Re: Anddies Mottenkiste: Die 70er Jahre

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Saro

Registriert seit: 13.10.2010

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VÖ: 1977

Johnny Rotten: voc.
Steve Jones: guitar
Sid Vicious: bass
Paul Cook: drums

Tracklist

1. Holidays In The Sun
2. Bodies
3. No Feelings
4. Liar
5. God Save The Queen
6. Problems
7. Seventeen
8. Anarchy In The U.K.
9. Submission
10. Pretty Vacant
11. New York
12. E.M.I.

Sex Pistols

Die Geschichte einer der wahrscheinlich kontroversesten Bands des 20. Jahrhunderts beginnt bereits im Jahre 1973, als die Kumpels Steve Jones, Paul Cook und Warwick Nightingale eine Offenbarung hatten, nämlich mit gestohlenen Instrumenten und Equipment eine Band zu gründen. 1974 kam mit Glen Matlock der erste Bassist und Songwriter an Bord. Mit nebensächlichen Dingen wie Bandnamen, schlug man sich die ersten 2 Jahre gar nicht erst rum. Es zählte Musik zu machen und dem Establishment ans Bein zu pissen. 1975 konnte man den ersten Auftritt verbuchen. Noch im Juni des selben Jahres musste Warwick Nightingale das Feld räumen, Steve Jones wechselte vom Mikro an die Gitarre und mit niemand geringerer als John Lydon alias Johnny Rotten machte es sich am Mikro bequem. Der erste Auftritt unter dem Namen Sex Pistols wurde am 05. November 1975 absolviert.

Bedenkt man, dass es die Sex Pistols auf gerade mal ein einziges Album bringen und sich bereits 1978 wieder auflösten, ist in den wenigen Jahren ihres Bestehens so einiges passiert:

Nach einem Gig im September 1976 wurde die Band vom EMI-Label unter Vertrag genommen! Ihre erste Single, Anarchy in the U.K., erschien im November 1976. Nach einem, nennen wir es mal, spektakulären Fernsehauftritt auf ITF zog EMI nicht nur den Schwanz ein, sondern auch die Single zurück und kündigte im Januar ’77 prompt den Vertrag mit der Band. Aufgrund häufiger Reibereien mit Front-Assel Rotten verließ Glen Matlock im Februar 1977 die Band. Ersetzt wurde er durch Sid Vicous. So ganz die Punks, ging es der Band offenbar weniger darum, dass Mr. Vicious sein Instrument beherrscht, dafür passte er optisch hervorragend zu den Pistols. Sicherheitshalber spielte dann aber doch Gitarrist Steve Jones die Bassspuren ein:P
Die zweite Single, nicht weniger berüchtigt als Anarchy In The U.K., der Klassiker God Save The Queen, sollte unter dem Label A&M erscheinen. Alle gepressten Einheiten wurde jedoch noch vor dem Erscheinen wieder eingestampft und der Vertrag mit der Band aufgelöst^^
Bislang hatte man mit Abfindungen mehr Kohle gemacht, als mit der Musik. Wie sagt man so schön? In der Not frisst der Teufel fliegen und so unterschrieb man schließlich beim verhassten „Hippie-Label“ Virgin, welche die Single dann auch endlich veröffentlichten, und zwar rechtzeitig zum Thronjubiläum der Queen. Um die Chartplatzierungen von God Save The Queen ranken Gerüchte, dass die Single, welche es offiziell nur auf Platz 2 der englischen Charts schaffte, eigentlich den „Thron“ bestiegen hätte. Die Verantwortlichen jedoch, welche angeblich alle Loyalisten des Throns waren, vertauschten in der öffentlichen Darstellung der Charts die ersten beiden Plätze, so dass die Pistols lediglich den zweiten Platz bekleideten.

Die Single erlangte zusätzliches Prestige, als die Band sich zum Geburtstag der Queen 1977 ein Boot mit dem wunderschönen Namen Queen Elizabeth mietete, auf welchem sie, mitten auf der Themse und vor Journalisten und geladenen Gästen, in voller Lautstärke einen Gig zum Besten gaben^^. Das Boot wurde von der Wasserschutzpolizei geentert und ein Groß der Passagiere verhaftet. Die Band kam nochmal mit dem Schrecken davon und konnte sich verpieseln. Verständlicherweise fanden einige Royalisten das ganz und gar nicht witzig und schlugen die Band wenig später zusammen.
Man mag es kaum glauben, aber 1977 erschien dann tatsächlich das erste und letzte Studioalbum der Sex Pistols, Never Mind The Bollocks, Here’s The Sex Pistols. Eine Klage wegen angeblicher Obszönitäten im Albumtitel, wurde abgewiesen.
Man kann das jetzt alles als pubertäre Provokationen abtun, was z.T. sicherlich auch zutrifft, doch sollte man auch erwähnen, dass sowohl die Texte, als auch das Betragen der Bandmitglieder bezüglich der Regierung und Monarchie, in erster Linie ein Ventil für die Wut und Verzweifelung der damaligen, in England lebenden Jugendlichen darstellte. Ähnlich wie der Grunge in den 90ern und genau so kurzlebig.

