Home › Foren › METAL HAMMER’s Ballroom › Meetingpoint › User vs User › Poesiealbum Written In Blood – Von Liebe, Lærm und Glasscherben
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Dancing Mad God- Teil I
01. James Plotkin- Euphoria Passing
Der Song gibt sich in einen schleppenden Drone- Ambient- Gewand und bleibt darin auch so völlig versunken. Das ist atmosphärisch ziemlich vernebelt und trist alles, leider passiert da auch ziemlich wenig. Auch die postrockig daherkommenden Gitarren wollen mich nicht so recht packen. Rauscht leider an mir vorbei.
02. Little Girl Terrorist- In Absence
Gibt sich mit seinen postrockigen blumigen Einstieg ja noch völlig zugänglich anfangs, soll aber täuschen. Das wird nämlich noch ziemlich abgefahren. Die trauen sich wenigstens was. Da passiert im Grunde alles mögliche. Eine Frauenstimme, die was auf französich säuselt, nur um im nächsten Moment mit heftig verzerrten Black- Metal daherzukommen, dann noch ein Schmachtpart, der von fiesen Grindcore abgelöst wird. Hab ich versehentlich was falsches geraucht? Was solls, ich finds geil.
03. Planning For Burial- Oh Pennsylvania, Your Black Clouds Hang Low
Auch noch dieses schleppende Drone- Doom- Zeug. Etwas euphorisches, oder gar ein bisschen hoffnungsvolles kann man da sowieso nicht erwarten. Und so schleppt sich der Song wie eine dichte Nebelwand ohne nennenswertes Großartiges einen trostlosen Ende entgegen, wo schwarze Wolken den Himmel bedecken.
04. Sunday Munich- Ugly
Der nächste Song fängt ja auch nicht gerade hoffnungsvoll und fröhlich an, besitzt aber mehr Magie. Der naive Gesang stellt einen Kontrapunkt zur eher tristen Stimmung des Tracks dar. Immer wieder entlädt sich der Track durch aggressivere, von verzerrter Stimme geprägten Momenten. Wirkt an manchen Stellen etwas gleichförmig, ist aber an sich durchaus gelungen.
05. Alkahest- Duchess
Puh. Mit dieser depressiven Spielart von Metal muss man schon was anfangen können. Der schmerzerfüllte Einstieg wird dann in der Mitte durch heftig dahinpreschende Parts abgelöst. Mir sind dort manche Stimmungswechsel zu abrupt. Kein Part wird auch nur ansatzweise zu Ende gedacht. Aus den Postrockteil hätte man ja meiner Meinung nach durchaus mehr machen können. Das hätte der Stimmung des Tracks auch gut getan.
06. Oranssi Pazuzu- Andromeda
Sowas ist ja auf Dauer suizidgefährdend. Monoton schleppende Rhythmen, die unter einen vor sich hin siechenden Klangbrei vergraben sind. Dazu komisches Gegrummel aus der Unterwelt. Würde mich nicht wundern, wenn das irgend eine Lustmord- Platte ist, die gerade rückwärts abgespielt wird.
07. OLD- Z.U.
Du kannst aber entwarnt sein. Damit hast du einen ziemlichen Glücksgriff bei mir gelandet. Das ist schleppend, maschinell, kalt, scheint einen düsteren Sci-Fi-Film entsprungen zu sein. Schon die herrlich monotone Schlagzeugarbeit und das melodiöse Gitarrenspiel machen die Nummer zu einen tollen Brett. Dazu die immer wieder herrlich eingesträuten Thrash- Passagen, die für etwas Auflockerung in dieser doch sehr kalten und kargen Stimmung sorgen. Das hier ist definitiv anders, als auf den noch herrlich ironischen Debut, aber nicht weniger gelungen. Ganz dick auf meinen Einkaufszettel notiert.
08. kAlte fArben- Again
Steht stellvertretend für die ganze üble Elektro- Industrial- Soße, die ab Mitte der 90er gekommen ist und auch einer der Gründe ist, mich damit nicht mehr genauer zu beschäftigen. Dieses bollernd- teutonisch dahergekommende Geknarze ist schon nach 3 Sekunden Nervfaktor pur. Nur weg.
09. Earthling- Me & My Sister
Schleppender, vernebelter Trip- Hop. Hat so eine düstere Großstadtatmosphäre. Der rauchige Sprechgesang passt da sehr gut, bleibt aber manchmal etwas gleichförmig und ereignisarm. Ebenso wie im Song mehr passieren könnte.
Der zweite Teil folgt dann später. Und einige meiner persönlichen Highlights auf den Tape werde ich da ja noch besprechen.
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tonitastenBitte nicht den Kopf abreißen. 😕
Hättste dir anders vorgestellt, wa? :haha:
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trying to leave [COLOR=#808080]a mark more permanent than myself[/COLOR]palezHättste dir anders vorgestellt, wa? :haha:
Hat doch seine Highlights. Hast mich ja auch dazu gebracht, mich mit Woven Hand intensiver zu beschäftigen. Die genannte „Mosaik“ besitz ich nämlich auch und bin gerade wieder hin und weg. Von Nico hab ich mich an die „The Marble Index“ auch noch nicht rangetraut und das wird sich auf jeden Fall ändern. Und von Iggy hab ich ja auch noch nichts. 🙂
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Naja, palez kennt halt ihre Pappenheimer, mir gefällt ihr Sampler sehr gut.
Übrigens feier ich die ersten paar deiner Reviews grad ziemlich :haha: Auch wenn’s dir nicht gefällt, von der Wirkung her passt das schon alles so. Willkommen in meiner Welt 😉
Nur deine Äußerungen zu kAlte fArben kann ich so gar nicht nachvollziehen. Ich meine, ich weiß ja nicht, ob du mehr als die kritischen 3 Sekunden gehört hast, aber…das Ding hat keinen durchgängigen Beat! Schon allein das hebt dieses Stück ganz deutlich vom Grufti-Electro-Trash ab, mit dem du es verglichen hast. Solche Musik könnte in keiner Disko dieser Welt funktionieren. Und diese ganzen synthetischen Streicherparts finde ich von der Ausstrahlung her eher fragil, von teutonischem Geboller keine Spur. Zusammen mit den noisig-verzerrten Sounds ergeben sich so eher interessante Kontraste als Stumpfheit.
Nicht, dass ich dir deine Meinung absprechen will…ich versteh’s halt bloß nicht. Davon abgesehen kann ich mir aber auch einiges vom Düster-Electro aus den 90ern anhören, vielleicht ist meine Toleranz da grundsätzlich höher. Worüber ich neulich gestolpert bin:
http://www.youtube.com/watch?v=Liq7psdE13g@palez
Ich bin übrigens deinem Wunsch nach einer Beschreibung des Pepe-Wismeer-Album im Plattensammlungs-Thread nachgekommen, falls du es nicht gesehen hast…--
[indent]Jerry lacht wie ein Kind. Schlurft wie ein alter Mann. Langsame, schleppende Sprache. Zufällige Gedanken, die in einem sterbenden Gehirn hängenbleiben. Verworrene Erinnerungen. Stimmen, die sonst niemand hört.[/indent]Beide Sampler funktionieren in ihrer Gesamtheit absolut und machen einen homogenen Eindruck. Da muss ich euch beide sehr loben. Mir war es in der Hinsicht auch wichtig, dieses schon sehr geschlossene Bild ein wenig zu sezieren und zu sehen, was da für mich noch bleibt.
Und ist Little Girl Terrorist auf Albumlänge wirklich so abgedreht? Mir gefällt der Track ja ziemlich.
Und Cyberaktif ist geil. War ein Nebenprojekt von Skinny Puppy und Front Line Assembly- Mitgliedern, nicht ganz so konzeptorientiert, dafür mit tollen Groove. Da hast du Sympathiepunkte bei mir sicher.
