Re: Dancing Mad God vs. [A.F.P.] (hier fancy Thread-Titel einfügen)

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Dancing Mad God

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Portal – Tempus Fugit

Haha, das Intro klingt wie der Pausengong an meiner alten Schule – das Signal, die Sachen einzupacken und sich mit dem Discman (das Ding hat vielleicht Batterien gefressen…) in eine stille Ecke zu hocken, um die neuen Alben anzuhören.
Was danach folgt, klingt allerdings wesentlich weniger nostalgisch. An dieser Stelle muss ich mal den Sampleraufbau loben: Äußerst geschickt, mit diesem Song den BM-lastigen Schlussteil des Samplers einzuleiten, da „Tempus Fugit“ kaum weniger chaotisch ist als „Failure…“, aber eben ein gutes Stück schwärzer.
Das Ganze klingt ein bisschen, als hätten Deathspell Omega eine Menge Death Metal gehört und sich daher entschlossen, den Sound tiefenlastiger zu gestalten und einen noch etwas grummeligeren Sänger zu engagieren. Obwohl das nicht hierher passt, muss ich über DsO sagen, dass mir ihre Hörerschaft nicht durchgehend sympathisch ist: In einem anderen Forum hat z.B. mal jemand geschrieben, sie hätten den Black Metal endlich vom „Lagerfeuer-Geschrammel“ der 90er erlöst, was mich zeitweise tatsächlich etwas von der Band abgeturnt hat, obwohl die für solch einen Hirnkleister natürlich nichts kann.
Aber zu Portal. Die Band verzichtet konsequent auf Melodien, Harmonien und Groove, sodass letztendlich ein dissonantes Gebräu übrig bleibt, das von der (insbesondere im Vergleich zur kristallenen Schärfe von Ion Dissonance) ziemlich dumpfen Produktion in eine Art schwer genießbaren Brei verwandelt wird, durch den man knapp viereinhalb Minuten lang hindurchstapfen muss. Ist man durch, stellt man erfreut fest, dass Hose und Schuhe sauber geblieben sind: Von diesem Brei bleibt nämlich nichts hängen. Mir zumindest geht es so, dass „Tempus Fugit“ einfach an mir vorbeizieht, ohne die geringsten Widerhaken ins Gedächtnis zu schlagen; der Liedtitel ist in dieser Hinsicht sehr passend, weil die Zeit beim Hören einfach so vergeht, ohne dass sich viel ändert.
Bei Weitem kein schlechter Song, der auch während seiner Spieldauer eine gewisse Düsternis verbreiten kann, aber leider keinerlei bleibenden Eindruck hinterlässt und damit außerhalb dieses Samplers auch nicht sonderlich interessant für mich ist.

Teitanblood – Infernal Dance Of The Wicked

Grandioser Übergang vom vorhergehenden Song, der die schrittweise Überleitung vom Chaos zur Finsternis perfekt macht.
Teitanblood klingen Portal erstmal gar nicht so unähnlich, nur dass die Produktion nochmal ein ganzes Stück trver, will sagen roher und rumpeliger geworden ist. So richtig nach Black Metal klingt es trotzdem nicht, weil die Gitarren hier weniger ein hohes Sägen als vielmehr ein tiefes Knarzen von sich geben, was aber gut in Bild passt. Weiterhin gibt es ein paar Details, die mir bei Teitanblood besser gefallen als bei Portal. Zunächst wäre da der Sänger, der sich nicht nur die komplette Spielzeit über etwas in seinen Bart brummt, sondern eine gewisse Variation erkennen lässt: Der massive Hall lässt sein Krächzen beschwörend von den Wänden einer lichtlosen Schlucht widerschallen, gelegentlich stimmt ein gequältes Kreischen ein und lässt die tiefschwarzen Steinwände noch ein Stück näher rücken. Auch die Instrumente setzen hier eher mal Akzente, z.B. mit einem groovigen Part nach ca. zwei Minuten, in dem das Schlagzeug dann passenderweise ins Midtempo wechselt. Das ist zwar alles relativ simpel, kommt deswegen aber auch bei der herrschenden Minimalproduktion noch zur Geltung. Wo bei Portal nur ein indifferentes Finster erkennbar war, rumpelt hier Geröll von den Steilwänden und droht mich in einen Abgrund zu schieben; bei näherem Hinsehen entpuppen sich die vermeintlichen Felsstücke als Totenschädel, die von einer bösen Macht aus ihren Hügelgräbern gerissen wurden. Gegen Ende scheint diese böse Macht sich dann auch noch etwas klarer zu erkennen zu geben, als ein wabernder Synthie aus den düsteren Felswänden glüht; leider wird dieser Effekt nicht voll ausgespielt und der Song klingt aus, bevor mit diesem neuen Stilmittel zusätzliche Atmosphäre aufgebaut werden kann.
Hier wäre am Schluss noch etwas mehr drin gewesen, aber trotzdem hat mir das Lied ziemlich gut gefallen. Ob ich mir sowas auch auf Albumlänge geben könnte, ist aber wieder mal fraglich, denn so richtig meine Musik ist dieser Rumpel-Death/Black eigentlich nicht.