Das Album

Das ist geil. Jetzt habe ich hier schon nen ganzen Roman verfasst, ohne wirklich auf das Album eingegangen zu sein. Die Story der Pistols liest sich wie sämtliche Britney Spears-Berichte: Viele Skandale, wenig Musik. Allerdings sehe ich die Erwähnung dieser Skandale als notwendig an, um verstehen zu können, wie ein Album, dass, sind wir mal ehrlich, musikalisch irgendwo zwischen Demo und Fußpilz anzusiedeln ist (zumindest was das Können der Protagonisten angeht), so erfolgreich und essenziell werden konnte.

Es gibt ja doch recht viele gute Alben. Aber wieviele dieser Alben werden als wegweisend und essenziell angesehen? Das, was Paranoid für den Heavy Metal, Venoms Black Metal für die erste Black/Thrash Metal-Welle und The Stooges als Band für den Punk im Allgemeinen bedeuten, stellt das Pistols-Debüt für die Punk-Szene der Endsiebziger dar.
Musikalische Höchstleistungen darf man hier natürlich nicht erwarten, aber gute Musik muß ja nicht zwangsläufig kompliziert sein. Never Mind hat andere Qualitäten.

Songs wie der Opener Holidays In The Sun, No Feelings, Problems oder auch E.M.I. zeichnen sich durch ihr puristisches Gesamtbild aus. Die Riffs sind markant, die Refrains gehen sofort ins Ohr und jeder Song als Ganzes verströmt einen vollendet rotzigen Flaire. Maßgeblich dazu trägt unbestreitbar die Stimme Johnny Rotten’s bei, der zwar weit davon entfernt ist singen zu können, doch trotzdem alles richtig macht und wahrscheinlich auch Alle Meine Entchen in eine anarchistische Hymne verwandeln könnte.
Jedes gesungene Wort schreit dir, gleichgültig ob seiner eigentlichen Bedeutung, ein lautes „FUCK YOU“ ins Gesicht. Lange Rede, kurzer Sinn: Dieses Album ist der Inbegriff von Punk Rock. Ich bin kein Fachmann für Punk, kenne aber das ein oder andere Album und möchte behaupten, dass, abgesehen von den Stooges und vielleicht den Ramones & NY Dolls, alles, was nach diesem Scheibchen unter dem Begriff „Punk“ released wurde, nix weiter als Kindergeburtstag ist. Ok. Inzwischen gab es schnellere Songs und härtere Texte, aber dieses spezielle Feeling kann noch lange nicht jedes Punk-Album vermitteln. Unsterbliche Klassiker wie Anarchy In The U.K., Submission und God Save The Queen gehen einfach immer.

Wenn es heisst:

I am an antichrist
I am an anarchist
Don’t know what I want
But know how I get it
I wanna destroy the passer by
‚Cause I wanna be anarchy!

Kann man nicht anders, als in bierfeuchter Glückseligkeit mitzugrölen 😉

Spätestens seit den 80ern sollten die Sex Pistols auch in der Metal-Szene ein Begriff sein. Die Bandklassiker Anarchy In The U.K. und God Save The Queen wurden schon zig mal gecovert. Besonders hervorzuheben wären die AitU.K.-Versionen von Megadeth und Mötley Crüe, sowie das God Save The Queen-Cover von Motörhead.

Never Mind The Bollocks, Here’s The Sex Pistols ist ein Klassiker, der auch heute noch wunderbar funktioniert und eine Bereicherung für jede Party ist. Die CD kriegt man mittlerweile hinterher geschmissen, was eine hervorragende Gelegenheit bietet, seine Plattensammlung um ein Schätzchen zu erweitern.

Sex Pistols – No Feelings
http://www.youtube.com/watch?v=VqS6P4itDPw

Sex Pistols – Holidays In The Sun
http://www.youtube.com/watch?v=S3sfyHi3UYE

Sex Pistols – Anarchy In The U.K.
http://www.youtube.com/watch?v=0TZ_9-rbslo&feature=related

Sex Pistols – God Save The Queen
http://www.youtube.com/watch?v=0m7d9QwyDRY