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Ja, dass Cyberaktif so eine Art 90er-Electro-Allstarprojekt sind, war mir bewusst. Umso merkwürdiger, dass ich so lange nichts von denen wusste…
Little Girl Terrorist sind tatsächlich ziemlich durch, ich hab da nicht den wildesten Track rausgepickt oder so. Weiter oben habe ich noch einen Song und ihre MySpace-Seite verlinkt…das Album gibt’s übrigens für 7€ bei Throatruiner, für die ich jetzt einfach mal ein bisschen Werbung mache, weil sie freundlich, schnell und günstig sind und der Welt u.a. das großartige How Hate Is Hard To Define beschert haben…
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[indent]Jerry lacht wie ein Kind. Schlurft wie ein alter Mann. Langsame, schleppende Sprache. Zufällige Gedanken, die in einem sterbenden Gehirn hängenbleiben. Verworrene Erinnerungen. Stimmen, die sonst niemand hört.[/indent]Dancing Mad God@palez
Ich bin übrigens deinem Wunsch nach einer Beschreibung des Pepe-Wismeer-Album im Plattensammlungs-Thread nachgekommen, falls du es nicht gesehen hast…Habe ich gelesen, danke. Paar Reizwörter haben die Band in meinem Hirn verankert, nach dem Mädchendrone-Track werde ich mal suchen…
tonitastenBeide Sampler funktionieren in ihrer Gesamtheit absolut und machen einen homogenen Eindruck. Da muss ich euch beide sehr loben.
Danke für das Kompliment – sehe ich bei meinem nämlich nicht so. :haha:
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trying to leave [COLOR=#808080]a mark more permanent than myself[/COLOR]Dancing Mad GodJa, dass Cyberaktif so eine Art 90er-Electro-Allstarprojekt sind, war mir bewusst. Umso merkwürdiger, dass ich so lange nichts von denen wusste…
Wenn du Ambient magst und vor Trance nicht zurück schreckst, hör dir mal Synaesthesia an. Ganz wunderbare Nebenbaustelle von Leeb/Fulber. Desideratum ist immer noch eine tolle Scheibe. Dieser ganze Zoth Ommog- Kram war bis Mitte der 90er immer noch sehr gut.
http://www.youtube.com/watch?v=v0Gz6RfTj7Q
http://www.youtube.com/watch?v=3w23lNGUk5k
Mit den restlichen FLA/Skinny Puppy- Nebenprojekten hab ich mich noch nicht ganz so intensiv beschäftigt, außer Delerium vielleicht noch.
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Frohe Weihnachten! Möglicherweise wäre in diesem Zusammenhang etwas mehr Begeisterung meinerseits angemessen.
5. Alkahest – Duchess
Stolpernd erscheint die Herzogin auf der Horizontlinie, dreht sich träge um sich selbst in einem Walzer ohne Tanzpartner. Lässt sich auch schlecht tanzen mit Absätzen in einer Sandwüste. Die Stimmung, die von Alkahest generiert wird, hat dabei nichts von Stoner-Coolness, „Duchess“ klingt einfach ziemlich heiß und trocken. Ein bisschen wie eine dehydrierte Version von mittleren bis späten Isis oder, noch besser, Rosetta mutet der Klang an, der durchaus klar und melodisch ist, aber auch unangenehm im Hals kratzt. Und ohne Wasser kann wohl auch lange auf die erforderliche Energie gewartet werden, um das Stück irgendwohin zu führen oder zumindest so geräuschvoll in sich zusammenfallen zu lassen wie bei den mutmaßlichen Vorbildern.
Auch wenn immer wieder Versuche einer Erschütterung unternommen werden. Bei 1:40 zum Beispiel, einem Moment, den man bei Isis mit ertränkenden Brandungswellen vergleichen würde und hier im Sinne der Metapherneinheitlichkeit natürlich nicht. Drums und Rhythmusgitarren bohren sich dann kurzzeitig mit mehr Nachdruck in den unfruchtbaren, erodierten Boden, bis die Band sich bei knapp 3:30 eine zugegebenermaßen wirklich sehr schöne Melodie aus dem Ärmel schüttelt, die reizend in der Abenddämmerungssonne glitzert. Damit wären im Grunde alle wichtigen Bausteine aus dem Setzkasten bekannt, und die werden die restlichen fünf Minutenleicht variiert und recht beliebig aneinandergeklebt. Auf welche Weise genau, ist mir hier irgendwie nicht der Rede wert, denn Versuche von einem wirklich zielgerichteten Aufbau führen hier nicht über eine zwei-Meter-Düne hinaus. Andererseits haben die einzelnen Parts auch an sich zu wenig Ausdruck, um Erwartungen zu enttäuschen.
Das klingt jetzt vieleicht alles ein bisschen zu abschätzig, denn ebensosehr, wie es hier wenig gibt, was mich reizt, gibt es auch wenig, was mich stört. Der Schreihals, der die ganze Sache irgendwie wichtiger nimmt als die verschlafene Restband und deshalb nicht ganz passt, wäre vielleicht noch zu nennen, aber eigentlich geht noch nicht einmal der mir richtig auf die Nerven. Es ist eine Qual, sich über „Duchess“, beziehungsweise über Songs wie „Duchess“ eine Meinung zu bilden. Die folgenden drei Songs finde ich zwar besser, aber im Grunde gilt für sie das Gleiche.
6. Oranssi Pazuzu – Andromeda
An dieser Stelle ist mir bisher immer der gelungene Übergang aufgefallen, weil der Anfang von „Andromeda“ vielleicht mit einer saubereren Produktion auch bei einer run-off-the-mill-Sludge-Band nicht groß auffallen würde. Der würde aber auch nirgendwo groß auffallen. Interessant wird es mit dem Einsatz der verzerrten LSD-Gitarrensirene, die sich deliriös leuchtend über den schwarzen Soundschlick legt. Sobald der Bass etwas dominanter heraustritt, fühle ich mich leicht an das erste Album von Fleurety erinnert, auch wenn hier klangtechnisch mehr passiert, um davon abzulenken.
Die Instrumente ziehen ihre Spazierspiralen alle fehlerfrei harmonisch um das langsame und einfache Rhythmusgerüst und dabei immer noch einzeln ihr Ding durch. Spätestens mit dem Einsatz der Waberorgel (im weiteren Verlauf des Samplers gibt es noch ein erfreuliches Wiedersehen) nach ca. zwei Minuten droht die ganze Chose, überladen wu werden, aber der amorphe, auseinanderströmende Berg aus Soundlayers verflacht recht abrupt bei 3:15 binnen weniger Sekunden.
Dann strömen lavalampenartige Fragezeichenformationen nach oben, ein in ein umgebautes Küchengerät sprechender Sänger erinnert die Pilzköpfe an ein früheres Dasein als Black Metal-Band. Bei 5:20 leitet eine pendelnde Tonfolge ein schlammiges Wogen ein, das immer größer und ansatzweise gefährlich wird und so für eine gute Songdramaturgie sorgt, obwohl sich dieses außerirdische Riesenbakterium ja die ganze Zeit nicht von der Stelle bewegt hat. In der letzten Minute schließt sich der Kreis, das Ende könnte auch an den Anfang angefügt werden.Könnte ich auch machen, wenn ich Lust hätte/habe, den Song nochmal zu hören. Erheblich interessanter als der davor war er ja. Emotional lief das Ganze zwar völlig an mir vorbei. Aber weil ich hier den Anspruch, den Hörer emotional direkt zu berühren (Musik ganz ohne diesen Anspruch wird’s nicht geben, wie soll denn das gehen), eh nicht heraushöre, passt’s auch wieder.
7. OLD – Z.U.
Ich hasse ja die Schreibblockade, wenn mir einfach kein Einstiegsatz einfallen mag. Okay. Also die Old Lady Drivers. „Z.U.“ fängt mit einem lustigen Effekt an, irgendetwas, was nach einem Hubschrauber klingt, soll wohl Actionfilm-Showdown-Spannung erzeugen, klappt auch nicht schlecht. Den cartoonartig grellen und mit Linien abgegrenzten Gitarrensound finde ich auch hier wieder toll. Das Drumming leistet gute Arbeit beim weiteren Aufbau von Spannung und Erwartungshaltung. Dann findet unser Actionfilm halt diesmal im Freizeitpark statt, quälend langsam nimmt der vorderste Achterbahnwagen den steilen Weg nach oben. Diesen Einleitungsmoment finde ich immer unerträglicher als die Fahrt selbst.
