Re: Moralisches Dilema

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Leukon

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abrakadabradas ist kein einwand gegen den utilitarismus, denn wie sich menschen ihrem wesen nach verhalten, interessiert die utilitaristen nicht, wenn sie definieren was „gut“ und „schlecht“ ist.

dass ich selbst nicht bereit wäre gewisse utilitaristisch gute handlungen zu setzen, liegt wie du schon richtig erkannt hast, in meiner natur. das heißt aber nicht, dass dies irgendwas an der richtig- und falschheit besagter handlungen ändert, sondern bloß dass es ein paar harte entscheidungen gibt, für die ich einfach zu weich bin.

edit: wenn ich von „glück“ spreche, meine ich „pleasure“, es geht also nichts verloren, sondern gewinnt nur an schärfe.

Peter Singer benennt als die Grundlage utilitaristischer Ethik ganz eindeutig ,,das Prinzip der gleichen Interessenberücksichtigung‘‘. Es kann dem Utilitarismus daher gerade nicht egal sein, wie die Interessen der Menschen (der Tiere, der Pflanzen) beschaffen sind. Und deshalb liegen der Theorie durchaus bestimmte Annahmen über das Wesen der Menschen (der Tiere, der Pflanzen, auch der unbelebten Materie) zugrunde, die sich als richtig oder falsch erweisen können.

Am Organträger-Fall erweist sich, dass die absolut gesetzte menschliche Rationalität in Konflikte mit den physiologischen Tugenden gerät, d. h. Sozialregulationen über die nicht ,,vernünftig‘‘ disponiert werden kann (die Mitleidsreaktion kann auch ein – in der Theorie – hartgesottener Utilitarist nicht abschalten). Darüber hinaus verstrickt sich der U. infolge seines entgrenzten universalistischen Anspruchs in Konflikte mit dem Ethos der Institutionen (etwa: der Familie, der Sippe, in Sonderheit des Staates). Das veranlasst die meisten Vertreter einer solchen Handlungsethik dazu, die anderen Ethosformen als unvernünftig und bekämpfenswert anzusehen; so bezeichnet du Regungen des Mitleids selbst als ,,weich‘‘ – das impliziert, besser wäre es, sie zu überwinden. Das ist ein theoretisches Konzept, das von moralischem Irresein nur noch schwer unterscheidbar ist. Denn nicht gegen, sondern nur durch diese oberhalb der unzulänglichen bewussten Rationalität des Einzelmenschen lokalisierten Regulationen haben wir Anteil an einer höheren Vernunft und Halt in der Welt.

Eine Gesellschaft, in der menschengemachte Wahrheit an die Stelle Gottes tritt, zerstört sich selbst, würde Papst Benedikt mit Recht sagen. (Wenn man den Gottesbezug nicht nachvollziehen mag, kann man bei Konrad Lorenz oder Arnold Gehlen fündig werden.) ,,Die Vernunft führt zum racionalismo, und diesem entsteigen die Doktrinen, die Europa erschüttern, er ist Ursprung des Liberalismus und des Sozialismus. Jegliche Vernunft, die ihre Unabhängigkeit erklärt, führt zu Krieg und Bürgerkrieg.‘‘ (Günter Maschke, Das bewaffnete Wort, S. 119f. )

Mit diesem Beitrag liefere ich, wie ich hoffe, auch eine Antwort auf die Fragen, die mir _Jan_ gestellt hat.

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