Re: Anddies Mottenkiste: Die 70er Jahre

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andysocial

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Flower Travellin‘ Band – Satori (1971)

Hideki Ishima (g)
Jun Kozuki (b, g)
Joji Wada (d)
Joe Yamanaka (v)

Heute gibt es mal ein kleines, etwas unbekannteres Juwel aus Fernost, genauer gesagt aus Japan. Bis vor einigen Jahren war die japanische Rockmusik der 70er weitestgehend unbekannt bis Julian Cope ein wunderbares Buch (Japrocksampler) darueber schrieb. Wie viele andere kam auch ich so auf den Geschmack der japanischen Rockmusik aus der Zeit. Kann ich wirklich nur empfehlen das Buch, ist auch sehr witzig geschrieben. Nunja.
Die wohl staerkste Band Anfang der 70er in Japan war Flower Travellin‘ Band. Anders als der Name und auch Herkunft und Jahreszahl vermuten laesst spielen die Jungs von Manager-Mastermind Yuya Uchida keine Hippiemusik, oder einen 60s Abklatsch sondern mammuthaften Protodoom im Sinne von Black Sabbath. Waere die Band auf unserer Seite des Globus gewesen, sie haette heute sicherlich einen anderen Status. Das erste Album von FTB erschien 1970 und beinhaltete nur Coverversionen, darunter auch eine irrwitzige Version von Black Sabbath – Black Sabbath. Fuer das 2. Album Satori (Erleuchtung) war der Weg also vorgegeben.
Satori, Part I. Das Album startet mit einem monotonen Pfeifen, ein paar Klimperein und einem Schrei der durch Mark und Bein geht. Es folgt ein wunderbarer Riff, Sabbath Fans fuehlen sich zu Hause, nur an die 2. Gitarre muessen sie sich gewoehnen. Ozzys Part uebernimmt Joe Yamanaka, ebenfalls mit einem aeusserst eigenartigen Organ gesegnet. Schraeg, sich ueberschlagend dazu eine Sprache die erst beim 2. Hinhoeren wie Englisch klingt. Das macht aber alles nichts, denn hier sind wieder Rifffreunde am Werk. Ein orientalisch verstoerender Song, harter Riff, der Kopf bangt mit, immer wieder unterbrochen durch schnellere Parts und dieser paranoide Riff vom Beginn. Nichts fuer schwache Nerven. Bestnote.
Satori, Part II ist dagegen gemaechlicher, nimmt uns bei der Hand, bis diese elendige Gitarre wieder direkt in Rueckenmark trifft. Fuer den europaeischen Gehoergang ist diese immer wieder gewoehnungsbeduerftig, aber das macht auch das Album aus. Es wird in Teilen die Art des Riffs des ersten Songs uebernommen, jedoch bleibt das ganze zivilisierter und klingt eher nach einem klassischen Cream oder Doors Song der von ueberdrehten japanischen Junkies eingespielt wird. Die Songstruktur stammt noch aus Hippieimprozeiten, Iron Butterfly spielen das aehnlich, nach dem Hauptriff kommt eine endlose Solozeremonie, die immer wieder auf und abflammt, manchmal ganz zum Erliegen kommt, dann wird der Hauptriff wieder aufgenommen und ausufernd variiert. Ganz hat die Band die Sabbath Revolution also noch nicht angenommen. Aber ueber Iron Butterfly motzt auch keiner.
Satori, Part III ist der ganz grosse Wurf. Ein Song wie der erste von Black Sabbath. Stille, in 200km Entfernung werden Toene am Rande der Wahrnehmungsgrenze gespielt, der Riff kommt naeher, man freut sich. Der Volumeregler der Gitarre wird von 1.2 auf 10 gehauen und es rotiert der Kopf. Ein aggressiver, haesslicher Riff, Iommi waere stolz gewesen. Dazwischen funken diese Fernostelemente, ein grosses Solo fuer Gitarreneinsteiger folgt bis zu dem Punkt an dem Hideki Ishima keine Lust mehr hat (und sich elendig verspielt) und wieder den Riff niederknueppelt. Aber wie grossartig ist der. Da kann man ihn auch mal 3min am Stueck spielen. Dann kommt ein klassischer Hardrock Zwischenpart und ein Solo das wieder aus dem Blues stammt. Ein seltsamer Weg aus diesem exotischen doch immer wieder in den Blues zu finden. Dann Explosion, der Song ist nach 6min schlagartig tot, Stille, unkontrolliertes Geklimper. Aber lass uns lieber wieder diesen Riff hoeren. Na geht doch. Wunderbare 10:44min….
Satori, Part IV. Wieder mehr Richtung Westen gedreht kommt das 4. Stueck her. Vielleicht das schwaechste. Kein sonderlich guter Riff, sehr funkig. Ein weiteres Ueberbleibsel der 60er. Ich bin jedes Mal wieder froh wenn die ersten 4min vorbei sind. Danach folgt ein guter Abschnitt, die Mundharmonika (!) wird ausgepackt, der Blues klingt verdammt nach Mountains Mississippi Queen. Hat auch was. Aber trotzdem nicht genug um die 11min des Songs ausreichend zu fuellen.
Satori, Part V macht es dann wieder besser. Der Anfangsriff wird auf den Punkt gespielt, man kennt jedoch die Richtung nicht. Er entscheidet sich gluecklicherweise fuer die nachtschwarze. Joe Yamanaka packt die ganze Bandbreite seiner Stimme aus und jault Tonleitern hoch und runter, laesst uns dann alleine mit einer Gitarre die so verloren ist und langsam ein Solo spielt, dass man zu sieht wie sich die Nebelschwaden Instabilitaeten bilden. So passiert das 4min lang, bis zum Ende der Anfangsriff wieder aufgenommen wird und uns allein dastehen laesst.

http://www.youtube.com/watch?v=jspySKgjzSo