Re: Ist Fleisch essen ok?

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Dubby

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DarayGut, manchmal klappt es, mittels Fragen zu bestimmter Erkenntnis zu gelangen und ich kann es mir damit sparen lange Texte zu schreiben und manchmal klappt es nicht. Lass mich also den langen Text schreiben und hoffen, dass du dies als konstruktiver empfindest.

Vielen Dank, dann schauen wir doch mal.

Mein Problem ist, dass du versuchst eine Art Pantheismus und ein Wissen über ein uns fremdes Bewusstsein in die Diskussion einzubringen. Das scheint mir eingewaltiger Fehler zu sein. Wir haben keinerlei Einsicht ob und welche Bedürfnisse, Ziele und Wünsche ein Tier oder gar die gesamte Biosphäre (was du sonst auch immer mit Natur meinst) hat. Entsprechend wenig Sinn macht es diese erfüllen zu wollen. Wir wissen auch nicht, ob es einen „Plan“ gibt, was die Aufgabe der Menschheit betrifft. Möglicherweise ist unser zerstörerisches Verhalten gerade die Aufgabe unserer Spezies. Aber auch hier würde ich sagen, wissen wir nicht und können wir nicht wissen, also können wir unsere Interaktionen mit Tieren auch nicht entsprechend ausrichten.

Wie kommst du darauf wir haben keinerlei Einsicht. Ich möchte an der Stelle doch einfach mal grob das System des Belohnungszentrums anreisen. Wenn ein empfindender Organismus eine Handlung durchführt, die im Sinne des ihm zu Grunde liegenden „Programmes“ ist, dann wird dieser Organismus ein angemehmes Gefühl wahrnehmen: Es wird von Körpereigenen Stoffen dafür belohnt diese Handlung durchgeführt zu haben und ermutigt diese zu wiederholen. Beispielsweise Sex haben oder Nahrungsaufnahme um mal die wichtigsten zu nennen. In der Umgebung, die man allgemein unter Massentierhaltung versteht kann ein Organismus seine Bedürfnisse nur bedingt frei befriedigen, gleichzeitig erfährt der Organismus durch die Haltungsbedingungen sowohl physiche als auch psychische (Tiere haben Gefühle) Schmerzen. Schlossfolgerung: Dem Tier geht es nicht gut. Wenn einem Schwein ohne Betäubung das Scrotum abgeschnitten wird, dann empfindet es Schmerz … es geht ihm nicht gut, das kann ich mich absoluter Sicherheit sagen.

Nun bin ich aber selber jemand, der stark für eine Veränderung von Tierhaltung und dergleichen plädiert. Wie ist dies miteinander vereinbar? Die Antwort hat wenig Charme: es ist irrelevant, ob es den Tieren tatsächlich gut geht, solange ich glaube, dass es den Tieren gut geht. Die Motivation dafür die Lebensbedingungen von Nutztieren zu verändern ist Mitleid. Die Grundlage für dieses Mitleid ist die Frage, „Wie würde ich mich an der Stelle dieses Tieres fühlen?“. Damit anthropomorphisieren wir notgedrungen, da wir keinerlei Zugang haben zu einem tierischen Bewusstsein. Wir Abstrahieren, gewiss, aber die Frage kann nie sein „Wie fühlt sich das Tier?“ sondern wir stecken immer unser Bewusstsein in das Tier.
Aus dieser Frage, meinem Weltwissen und meiner Erfahrung ergibt sich dann eine Situation in der ich Mitleid empfinden kann und damit den Drang habe verbessern zu wollen. Mitleid ist in gewissem Ausmasse Leid und daher sehe ich den Tierschutz als moralische Verpflichtung dem Menschen gegenüber und nicht dem Tier.
Ich vertrete also eine normativ relativistische Form des Anthropozentrismus. Keine Position in der ich sein will. Ganz ehrlich, ich würde lieber das Gefühl haben selbstlos zu sein oder für den Plan einer Natur-Gottheit zu kämpfen und absolut sagen zu können diese Art von Interaktion mit Tieren ist richtig und diese ist falsch. Es sind weitaus attraktivere Positionen, aber meiner Meinung nach eben auch fehlerbehaftete.