Bei 3:20 wäre eigentlich der perfekte Absprungsmoment, aber diese lustlos dahintorkelnde Verzögerung, die danach kommt, kann ich mal gar nicht nachvollziehen. Okay, ab viereinhalb Minuten machen OLD zwar alles viel besser, aber so richtig wird der antizipierte Adrenalinkick wohl jetzt nicht mehr kommen. Mit Zuckerwatte und dem schalen Nachgeschmack eines gebrochenen Versprechens im Mund muss ich aber dennoch feststellen, dass das Gebotene Arsch tritt (was drücke ich mich heute doch profan aus) und einen kräftig durchschüttelt. Die Comicgitarren stoßen gegen Blechwände, der Drummer hat wahrscheinlich den Spaß seines Lebens beim Wechsel zwischen Thrash-Abgang und Veitstanz und der Khanate-Mensch am Mikro wird sich nach seinen gelegentlichen Versuchen, gegen die Industrial-Extrem-Whatevermetal-Instrumentalwucht anzukommen, tagelang mit einer warmen Tasse Kakao in der Hand ausgeruht haben. Jetzt habe ich tatsächlich grundlos gute Laune.
Den komisch schiefen Sturzflug nach ca. sieben Minuten kann ich dann auch noch annehmen, nur doof, dass die Band dann zu dem Part zurückkehrt, der das zweite Songdrittel schon eher misslungen eingeleitet hat. Dann fliegt der Hubschrauber wieder weg und mir bleibt nur noch zu sagen, dass „Z.U.“ mich trotz allem darin bestärkt hat, mich nochmal mit der Band zu beschäftigen.8. kAlte fArben – Again
Wieder kein erster Satz. Aber den haben kAlte fArben ja offenbar auch nicht gefunden. Nach einem etwas unverbundenen Einstieg mit verzerrter Stimme (ich hatte vorher versehentlich „Stille“ geschrieben, was irgendwie auch passt), Flimmern und Geräuschen setzt nach handgestoppten 17 Sekunden ein Beat ein, der den Song sofort auf links zieht. Nicht einmal bis zur vierzigsten Songsekunde hält die Band diesen durch – dann gibt es wieder eine von Geräuschen notdürftig gefüllte Leerstelle, in die sich auch noch ein doch ganz nettes Streichersample mischt. Das geht eine Minute lang so, die Streicher bleiben danach noch, um sich von ahnungslosen Leuten wie mir als orientalisch bezeichnen zu lassen, der Beat nähert sich dem Boden wie ein großes, schweres Raumschiff – und nix is. Nein, nicht, dass „Again“ noch Bodenhaftung bekommt. Es wird wieder leise und suspekt, Stimmen, Samples, Geräusche und durchbrennende Elektroleitungen. Dann darf die Beatmaschine wieder, auch die sexy Streicher haben einen neuen Einsatz. Eine Ball-Farce wie in Agententhrillern, nur der Boden besteht immer noch aus Lava. Das on-off-Spiel kenne ich nun schon zu Genüge, der plötzliche und sehr laute Einsatz der Beatnähmaschine bei ca. 3:30 erschreckt mich dennoch. Die letzten paar Minuten geraten etwas enttäuschend, nachdem kAlte fArben das Stück zuvor mit allen möglichen Wendungen vollgestopft haben. Statt der liebgewonnenen kalten Dusche nach Narkosephasen löst sich „Again“ einfach nur in Geräuschen auf.
Klingt ein bisschen wie eine Mischung aus Skinny Puppy und dem einen Song von yelworC, den du mir mal gezeigt hast. Hätte auf dem zweiten Tape vielleicht auch eine bessere Figur gemacht. Vielleicht aber auch nicht, denn die Dark Electro-/Tanzindustrial-Songs auf dem Tape waren allesamt Hits oder zumindest wirklich zwingend. Hier hätte es geholfen, ein wenig von der Stumpfheit beizumischen, die Toni der Rodelkönig dem Song unterstellt hat. Dann könnte man das Ganze zwar leichter blöd finden, aber auch leichter unwiderstehlich. Keine Ahnung, vielleicht höre ich nochmal rein, falls die EBM-/Dark Electro-Phase noch zeitnah wiederkommt.
Puh. Der Rest des Samplers wird mir erheblich mehr Spaß machen.
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trying to leave [COLOR=#808080]a mark more permanent than myself[/COLOR]Danke für dein Feedback. Natürlich hatte ich mir von den Reaktionen etwas mehr erhofft.
Dass dich die „zugegebenermaßen wirklich sehr schöne Melodie“ bei „Duchess“ anscheinend doch absolut kalt läst und der nicht sonderlich revolutionäre Aufbau des Ganzen den Gesamteindruck so stark trübt, finde ich etwas schade. Dass hier Songteile beliebig aneinandergeklatscht werden, empfinde ich so nicht, für mich ist der Song eine Reise durch die Wüste, von einer erquickenden Oase am Anfang zur nächsten am Schluss des Songs. Ich habe mich einfach in diese Melodie verliebt.
Dass „Andromeda“ bei dir nicht zündet, hätte ich mir auch nicht träumen lassen…immerhin, um Berechenbarkeit brauchst du dir in meinem Fall keine Sorgen mehr zu machen. Die merkwürdig verzerrten Sounds geben mir immer wieder das Gefühl, unter der Eisschicht eines zugefrorenen Sees gefangen zu sein…den „Anspruch, den Hörer emotional direkt zu berühren“ vermisse ich hier wirklich nicht, im Gegenteil ist es einer der emotionalsten Songs des Albums (und eins der Lieder des Jahres) für mich. Die meisten anderen Tracks auf dem Album sind typischer für die Band und damit auch näher am Black Metal:
http://www.youtube.com/watch?v=X5jnoQdbCHYDer kAlte-fArben-Song enttäuscht wirklich alle Erwartungen, die in seinem Verlauf im Hörer Gestalt annehmen könnten, gerade deshalb finde ich ihn aber irgendwie cool. Die Musik des Künstlers klingt nicht immer so, straighte Beats sind keine Seltenheit und manchmal klingt’s gar nach NIN-artigem Industrial-Rock (mit entsprechender Rocksong-Struktur), allerdings immer deutlich hörbar im EBM verwurzelt. Beispiele gibt’s auf YouTube leider nicht viele, hier trotzdem eines:
http://www.youtube.com/watch?v=2bimQywr5So&feature=relatedPuh. Der Rest des Samplers wird mir erheblich mehr Spaß machen.
Na hoffentlich…bislang sieht das Ganze ja eher nach Fehlschlag aus…
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[indent]Jerry lacht wie ein Kind. Schlurft wie ein alter Mann. Langsame, schleppende Sprache. Zufällige Gedanken, die in einem sterbenden Gehirn hängenbleiben. Verworrene Erinnerungen. Stimmen, die sonst niemand hört.[/indent]Dancing Mad GodDass „Andromeda“ bei dir nicht zündet, hätte ich mir auch nicht träumen lassen…immerhin, um Berechenbarkeit brauchst du dir in meinem Fall keine Sorgen mehr zu machen.
Berechenbarkeit ist ja eigentlich eine praktische Sache, dann könnte ich hinsichtlich Musikempfehlungen das Internet mit nahezu hundertprozentiger Trefferquote für mich arbeiten lassen.
Ich bin mir zudem recht sicher, dass mein Mangel an Begeisterung eher auf meine gegenwärtige Verfassung zurückzuführen ist als auf die vorgestellte Musik oder meinen grundsätzlichen Geschmack. Vielleicht wühle ich mich nochmal durch meine Datenordner, falls es mir mal weniger eklig geht.--
trying to leave [COLOR=#808080]a mark more permanent than myself[/COLOR]Planes Mistaken For Stars – To Spit A Sparrow
Von der Band mit dem merk-würdigen Namen habe ich schon öfters was gehört, bloß keine Musik. Bis jetzt.
Der Ausbruch, den ich bei den Telstar Ponies noch etwas vermisst habe, wird hier quasi nachgeliefert. Nach einem passend zum Song ziemlich kurzen Intro holzen die E-Gitarren auch schon los; der erste Laut, den der Sänger von sich gibt, ist ein wütender Aufschrei.
Naja, eigentlich ist „holzen“ der falsche Begriff für das, was die Gitarren hier tun, auch wenn es nach dem ausführlichen Spannungsaufbau in Gestalt von „Her Name“ erst einmal so wirkt. Tatsächlich sind PMFS wesentlich näher an modernem Post-Hardcore als an punkig-rotzigem Oldschool-HC – mit dem Unterschied allerdings, dass hier der ausladende Gestus und die deutliche Auflösung herkömmlicher Strukturen fehlen. Muss aber auch nicht sein, wurde eh alles schon zu Genüge durchexerziert; den irreführenden Fliegern gelingt hier immerhin ein Spagat zwischen kraftvollem und doch filigranem Spiel, wunderbar getragen vom krachenden und doch differenzierten Sound.
