige Orientierung, siegreiche Kämpfe gegen vermeintliche Mächte der Dunkelheit und die Errichtung eines in die Ewigkeit reichenden „Tausendjährigen Reiches“. Man entwarf einen „arischen“ Ursprungsmythos, der die eigene Nation in eine erhabene Traditionslinie stellte und den man in gewaltigen Zeremonien und Massenritualen immer wieder beschwor und erneuerte. Dazu wurden eigene „Tempel“, „Kultstätten“ und „Ordensburgen“ errichtet, Symbole und Heilszeichen bereitgestellt und die eigenen Ahnen als unversiegbare Kraftquelle zu einem der Mittelpunkte des Lebens erklärt. Weihestätten und Weiheveranstaltungen suggerierten die Unsterblichkeit der eigenen Volksseele und spornten den idealistischen Geist junger Menschen an, die am Ende jedoch nicht ins Kriegerparadies „Walhall“ einzogen, sondern auf den Schlachtfeldern verbluteten.
Die „politische Religion“ des Nationalsozialismus ist nicht nur auf ein Element zu reduzieren, egal ob man dieses nun „heidnisch-germanisch“, „gnostisch“ , „okkult“ oder „christlich-apokalyptisch“ nennt. Hitler äußerte sich über die römische Kirche sowohl respektvoll anerkennend als auch mit vernichtendem Sarkasmus. Er verspottete völkisch-germanische Sektierer und ihre Wiederbelebung des „Wotankultes“, bezeichnete sich aber auch als „Heide“ und liebte die von keltisch-germanischer Sagenwelt durchdrungenen Opern Richard Wagners. Tatsache ist, daß im „Dritten Reich“ zahlreiche mythologische Elemente zur Glorifizierung einer „arischen Herrenrasse“ benutzt wurden und in die Wiederbelebung von Kult- und Symbolformen einflossen, die diese Ideologie tief im Gefühlsleben der Bevölkerung verankern sollten. Dazu gehörten Legenden vom Ursprung der „Arier“, prähistorische Speku-lationen, Deutungen heidnischer Bräuche und Symbole, germanische Sagen, der Mythos vom „Heiligen Gral“ und auch Bilder aus der christlichen Apokalypse („Tausendjähriges Reich“, Kampf gegen „Satan“ etc.). Im vorliegenden Buch interessieren uns vor allem die Mythen, die um das vermeintlich hohe Alter und die geistige Überlegenheit der „arischen“, „nordischen“ oder „germanischen“ Rasse kreisen: sie spielten nicht nur im „Dritten Reich“ eine wesentliche Rolle, sondern entstanden bereits lange vorher und sind auch heute wieder in einer rechten Esoterikszene zu finden. Hitler, Himmler und Rosenberg glaubten an Legenden vom Ursprung der „Arier“ auf prähistorischen Kontinenten im hohen Norden, die vor den uns bekannten Kulturanfängen existiert haben sollen: „Wir tun gut daran anzunehmen, daß das, was die Mythologie von Gestalten zu berichten weiß, die Erinnerung ist an einstige Wirklichkeit“, sagte Hitler in einem seiner Tischgespräche , und für Heinrich Himmler waren Sagen keine Phantasie, sondern „das Gesagte, die Chronik“.
In kaum einer Zeit ist aus der vieldeutigen Bilderwelt der Mythen wohl soviel Eindeutiges herausgepreßt worden wie im Nationalsozialismus, was vor allem die nordisch-germanische Überlieferung bis heute mit einem Schatten belegt hat. Allein Worte wie „Wotan“ oder „Runen“ genügen, um im In- und Ausland einen Schauer des Unbehagens zu erzeugen, der keine unbefangene Beschäftigung mit diesem Thema zulässt, das jedoch zu unserer kulturellen Vergangenheit dazugehört wie die „Deutschen Heldensagen“ oder das Nibelungenlied. Allein die starke Skepsis gegenüber der germanischen Mythenwelt heute zeigt, wie intensiv ihre Bilder mit dem „Dritten Reich“ verbunden waren. Wir spüren eine unheilvolle Mischung von Mystik, Pathos, Fanatismus und Gewalt und schützen uns durch Abwehr, Verdrängung oder Ironie. Kein Ire, Schotte oder Bretone würde das Wort „keltisch“ so als Schimpfwort benutzen, wie der heutige Deutsche sich zuweilen gerne als „Germane“ oder „Teutone“ abwertet. In der Tat ist die Mythologie des Nordens auch dunkel, blutrünstig und voller Kampfgetümmel, aber dies teilt sie mit vielen anderen Mythen der Welt und es bleibt zu untersuchen, ob ihre Bilder in besonderer Weise totalitäres oder rassistisches Denken befördern oder nicht.
Die folgende Untersuchung soll ein wenig helfen, die Sinne zu schärfen für die unselige Verstrickung von solchen Inhalten mit der Ideologie des „Dritten Reiches“ und Fragen zur allgemeinen Faszination stellen, die den alten Göttern auch heute wieder entgegengebracht wird.Denn die Botschaften des Christentums oder der aufgeklärten Vernunft scheinen nur noch schwache Lippenbekenntnisse in einer Zeit zu sein, in der neuheidnische und okkulte Gruppen aller Art aus dem Boden sprießen, um einen wachsenden Hunger nach Archaik und Magie zu befriedigen, der Irrweg und Erleuchtung kaum mehr auseinanderhalten kann. Auch in der rechten Szene werden Mythologie und Esoterik immer mehr dazu benutzt, um völkisch-rassistischen Weltanschauungen „Tiefe“ und geheimnisvollen Glanz zu geben.
Brauchen wir überhaupt Mythen, oder sind sie Überreste einer vorwissenschaftlichen Zeit, die mit den Forderungen der Aufklärung nicht mehr vereinbar sind? Beinhalten sie zeitlose Wahrheiten, die uns bei der Lebensbewältigung helfen können, oder spiegeln sie nur ein vergangenes Weltbild, das höchstens nostalgische Sehnsüchte befriedigen kann? Wie konnte es passieren, daß in einer modernen Zivilisation von hohem kulturellen Niveau am Anfang dieses Jahrhunderts archaische Bilderwelten aufbrachen, die große Teile eines Volkes in einen Taumel der Begeisterung versetzten? Fragen, denen man sich bisher in Deutschland – vielleicht auch aus Angst vor den Untiefen dieses Themas – noch zu wenig gestellt hat, deren Beantwortung aber angesichts des immer stärker werdenden Interesses für Esoterik und Mythologie – vor allem in der rechten Szene – dringend erforderlich erscheint.
Hast du diesen Abschnitt überhaupt gelesen? 😆