Altar Of Plagues – With Fire In Our Veins We Drown In Light

Zum Abschluss nochmal ein Genre, mit dem ich wesentlich vertrauter bin, nämlich der gute alte Post Black Metal. Zugleich ist „With Fire…“ der längste Song des Samplers und sorgt so für einen epischen Abschluss.
Das Intro hält zunächst unverzerrte Gitarren bereit, deren klarer Klang nach Teitanblood die Ohren regelrecht aufploppen lässt und die leicht melancholisch, aber nicht sonderlich düster wirken. Die schließlich einsetzenden E-Klampfen bergen keinerlei Überraschungen, klingen sie doch absolut genre-typisch und lassen an die kaskadischen Regionen der USA denken, die mittlerweile von Black-Metal-Bands geradezu übervölkert sein dürfte. So kommt es denn auch, dass die Gitarren der für mich am wenigsten großartige Teil des Songs sind: Jederzeit ordentlich komponiert und gespielt, unterstützen sie die Atmosphäre des Songs angemessen, ohne dass sie mich auf sich allein gestellt mitreißen könnten.
Müssen sie aber auch nicht unbedingt, denn da ist ja noch der Gesang und der ist bei den Iren tatsächlich einzigartig und fesselnd. Ganz verschiedene Stile kommen hier zusammen, doch was ich anderswo kritisiere, klappt hier hervorragend, da jede stimmliche Darbietung nicht nur für sich betrachtet großartig ins Bild passt und authentisch wirkt, sondern sie alle auch noch hervorragend zusammen funktionieren. Da gibt es ein dämonisches Brüllen wie aus dem Schlund eines wütenden Kriegsgottes; ein martialisches Grölen von Kriegern, die diesem Wesen den gewünschten Blutzoll zu entrichten gedenken; und ein verzweifelt klingendes Kreischen, das dem Klang nach einer weiblichen Kehle entspringen könnte.
Das Songwriting gestaltet sich recht dynamisch mit eingestreuten Ruhepausen, in denen schönes Bassspiel die angespannte Stimmung während der Schlachtpause nicht verebben lässt; der absolute Höhepunkt ist jedoch der Part nach ungefähr neuneinhalb Minuten, in dem, eingeleitet von einer bedrohlichen Akustik-Melodie, einmal mehr das gequälte Kreischen erschallt. Dieses Mal bin ich mir sicher, dass es eine Frauenstimme ist und sie erzeugt sogar eine sehr konkrete Assoziation in mir: Nämlich zu Born Again von Overmars, wo eine ähnlich durchdringende Performance zu hören ist. Wo die Frauenstimme in diesem monolithischen Sludge-Epos jedoch aus der klaustrophobischen Umgebung feuchter Kellerwände zu kommen scheint, wirkt der musikalische Kontext hier (Post-)BM-typisch naturverbunden und weitläufig, ein vom Feuerschein erleuchteter Wald, wo eine Überlebende die Verzweiflung über ihr niedergebranntes Dorf herausschreit.

Dieser fantastische Abschnitt und die Gesangsleistungen insgesamt machen, gestützt von einem soliden post-schwarzen Fundament, „With Fire…“ zu einem großartigen und einnehmenden Song, der diesen Sampler gelungen ausklingen lässt. Hätte ich die Band, deren Name mir natürlich bekannt ist, nicht jahrelang links liegen gelassen, hätten mir 2008 vielleicht auch die Gitarrenmelodien etwas mehr Begeisterung entlockt, aber da kann man nichts machen. Trotzdem bin ich überzeugt, dass Sol auch verspätet eine wertvolle Ergänzung für meinen Plattenschrank wäre.

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[indent]Jerry lacht wie ein Kind. Schlurft wie ein alter Mann. Langsame, schleppende Sprache. Zufällige Gedanken, die in einem sterbenden Gehirn hängenbleiben. Verworrene Erinnerungen. Stimmen, die sonst niemand hört.[/indent]