Besondere Erwähnung verdient in jedem Fall auch der Sänger, der eine wunderbar rohe Energie ausstrahlt; das kehlige Brüllen klingt so echt, so wenig technisch, dass man fast annehmen muss, der innere Schmerz und Zorn des Vokalisten sei derart intensiv, dass ein wund geschriener Rachen einfach nicht mehr ins Gewicht fällt.
Doch, sehr feiner Song.Modern Life Is War – I’m Not Ready
In eine ganz ähnliche Kerbe wie ihre Vorgänger schlagen auch Modern Life Is War, was erstmal einen sehr gelungenen Übergang erzeugt.
Im direkten Vergleich fällt auf, dass Modern Life Is War weniger Energie freisetzen als ihre Vorgänger, dass vor allem ihr Gitarrenspiel eine gewisse epische Note, dafür weniger urwüchsige Emotionalität hat. Unter anderem deswegen finde ich hier nicht so ganz den Zugang; ein anderer Grund ist der Schreihals, dem gerade die positiven Eigenschaften abgehen, die ich beim PMFS-Shouter noch gelobt habe. Im Grunde klingt das alles ganz doll verzweifelt, ich nehm‘ das den Jungs bloß nicht so hundertprozentig ab.
Positiv anmerken muss ich allerdings die Feedbacks, die neben dem Grundriff den Gitarrensound beherrschen; auf sowas steh ich ja ungemein, gibt dem Song ein dichteres Klangbild und außerdem einen lärmigen, ungeschliffenen Touch, der das Ganze für mich erheblich aufwertet.
Durchaus ein mehr als hörbares Lied, aber die Band interessiert mich trotzdem nicht so sehr wie andere auf diesem Sampler.Wipers – Youth Of America
Diese hier z.B.
„Youth Of America“ fängt mit einem energetischen Punk-Riff an, ziemlich simpel und höchst eingängig. Den Gitarrensound finde ich sofort klasse, schön rotzig und etwas verwaschen, dabei nicht zu dünn produziert. Neben dem Hauptriff erzeugt die Gitarre zwischendurch auch gerne mal einfach nur noisiges Geschrammel; in diesen Phasen übernimmt der Bass lückenlos die Melodieführung, sodass das musikalische Leitmotiv nie ganz aus dem Blickfeld (Lauschfeld?) gerät. Zu guter Letzt ist da auch noch der Sänger, der passend aggressiv klingt; allerdings hat man vom ersten Ton an den Eindruck, dass dieser Typ echte Gründe für seinen Ärger hat und nicht nur angepisst ist, weil das mit rasiertem Schädel und Dosenbier in der Hand eben so sein muss. Wenn jemand solch einen Ausdruck in seiner Stimme hat, kann eigentlich schon nicht mehr viel schief gehen.
So weit, so gut. Wir hätten also einen ziemlich guten Punk-Song, der selbst mich als Fremdling in diesem Genre überzeugen kann; ein Haufen angepisster Jungs in zerrissenen Jeans und versifften Lederjacken, die sich über unerträglichen Druck und beschnittene Freiheit auslassen und denen man auch zuhören will.
Nun dauern allerdings die meisten Punk-Songs so ca. drei Minuten, dieses Lied jedoch mehr als zehn. Was also passiert noch in „Youth Of America“?
Noch bevor die dritte Minute erreicht ist, scheinen Wipers alles gesagt zu haben, was man mit konventionellem Punk sagen kann und der Song könnte eigentlich aufhören. Was er stattdessen tut: Erst richtig interessant werden. Nachdem der Refrain zum vorerst letzten Mal erschallt ist, geben die Gitarren plötzlich jegliche Struktur auf und ergehen sich in Feedback-Orgien und Lärm-Collagen; plötzlich setzt ein geradezu außerirdisches Dröhnen ein (warum gibt es keine gute Übersetzung für „otherworldly“?), als ließe die Band die Grenzen des Universums verschwimmen, würde zu einem schwarzen Loch, das Materie verschluckt und Dimensionen verzerrt.
Dabei geben sich Wipers allerdings nie vollständig einem zugedröhnten Psychedelic-Sound hin, der aus solchen Klängen ebenfalls hervorgehen könnte; alle verstörenden Geräusche werden auf dem gleichen Rhythmus-Fundament zelebriert, das den Song von Beginn an getragen hat. Die Punks stehen immer noch im Zentrum und geben diese Stellung auch nicht auf, spielen am Schluss auch noch einmal ihren rebellischen Refrain. „Youth Of America“ wird dadurch nicht in etwas völlig anderes transformiert, sondern stellt zuerst die Auflösung des Bestehenden dar; statt gleich die Shape Of Punk To Come zu präsentieren, wie eine andere einflussreiche Band es viel später selbstbewusst tun sollte, liefern Wipers hier augenscheinlich die Trümmer, aus denen solch eine Form erwachsen konnte (wobei ich natürlich nicht weiß, ob Refused Wipers als Einfluss angeben. Wundern würde es mich zumindest nicht).Wirklich faszinierendes Lied. Eingängig, mitreißend, experimentell, herausfordernd, merkwürdig, emotional…alles auf einmal und dabei völlig kohärent. Auch für mich eine Entdeckung.
The Stooges – 1970
An die Begeisterung, die der vorangehende Track ausgelöst hat, können die Punk-Urgesteine von den Stooges leider nicht so recht anknüpfen. Ähnlich, wie du es so gerne beschreibst, weiß ich leider auch nicht so recht, wie ich mich diesem Lied nähern soll. Der schrammelige Gitarrensound z.B. gefällt mir wieder ziemlich gut, aber was den sechs Saiten hier entlockt wird, lässt mich merkwürdig kalt. Und klar, so ganz nehme ich es Iggy nicht ab, wenn er immer wieder „I feel alright“ ins Mikrofon schreit, wie um sich selbst zu überzeugen; aber was ich stattdessen davon halten soll, wird mir auch nach dem x-ten Durchlauf nicht ganz klar. Theoretisch sollte das alles so viel Energie versprühen, aber davon kommt so wenig bei mir an; als emotionaler Eingangspunkt könnte dienen, dass natürlich alles etwas kaputt klingt, aber dann eben auf so eine „Sex, Drugs & Rock’n’Roll“-Weise, zu der ich wiederum keinen Zugang finde.
Zusammenfassend und leicht überspitzt könnte man wohl sagen, dass der Song für mich etwas verstaubt klingt; große Band, sicherlich, innovativ zu ihrer Zeit und von kaum zu überschätzendem Einfluss – aber den Bezug zu meiner aktuellen Gefühlswelt vermag ich einfach nicht herzustellen.
Bewusst ausgeblendet habe ich bisher das Detail, das diesen Song ein ganzes Stück ausgefallener macht, nämlich das in den letzten zwei Minuten einsetzende Saxophon, das sich mit seinem wilden und enthemmten Spiel wirklich gut in den Gesamtsound einfügt und dadurch nicht wie ein Fremdkörper wirkt. Mein Interesse vermag diese Idee auf jeden Fall zu wecken, aber wirklich emotional involvieren können die Stooges mich an diesem Punkt leider nicht mehr; so bleibt dieser Song für mich eher eine nicht uninteressante Geschichtsstunde als etwas, das mich länger verfolgen wird.--
[indent]Jerry lacht wie ein Kind. Schlurft wie ein alter Mann. Langsame, schleppende Sprache. Zufällige Gedanken, die in einem sterbenden Gehirn hängenbleiben. Verworrene Erinnerungen. Stimmen, die sonst niemand hört.[/indent]Den Gesang empfand ich bei Planes Mistaken For Stars immer schon als größten Vorzug. So fertig und dennoch teils so warm und melodisch zu klingen – das schaffen nur wenige Genreschreihälse und keiner so gut wie Gared O’Donnell. Aber kein Wunder, dass weder seine Stimmbänder noch der Rest der Band den Intensitätslevel lange durchhielten – „Mercy“ von 2006 blieb das letzte Album der Band (wobei die ehemaligen Bandmitglieder seitdem auch sporadisch kurzlebige Nachfolgeprojekte unterhielten).