Okay, der Absatz geht leider auch davon aus, wir hätten keinerlei Einsicht in das Bewusstsein eines Tieres, deswegen muss ich an der Stelle nach oben verweisen. Ja, der Begriff Mitleid beschreibt einen Zustand des Leides am eigenen Leibe hervorgerufen durch eine Beobachtung eines anderen Organismus und projektion des eigenen Bewusstseins in das eines anderen Organismus. Ja, es ist eine egoistische Handlung, wenn ich an einer Sache etwas ändern möchte, die bei mir Mitleid erregt, denn ich leide darunter. Laut deiner Ausführung wäre es eine rein egoistische Betrachtung etwas an dieser Sache ändern zu wollen, da ich aber davon überzeugt bin ein Urteil darüber fällen zu können, wann es einem Tier gut geht und wann nicht werte ich das Verlangen etwas an dieser Sache ändern zu wollen als sowohl etwas egoistisches als auch etwas altruistisches.

Ein Einwand gibt es natürlich: Ich sage, dass wir keinen Einblick in das Bewusstsein eines Tieres oder gar der „Natur“ haben können, aber trifft dies nicht auf jedes fremde Bewusstsein zu? Nicht nur auf tierisches sondern auch auf das meiner Mitmenschen? Und wenn ja, würde daraus nicht konsequenterweise folgen, dass ich nur mir selber gegenüber moralischen Verhaltens schuldig bin? In radikaler Form würde dies in der Tat aus meinem Argument hervorgehen. Ich finde keinen Weg daran vorbei. In abgeschwächter Form können wir jedoch berücksichtigen, das wir in der Lage sind umfassend miteinander zu kommunizieren und unsere Vorstellungen abzugleichen. Dies würde wiederum aber auch bedeuten, dass Tiere mit denen wir in der Lage sind klar zu kommunizieren ebenfalls in den Bereich unserer moralischer Verpflichtungen fallen, denn ansonsten würden wir in die Speziesismus Falle tappen. Die Frage ist natürlich, was bedeutet klare Ko mmunikation, aber ich denke dmit würden wir uns dann doch auf einen Exkurs begeben, welcher etwas weit weg von Thema „Dürfen wir Fleisch essen“ liegt.

Entfernt sich leider tatsächlich bereits zu sehr vom Topic, ist aber etwas worüber ich mir schon öfter Gedanken gemacht habe: Ist jeder Altruismus nicht irgendwo noch Egoismus? Weiß ich nicht, verdient eigentlich einen eigenen Thread.

Fazit jedoch ist, denn dort gehen unsere Auffassungen auseinander: Es ist möglich eine objektive Aussage zu machen wann es einem Tier gut geht und wann das nicht der Fall ist. Theoretisch können wir das Gehirn eines Tieres mit entsprechendem Gerät scannen und begutachten welche Regionen des Gehirns auf dies und jenes anspringt und somit eine Aussage machen, wie es dem Tier geht.

Ich möchte übrigens noch anfügen, dass es gar nicht so weit hergeholt ist das bewusstsein eines Tieres zu interpretieren indem man das eigene Bewustssein in das des Tieres projiziert. Schau dir mal die genetische Ähnlichkeit zwischen einem Menschen und einem Schimpansen an. Wenn ich Sex habe und mich dabei gut fühle, dann wird das beim Schimpansen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch so sein. Weiterhin muss das so sein, warum sollte sonst ein Affe Sex haben wollen, wenn es etwas unangenehmes wäre … die Spezies würde aussterben.

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Ph'nglui Mglw'nafh [COLOR=#006400]Cthulhu[/COLOR][COLOR=#008080] R'lyeh[/COLOR] Wgah'nagl fhtagn. The oldest and strongest emotion of mankind is fear, and the oldest and strongest kind of fear is fear of the unknown ...