Dagegen kommt der Shouter von Modern Life Is War auch für mich nicht an, obwohl „Witness“ mein wahrscheinlich zweitliebstes Hardcore-Album aller Zeiten darstellen dürfte. Kann da aber auch nicht sagen, wann und wieso da der Schalter bei mir umgelegt wurde.
Ich glaube, Wipers sind eine der am meisten als Einfluss herbeizitierten Bands der Welt, insofern würde es mich bei Refused zumindest nicht wundern.
Kann deine Vorbehalte bei The Stooges nachvollziehen und weiß auch selber nicht recht, welche Eingebung mich dazu gebracht hat, die Band und vor allem „Fun House“ für die Erfüllung meiner musikalischen Wunschträume zu halten. Zugangserschwerend muss sich wohl ausgewirkt haben, dass die Band sich standhaft geweigert hat, einen geraden Groove zu spielen. Für mich macht vor allem der Albumkontext viel aus sowie der blanke, feindliche Zynismus, von dem die Selbst-und-alles-andere-Zerstörungswut hier bestimmt wird. Sex, Drugs & Rock’n’Roll, ja, aber wenn, dann bitte so. The Stooges sind wohl eine der wenigen Bands (und die einzige, die mir momentan einfällt), die dieses Credo durchzieht und dabei nicht (nur) sleazy und hedonistisch, sondern auch heute noch brandgefährlich klingt.
9. Earthling – Me & My Sister
Anfangs steht noch die Befürchtung im Raum, mich mit prolligem Dubstep herumschlagen zu müssen, aber das erledigt sich schon mit dem Einsetzen eines herrlich queeren Beats. Zu diesem schon einmal ziemlich stark schwankenden Gerüst gesellt sich eine nicht minder queere Stimme. Der Gesang (obwohl der Song mir als Hip-Hop angekündigt wurde, sträubt sich irgendetwas in mir dagegen, es Rap zu nennen) adaptiert den zwischen flamboyant und verdeckt panisch schwankenden Ausdruck von Alan Vega (Suicide) und kombiniert ihn min Reminiszenzen an…wie hieß nochmal der Sänger bei Massive Attack – Angel? Das Ding ist, dass ich in dem Fall erst nach Jahren zufällig rausgefunden habe, dass der Song von einem Mann eingesungen wurde, und eine ähnliche Androgynität strahlt auch der Vokalist von Earthling aus. Ich weiß, Massive Attack-Vergleiche bei Trip-Hop-nahen Bands, wahnsinnig originell…aber ich muss es wieder tun. Eine gewisse Neigung zur Überproduktion und zu regelmäßigen Erschütterungen durch Lautsrärkeschwankungen haben Earthling nämlich auch, wenn auch vermutlich nicht so viel Zeit und Geld wie MA, um sie auszuleben.
Die vermittelte Stimmung ist ansonsten ganz interessant, der Text klingt, als hätte Steve McQueen ihn sich für einen „Shame“-Subplot abgeschaut. Den ich noch nicht gesehen habe. Naja. Begleitet von regelmäßigen E-Gitarrenzuckungen führt „Me & My Sister“ durch dreckige Korridore und Tunnel, die mit zunehmender Spielzeit immer schlechter beleuchtet werden, auf Sohlen, die anfangs kaum Kontakt zum Boden haben. Schließlich hat sich eine melancholische Melodie aber Bahn gebrochen und der hohlwangige Methdandy sitzt zusammen mit seiner blassen, kindlichen Schwester zusammengekauert und ängstlich umschlungen in einer feuchten Ecke in irgendeinem Keller. Schon irgendwie nicht praktisch, wenn beide zu kaputt sind, um sich aufeinander zu verlassen.
(den Song fand ich übrigens ganz prima, falls das nicht ankam)10. Pink Turns Blue – Celebration’s Day
Raus geht’s aus dem feuchten Keller in eine zwar weniger klaustrophobieverursachende, aber nicht minder ungemütliche Umgebung mit dem Gitarrendarkwave von Pink Turns Blue, den ich irgendwie weit weniger spannend in Erinnerung hatte. Draußen ist alles grau, Regentropfen bilden eine Wand aus Wasser und es blitzt und donnert so nahe, dass man die Elektrizitätsentladungen in den eigenen Knochen zu spüren meint. Bei der Produktion hat sich die Band hörbar und angenehm Mühe gegeben, denn der Einsatz von Hall gerät so effektvoll wie maßlos („Sleep No More“, aber nicht so fahrstuhlschachtmäßig hermetisch), der Klang ist reich und räumlich. Zu Beginn gewinnt der Bass so viel an Raum und Lautstärke, dass er gleichberechtigt mit dem Gesang in einen Dialog tritt. Anfangs habe ich mir noch gewünscht, dass er ihn ganz übertönen würde. Der Sänger klingt so, als würde er an den Kartoffeln in seinen Mund ersticken, und welchen Akzent er auch immer imitiert, er sollte es lassen. Nach ein paar Durchgängen habe ich dann aber doch Gefallen gefunden an diesem Heulen eines Ertrinkenden, in dessen angsterfüllten Augen man nur noch die weiße Lederhaut sieht.
Im weiteren Songverlauf gewinnen die stählernen, überraschend und völlig undverhältnismäßig schweren Gitarren an Raum, während „Celebration’s Day“ vom Drumming immer noch die Gravitationskraft vom Halse gehalten wird. Lange kann dieser Zustand ja nicht aufrechterhalten werden. Und so hängt das Stück unmöglich angespannt in der Schwebe, während unter ihm die Erde bebt und der Boden sich öffnet. Alles ist erfüllt von einer delikaten Dramatik und der Ahnung einer nahen und furchtbaren Katastrophe – die aber in diesem Song lediglich eine Ahnung bleibt. Normalerweise ärgert mich sowas. Hier fasse ich das aber einfach mal als Cliffhanger auf und als Aufforderung, auf Albumlänge nach einer adäquaten Auflösung zu suchen. Ja, gut, sollte es die nicht geben, fände ich das aber auch nicht schlimm.11. Nils Petter Molvær – Song Of Sand II
Ist nicht so, dass man mich von Nils Petter Molvær noch groß überzeugen müsste, aber schadet ja nicht. Das hier ist aber entschieden anders als „Baboon Moon“, das Rhythmusfundament…ach, Mist, es gibt bestimmt einen Namen für sowas. Jedenfalls scheint es seine Ursprünge eher in Trip-Hop und/oder Dub zu haben als in Rock, ist langsam, schlangenhaft und sehr sexy. Molvær ringt seiner Trompete zunächst nur mit Mühen ein paar gequälte Töne ab, aber nach 45 Sekunden, wenn das Stück klanglich voll da ist, kann er auch nicht mehr am melodischen Leitfaden vorbeispielen. Unterlegt von wässrigen Flächen wird das Stück kurzzeitig freundlich, bei ca. 2:20 sogar nochmal, aber das soll auch der letzte Akzent dieser Art gewesen sein. Sich selbst ausbremsende Gitarren flankieren die Trompete und den unveränderten Rhythmus, ungefähr zur Songmitte hin gibt Molværs Instrument dann sehr schmerzhafte kreischende Geräusche von sich und der Abstieg in die Unterwelt kann schließlich beginnen.
Der lange, wässrig blaue Korridor wird zu einer Hölle aus verbrauchter Luft, blasser nackter Haut und Schweiß, Gitarren kratzen an den Glaswänden des umgebenden Haifischbeckens entlang. Die leitende Melodie hat man zu diesem Zeitpunkt längst in der Menge verloren, allein das Drumming bleibt ziemlich unberührt von allem. Die vorbeischwebenden Synthieschwaden und der relativ freundliche Ausklang mit der wiedergefundenen Trompete können da im guten Sinne auch nicht mehr viel rausreißen. Hintergrundmusik für die Wartezimmer der Hölle.12. The Vyllies – The Black Raven
Im Anschluss an den Nu Jazz von Nils Petter Molvær einen Song auf den Sampler zu pacen, der mit Blechbläsern beginnt – erstmal keine schlechte Idee. Ansonsten fällt mir nichts ein, was NPM mit The Vyllies verbindet.
Irreführend ist zunächst der Friedhofsernst dieser wahrscheinlich dem Keyboard entspringenden Bläser, denn die Grundstimmung ändert sich schnell. Der Drumcomputer gibt einen pappigen Spielzeugsoldatenrhythmus vor, ein Pianoimitat schafft mit akzentuierten Aufschlägen eine Fläche, auf der man sich dekadent räkeln kann, und da werden auch die Bläser auf eine verquere, zynische Art irgendwie feierlich. Apropos sich dekadent auf einem Klavierdeckel räkeln – eine Chanteuse betritt die Bühne und singt mutmaßlich mit halboffenen Augen und einem Lächeln, das sich am treffendsten als „twisted“ beschreiben lässt (auch ein Wort, für das mir kein gutes deutsches Äquivalent einfällt). Atmosphärisch befindet sich das irgendwo zwischen verbotenem Untergrundkabarett in Deutschland Mitte der 30er und einem Bordell, das ehemals luxuriös und edel war. Das Timbre der Sängerin liegt ziemlich genau im Niemandsland zwischen Gavin Friday (Virgin Prunes) und Anja Huwe (Xmal Deutschland), weshalb ich sie in all ihrer ätzenden Lässigkeit nach dem ersten, unaufmerksamen Durchlauf nicht einmal als weiblich wahrnahm. Ich weiß nicht, ob diese Irritation in meinem Assoziationsblaster in die hier generierte Umgebung von Sex und Verkommenheit und viel billigem Parfüm passt, aber sie stört mein Bild nicht. Bezüglich der physischen Erhältlichkeit des Albums brauche ich mir aber keine Hoffnungen zu machen, oder?€: Reviews geschrieben, Kopfschmerzen weg. You can’t explain that!
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trying to leave [COLOR=#808080]a mark more permanent than myself[/COLOR]palezAnfangs steht noch die Befürchtung im Raum, mich mit prolligem Dubstep herumschlagen zu müssen
Nach Velvet Acid Christ würdest du mir derlei wohl zutrauen, was? :haha: Aber falls der Skrillex-Track auf Pogopuschels Jahressampler repräsentativ für das Genre ist, werde ich mich von Dubstep so fern halten wie nur möglich…
Earthling werden tatsächlich öfters mal als Trip-Hop-Band bezeichnet, aber da ich sie als Hip-Hop kennen gelernt habe und vor allem, weil sie mir noch vor Dälek, El-P usw. die Augen dafür geöffnet haben, dass dieses Genre auch Gutes zu bieten hat (damals Metal-Scheuklappen und so), werden sie für mich ewig Hip-Hop sein. Aber das Label ist ja eigentlich egal, schön, dass es dir gefallen hat.
Bei den Vyllies bin ich froh, dass dich das Synthetische in der Musik nicht stört, da man diesen kühl-künstlichen 80er-Sound bestimmt auch billig finden könnte…aber wie du schon schreibst: Sex und billiges Parfüm und vielleicht die spöttisch-ehrerbietige Kabarett-Version eines Edgar-Allan-Poe-Gedichts.
http://www.youtube.com/watch?v=7XeoZ1sguF8
Das Album ist übrigens nie auf CD erschienen und die LP gibt’s auch nicht mehr ohne Weiteres. Sollte James Plotkin mein The Angelic Process werden, werden die Vyllies wohl meine Fell Voices :haha:Bodychoke – Your Submission
„You see me waiting, hating, biting, lusting, contemplating…you see me rollin‘, you hatin’…“
Ok, dämliche Assoziationen beiseite, Bodychoke spielen meinen Erwartungen mal wieder einen Streich. Eingetragen hatte ich mich für Noise-Rock mit heftigen, erdrückenden Lärmflächen; Lärm gibt es zwar irgendwann auch mal zu hören, allerdings gerät die Einleitung so ausführlich, dass ich mich des Eindrucks nicht erwehren kann, Noise spiele hier nur die zweite Geige.
In der Hauptrolle präsentiert sich dagegen der Bass, der von Anfang an eine langsame und simple Line spielt. Unterstützung erfährt er dabei von einzelnen, stark verhallten Drumschlägen, wie Murmeln, die in einem Kellergewölbe auf eine Blechplatte geworfen werden. Der Sänger trägt Verachtung und eine gefährliche Ruhe in seiner Stimme, die mich etwas an den Song von Telstar Ponies erinnert, allerdings nicht so sehr überzeugt. Irgendwie scheint hier das Psychotische unter der Ausdruckslosigkeit nicht so durch, vielleicht soll es das aber auch einfach nicht. Textlich wird wohl sowas wie ein SM-Szenario aus der S-Perspektive geboten, das vom mangelnden Affekt in der Stimme nicht unbedingt profitiert.
Nach 3:40 Minuten kommt dann der Ausbruch, verzerrte E-Gitarren und die endlich durchbrechende Brutalität in der Stimme künden von der unvermeidbaren Gewalt, die dem Warten, Hassen, Beißen und Lüstern folgen musste. Für mich zu spät und auch insgesamt unbefriedigend, der Song kriegt mich einfach irgendwie nicht. Nach vielen Durchläufen bin ich mir noch immer nicht sicher, was Bodychoke genau wollen – nur, dass sie ihr Ziel bei mir wahrscheinlich verfehlen.Nico – Evening Of Light
And now for something completely different.
„Evening Of Light“ beginnt zwar ebenfalls ruhig, aber sanft wie ein feiner Nebel aus Wassertröpfchen, repräsentiert durch das monotone Klimpern von etwas, das ein Cembalo sein könnte oder auch nicht. Bald setzt auch schon die Stimme ein, geisterhaft und doch verletzlich, unwirklich aber ergreifend. Das Klimpern wird fast unmerklich intensiver, bis man vom Wasserstaub völlig eingehüllt ist, jedes Tröpfchen dicht am Gefrierpunkt, die eigenen Bewegungen und Gedanken lähmend. Noch immer spukt diese Stimme durch den Nebel, viel näher, als sie eigentlich sein dürfte, ohne dass man die Präsenz eines anderen Menschen wahrnehmen kann. Am Anfang fällt Licht durch die weiß-blaue Gischt, vielfach gebrochen und wunderschön; doch im Laufe des Songs wird es ersetzt durch eine beklemmende Düsternis, transportiert durch ultra-verzerrtes Gitarren(?)-Rauschen, das sich erst ganz subtil in die Klangcollage schiebt, um schließlich immer mehr Raum einzunehmen. Merkwürdige andere Geräusche huschen ebenfalls durch den Sound wie Schemen, die sich niemals wirklich durch die Sinne fixieren und irgendwo einordnen lassen.
Nachdem Nicos Stimme verklungen ist, fühlt man sich überraschend verlassen und nimmt erst jetzt richtig wahr, wie feindselig diese eisige Umgebung eigentlich ist. Mit immer lauterem und verstörendem Dröhnen und Fiepen kommt „Evening Of Light“ schließlich zu seinem Unhappy End.Das relativ kurze Review bringt es vielleicht nicht optimal rüber, aber dieses Lied hat mich wirklich beeindruckt. Nico steht schon eine Weile auf meiner Einkaufsliste, aber die Chancen wurden erheblich verbessert, dass sie bald von dort verschwindet – weil ich mir endlich etwas von ihr zugelegt habe.
The Velvet Underground – Sister Ray
The Velvet Underground direkt hinter Nico – wie einfallsreich 😛
Gut, Spaß beiseite…die erste Einleitung, die ich zu diesem Review geschrieben hatte, sah so aus:
„Das wird mal wieder eines dieser unglaublich schwierigen Reviews. Nicht nur fällt mir der Zugang zum Material ziemlich schwer, es gibt auch gleich noch soviel davon…“Es stimmt tatsächlich, dass dieser zweitlängste Song des Samplers mir nicht viel sagt und auch nicht unbedingt zusagt. Das gilt zumindest für die ersten neun Minuten, was ja immerhin mehr als die Hälfte ist. Was ist mein Problem?
Es ist diese Mischung aus Flowerpower-Geschrammel und schiefen Grooves, die auch direkt Vergleiche mit den Stooges aufkommen lassen, deren Proto-Punk bei mir ja schon nicht so ganz funktioniert hat. Sämtliche Riffs und Melodien, die klischeehafte Hammond-Orgel (gegen die ich aber grundsätzlich eigentlich nichts habe) und der zugedröhnte Gesang stehen für mich für so eine bestimmte Musik aus einer bestimmten Zeit, zu der bei mir einfach ein emotionaler Disconnect besteht.
Nun bilden The Velvet Underground natürlich diesen musikalischen Status quo nicht einfach bloß ab, sondern verzerren ihn, dekonstruieren ihn, verbiegen ihn in etwas Neues. Nur geht mir das in der ersten Hälfte des Songs noch nicht weit genug. Die z.T. schon etwas verstörende Wirkung der zerfahrenen Strukturen (die ja im improvisationslastigen Psychedelic Rock zunächst nicht überraschen) gepaart mit dem äußerst lärmigen Sound deuten an, dass das hier nicht der angenehmste Trip werden soll, ohne dass jedoch der grundsätzliche Vibe der Riffs und Orgel-Melodien ausreichend konterkariert wird. Bloß weil mit dem Drogen-Mix etwas schiefgelaufen ist, muss ja nicht gleich der ganze Trommelkreis aufgelöst werden…
Aber dann. Dann sind irgendwann neun Minuten rum, in denen ich gezweifelt habe, ob dieser Song noch irgendetwas Interessantes wird bieten können – und die Atmosphäre ändert sich grundsätzlich. Das Rhythmus-Gerüst wirkt jetzt stapfender, aggressiver. Die stakkatoartigen Akkorde der Hammond-Orgel klingen gar nicht mehr nach einem friedlichen Instrument, sondern wie ein manisches Kreischen. Das noisige Rauschen der Gitarren lässt den Blick durch rote Schleier verschwimmen, die nicht mehr nur auf Drogen zurückgeführt werden können. Emotionen schwappen über, destruktive Energie schreit nach Entladung, high rumliegen kommt nicht länger in Frage. Lou Reed könnte langsam mal sein Gefasel von wegen „suck on my ding-dong“ einstellen, aber abgesehen davon reißt mich der Song jetzt doch richtig mit und die verbleibenden acht Minuten vergehen wie im Fluge. Als sie vorbei sind, gleicht der Raum einem Schlachtfeld, die Einrichtung wurde in Trümmer gelegt, Menschen haben sich an den Wänden die Fäuste und Köpfe blutig geschlagen und irgendwo liegen die zerfetzten Überreste eines Tamburins herum.Nicht sicher, ob ich dieses Lied noch öfter höre oder ob ich mich mit dem Album beschäftigen will. Aber ein Fehlschlag war es auch nicht.
Tim Hecker – Hatred Of Music: I
And now for something completely diff- ach nee, das habe ich ja weiter oben schonmal gebracht.
Der Übergang von The Velvet Underground zu Tim Hecker fühlt sich an, wie den Blick von einem mit einer beschädigten Schwarz/Weiß-Kamera gefilmten Amateur-Sextape auf einem antiken Röhrenfernseher zur Full-HD-Tiefseedoku auf der Heimkinoanlage eines viel zu reichen Freundes zu wenden.
Der State-Of-The-Art-Ambient Heckers lebt von Harmonien, nicht Melodien, obwohl viele der Schichten durchaus etwas Melodisches an sich haben, wenn man sie aus dem Gesamtsound herausfiltert und isoliert betrachtet. Das ergibt allerdings nur wenig Sinn, weil erst das Zusammenspiel der Geräuschebenen die Schönheit des Werkes erfahrbar macht. Viel Synthetisches, aber auch das schwere Dröhnen von verzerrten Gitarren treffen hier aufeinander; zuhören ist vergleichbar damit, die Finger über Lagen verschiedener Stoffe gleiten zu lassen, verschiedene Texturen zu streifen, zu ertasten, zu erleben.
Wenn die Gitarren dominieren, besonders nach 4:30 Minuten, als die Klangkulisse plötzlich ein weiteres Mal an Volumen gewinnt, fühle ich mich ein wenig an Murmuüre erinnert, nur dass der obskure Mystizismus, der das französische Underground-Projekt mit seinen Black-Metal-Wurzeln verbindet, durch eine kühle Klarheit ersetzt ist: Hier scheint es um die Töne an sich zu gehen, ihre Wirkung und ihr präzises Zusammenspiel.Ich kann nicht sicher sein, ob Hecker über ein ästhetisches Statement hinaus noch etwas sagen will und schon allein deswegen weiß ich nicht, wie intensiv ich mich mit dieser fast schon erschreckend perfekten Musik auseinandersetzen kann. Dieser Erstkontakt war aber auf jeden Fall beeindruckend, um nicht zu sagen überwältigend.
Nachtrag: Vorhin habe ich mir übrigens beim Fingernägelschneiden mal wieder etwas zu viel weggesäbelt, sodass ich mir jetzt im wahrsten Sinne des Wortes die Finger blutig geschrieben habe.
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[indent]Jerry lacht wie ein Kind. Schlurft wie ein alter Mann. Langsame, schleppende Sprache. Zufällige Gedanken, die in einem sterbenden Gehirn hängenbleiben. Verworrene Erinnerungen. Stimmen, die sonst niemand hört.[/indent]Cindytalk – Memories Of Skin And Snow
Maschinelles Dröhnen und Hämmern versetzt uns sofort in eine Maschinenhalle. Schweres Gerät donnert und quietscht, das schleppende Knarzen einer Rhythmusgitarre und monotone Drums fügen sich nahtlos in die kalte und blecherne Klangkulisse ein. Das atonale Schrillen der Leadgitarre fügt dem Ganzen etwas Surreales hinzu; ihr Spiel changiert zwischen Feedback und Tönen, die fast etwas Melodiöses haben, bevor sich ihr Klang dem Bewusstsein wieder entzieht, ohne ihm etwas Greifbares, Halt gebendes zu hinterlassen.
Vor dieser unbequemen Szenerie jammert, schreit und raunt ein Sänger, der die Grenze zum Wahnsinn hörbar schon überschritten hat. Abgemagert und in eine glühend heiße Eisenkette gewickelt predigt er in der Maschinenhalle von krankhafter Liebe und dem erlösenden Abstreifen des Verstandes zu einem Publikum, das wohl nur er wahrnehmen kann.„Memories Of Skin And Snow“ ist sehr monoton, nimmt mit seiner erdrückenden Atmosphäre aber so gefangen, dass man es eigentlich nur dann bemerkt, wenn man bewusst auf Veränderung wartet (z.B. um eine kurzweilige Review zu schreiben…). Maschinen-Samples, Gitarren und Drums sind wenig mehr und doch eine ganze Menge mehr als bloßer Lärm; Lärm eben, den zu hören man in einer solchen Umgebung erwarten würde. Obwohl hier wohl zum größten Teil mit Rock-Instrumentierung gearbeitet wird, ist das Klanggebilde doch wesentlich näher am Industrial und schöpft daraus seine atmosphärische Wirkung (und erinnert mich damit trotz völlig unterschiedlicher Ausstrahlung auch an eine andere Band, die mich im Moment sehr begeistert).
Toller Song und ein nähere Auschecken sicherlich wert.Enmerkar – This Ancient Land Of Sorrow And Beauty
Wärmer wird es nicht gerade, wenn Enmerkar das Feld übernehmen, die Umgebung ändert sich jedoch vollkommen.
Wir hatten es auf diesem Sampler ja schon von Schemen und Geistern, hier bekomme ich aber das Gefühl, selbst zum Gespenst zu werden und substanzlos durch verschneite Wälder zu schweben. Die Gitarren zeichnen mit ihrem entrückten Rauschen Landschaften aus entsättigten Farben und Schatten; mir gefällt besonders, dass ich in der Art und Weise, wie hier einzelne Spuren und Sounds zu Klangteppichen verwoben werden, durchaus den oft herbeizitierten Shoegaze-Einfluss heraushöre, ohne dass jedoch den Gitarren sämtliche Energie und Gefährlichkeit abhanden kommt. Enmerkar klingen zwar nicht gerade angriffslustig, aber alles andere als harmlos.
Dass ich mich allerdings selbst als geisterhafter Wanderer durch das alte Land des Kummers und der Schönheit fühle, statt von den ruhelosen Seelen dieses Ortes heimgesucht zu werden, liegt an der Introvertiertheit der Musik. Die Vocals sind ein geheimnisvolles Wispern aus der Ferne, kein grimmiges Keifen oder Fauchen; Rhythmen und Melodien sind zu sehr mit sich selbst und der Umgebung beschäftigt, um den Hörer zu attackieren. Wenn man den richtigen Augenblick abwartet, kann man also einfach eintauchen und sich mittreiben lassen; erhabene Keyboardflächen, naturverbundene Akustikgitarren und tragische Leadmelodien tragen den schwerelosen Geist dann durch ihre Welt, mit jedem Durchlauf des Songs erneut, so lange mal möchte.Ich bin ja kein Fan von EPs, aber da Enmerkar mich nach „Pale Lord Pilgrimage Of The Winter Born“ nun schon mit dem zweiten Song voll überzeugen konnten, ist eine Anschaffung von Starlit Passage wohl nicht länger vermeidbar.
Troum & All Sides – Shutûn
Ein weiteres Mal ein „&“ im Künstlernamen, das hier auf die Zusammenarbeit des Ambient/Drone-Duos Troum mit der Künstlerin Nina Kernicke, auch (un)bekannt als All Sides, hindeutet. Wer hier welchen Part des vorliegenden Opus beigesteuert hat, ist schwer herauszuhören, denn geboten wird ausschweifender Ambient ohne merklich aus dem Rahmen fallende Elemente, die man ohne Weiteres einem Featuregast zuordnen könnte.
Die knapp 54-minütige Reise namens „Shutûn“ fängt ominös an, mit beschwörend an- und abschwellenden Lauten, die an stark verfremdete Stimmen erinnern. Noch habe ich keine Ahnung, wo ich mich befinde, wer noch hier ist, was ich hier tun soll. Die Einleitung wird alsbald abgelöst von einer monotonen Synthiefläche, die zwar eine primitive Tonfolge spielt, dabei aber keine nennenswerte Melodie produziert oder mich sonstwie zu einer emotionalen Reaktion reizt. Ein sonderlich hohes Maß an Zugänglichkeit war aber an dieser Stelle wohl auch noch nicht geplant, weshalb ich einfach abwarte, wie „Shutûn“ weitergeht. Und siehe da, bereits nach zehn Minuten setzt eine Melodie ein; erst subtil in die übrigen Keyboards verwoben, schiebt sie sich schließlich in den Vordergrund und nimmt den Raum ein, der ihr zusteht. Elegisch, mit großer Geste kommt sie daher, wie es einem Mammutwerk wie „Shutûn“ wohl angemessen ist; dabei wirkt sie auf mich aber leider auch ein wenig beliebig. Ich will nicht boshaft erscheinen, aber da du kürzlich selbst noch die „Entmystifizierung“ von Dark Ambient und Drone durch verlangsamte YouTube-Videos erfahren hast, muss ich gestehen, dass ich mich genau daran erinnert fühle. Die lang gezogenen Töne mit viel Hall wirken Ehrfurcht gebietend, doch was sie transportieren, entbehrt für mich einer Richtung, hat nichts Zwingendes. Noch weiß ich nicht, was ich hier soll, „Shutûn“ hat mir noch keine Antworten geliefert.
Nach knapp zwanzig Minuten scheint ein erster Höhepunkt angestrebt zu werden, die Melodie gewinnt nun an Momentum, gleicht einer gigantischen Blüte, die sich entfaltet; geschenkt, dass dieser Moment ein wenig zu oft wiederholt wird, hier passiert etwas Beeindruckendes und der nächste Part wird gebührend eingeleitet. Nun gibt es Dark Ambient, wie man ihn sich vorstellt: Formloses Dröhnen, merkwürdige Geräusche aus dem Nirgendwo, Suspense. Nach dem frevelhaften Erblicken der kosmischen Blume scheinen wir in einen weitläufigen Kohlekeller gesperrt worden zu sein; der Sound suggeriert viel Raum, doch so dichte Dunkelheit, dass wir ihn nur ahnen, nicht sinnlich erfassen können. In diesem Keller verbringen wir eine lange Zeit. So viele Minuten schleichen vorbei, dass der Payoff dieser aufgebauten Spannung irgendwann gar nicht mehr groß genug sein kann, um die Warterei zu rechtfertigen.
Endlich entscheidet sich jemand, mit der Kohle aus unserem Verlies eine gigantische Maschine in Gang zu setzen. Synchron zu ihrem Hämmern fängt unser Herz an zu pochen, ein Zeichen von Gefahr. Doch wo sie herkommt und wovon sie ausgeht, das vermag ich nicht festzustellen und so bleibe ich etwas verwirrt mit dieser körperlichen Reaktion zurück, der mein Geist nicht zu folgen vermag. Wenn man so etwas relativ Ausgelutschtes wie Herzklopfen in seinen Song einbaut, sollte es auch zwingend aus den übrigen Songteilen hervorgehen; die düsteren Ambientflächen haben sich zu diesem Zeitpunkt leider schon etwas abgenutzt, sodass ich jetzt nicht einfach auf Kommando Angst bekommen kann.
Durchaus intensiv wird es nach 35 Minuten, als das ununterbrochene Poltern der Maschine zu einem ohrenbetäubenden Lärmen heranwächst. Ich sehe das Gerät nun turmhoch vor mir, sein Verwendungszweck unmöglich zu erkennen; doch jetzt habe ich tatsächlich das Bedürfnis zu fliehen, nichts Gutes kann hier auf mich warten.
Nachdem ich den Krach hinter mir gelassen habe: Erneut Desorientierung, erneut Geräusche…erneut ein Herzschlag? Aber das kann nicht mein Herz sein, das ist etwas Größeres, Fremderes. Die Wände des Tunnels, in den es mich verschlagen hat, pulsieren im Takt der mächtigen Schläge; es wird wärmer und zusammen mit sanften Keyboardteppichen beginnt ein weiches Licht ohne erkennbare Quelle zu erglühen.
So geht es dann die restlichen zehn Minuten weiter. Die vorgetragenen Melodien sind durchaus schön, das Klopfen des monströsen Herzens verliert aber irgendwann seinen Effekt, wird gar ein wenig nervig. Ich wandere diesen nun merkwürdig organischen Gang entlang, sämtliche Angst ist von mir abgefallen, doch ich komme nirgendwo an. Als „Shutûn“ am Ziel ist, bin ich es wohl auch, doch ich könnte nicht sagen, wo das ist.Tja. Abschließend kann ich nur sagen, dass Troum & All Sides meine Erwartungen leider ziemlich genau erfüllt haben. Ich hatte gehofft, hier überrascht und von deiner Begeisterung angesteckt zu werden, aber dieser Sound ist ungefähr das, was ich vor einiger Zeit mal auf YouTube entdeckt und für nicht weiter verfolgenswert befunden hatte. „Shutûn“ bietet durchaus gelungene Momente und gar nicht so wenig davon, aber eben auch vieles, das für mich nach Richtungslosigkeit und ausgewalzten Halbideen klingt. Von einem Werk dieser Länge würde ich zudem einen perfekten Aufbau erwarten, der mich bei Stange hält und den habe ich nicht immer bekommen.
Vielleicht verstehe ich die Musik einfach nicht richtig, und das soll jetzt keine sarkastische Resignation sein, sondern ist wirklich ernst gemeint. Jedenfalls denke ich nicht, dass Troum mich so schnell wieder beehren werden.Fazit
Ziemlich großartiger Sampler, hat mir nach den Longtracks bisher am besten gefallen 🙂 Totalausfälle gab es gar keine, die Problemfälle waren nicht nur überschaubar in der Anzahl, sondern hatten zumeist noch irgendetwas Interessantes zu bieten, selbst wenn der endgültige Funke nicht überspringen wollte. Mit Eyedea & Ability, Woven Hand, Telstar Ponies, Wipers, Nico, Cindytalk usw. waren außerdem jede Menge Beiträge dabei, die ich weiterverfolgen und vielleicht schon bald meinem CD-Regal hinzufügen werde.
Vielen Dank für diesen dritten Austausch!Achja, auf dem Zettel am Stein stand übrigens „Man hat’s nicht leicht, aber leicht hat’s Einen.“ Und auf der Rückseite die Adresse einer Glaserei in Russland. Na toll…
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[indent]Jerry lacht wie ein Kind. Schlurft wie ein alter Mann. Langsame, schleppende Sprache. Zufällige Gedanken, die in einem sterbenden Gehirn hängenbleiben. Verworrene Erinnerungen. Stimmen, die sonst niemand hört.[/indent] -
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